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Daß jemand über Nacht Millionen-
C./J' erbe werden könne — diesen alten Witz

wissen wir alle als oft enttäuschte Neffen
von Onkeln und Tanten richtig einzu-
schätzen Durch Erbschaft voift Droschken-
kutscher zum Millionär ;ur avancieren,
dürfte ein noch seltenerer Fall sein.Aber daß ein Droschkenkutscher
nichts ahnend in seiner Droschke ein liegengelassenes Zeitungs-
blatt aufnimmt und darin einen Aufruf nach sich als dem Er-
ben von 80 000 Pfund findet — dies Ereignis ist der Chronik
würdig. Der Glückliche heißt William Brown und wohnt in
Dublin — er ist aber klug genug gewesen, vorläufig seine Drosch-
kenlizenz noch zu erneuern. „Besser ist besser" denkt er. „Mir
soll es nicht gehen wie den zwölf kleinen Österreichern, von denen
ich kürzlich in den «Fliegenden Blättern" qelesen babe."

Der belehrende Einfluß der Äunft ist jüngst in Tokio durch
polizeilichen Eingriff einwandfrei dokumentiert worden. War da
auf der internationalen Kunstausstellung die Gruppe Rodins
„Der Kuß" ausgestellt. Für diejenigen, die sobenannte Gruppe
nicht kennen, ist sie unten zu sehen. Für europäische Begriffe ist
die Gruppe, was den „Kuß" an sich anbelangt, geradezu lang-
weilig. Indessen in Tokio umstellte die Polizei am dritten Tag
die Gruppe mit Bambusschirmen. Als der gekränkte Franzmann
nach dem Grund der Maßnahme fragte, erhielt er vom Polizei-
präsidenten die Antwort: „Der Kuß ist eine unsaubere Ange-
wohnheit. Die Japaner wünschen nicht, diese Unsitte in ihrem
Land einzuführen oder zu begünstigen .1»

Der Oberförster von Schwerin wird schmunzeln, wenn er
dieje Geschichte liest, und meinen, der Chronist sei ihm im Jäger-
latein doch noch über,- aber 's ist keins. Auf dem Schweriner
See sichteten Fischer kürzlich ein seltsames Schwarzvieh: eine
Seeschlange? einen Schweinefisch ? einen Seehund ? — In höch-
ster Spannung warfen sie die Netze aus und zogen aus dem
Waßer ein — Wildschwein. Cs zappelte und versuchte, das Netz
zu zertrennen. Aber es gelang ihm nicht. — Kein Jägerlatein!
Es joll sogar ein prächtig ausgewachsenes Eremplar gewesen
jein und der Oberförster von Schwerin soll es drei Tage vor-
her aufs Korn genommen und verkeblt haben. Br«tischn»w°r

Gefundungskrifis

Die Gegenwart ilt hoffnungslos,'

Wir fristen unser Leben bloß,

Weil unsere Aufbaulehnlucht brennt.

Die Bank berechnet zwölf Prozent.

Bezahlen will heut' niemand nifcht

In dieser Zeit ilt weggewifcht

Des Schuldners ehrfurchtsdicke Scheu — — —

Das Steuerblatt ilt täglich neu.

Du fchault und bift darob verwundert.

Die Banken rechnen zwölf vom Hundert.

Das halbe Volk ilt auf dem Hund/

So kriseln wir uns urgefund,

Und da wird weiter nichts getrauert,

Wenn's auch noch eine Weile dauert.

Uns bleibe jeder Nörgler fern.

Wir zahlen zwölf im Monat gern:

Wir leben in der Zukunft Traum
Wie unter einem Lorbeerbaum.

F. s.

Der arme Siegfried

Von Hermann Wagner

Ranstl kam ZU mir und ich hatte sofort den Eindruck, daß
irgend etwas mit ihm los sei. Mit Ranftl war ja immer irgend
etwas los wenn er sich einmal blicken ließ. In der Negel han-
delte es jich bei Ranftl um Dinge der Liebe. Entweder war
Ranftl verliebt, und dann lachte er, oder er war schon verlobt,
und dann pflegte er zu weinen. Bis zur Hochzeit war es bei
Ranftl noch niemals gekommen. Ich weiß nicht, woran das lag.
Aber ich denke mir, daß es das Schicksal mit den Frauen, die
Ranftl liebte, viel zu gut meinte, als daß es geduldet hätte, daß
ihnen das Schlimmste widerfahre. Es war schon bitter, nur
Ranftls Braut zu sein. Ein Weib, das gar Ranftls Frau ge-
worden wäre, hätte ich aufrichtig bedauert.

Diesmal weinte Nanftl, und ich nahm deshalb an, daß er
wieder einmal verlobt sei. Ich wollte der Braut, die ich nicht
kannte, in meinen Gedanken eben mein herzlichstes Beileid aus-
drücken, als Ranftl mir durch ein Kopfschütteln zu verstehen
gab, daß ich mich irre.

„Nein", sagte er, „es handelt sich diesmal um etwas anderes.
Es handelt sich um Else."

„So?" sagte ich.

„Das heißt", verbesserte sich Nanftl, „auch um Else handelt
es sich nicht. Es handelt sich vielmehr um Siegfried."

Ich fragte: „Wer ist Siegfried?"

„ Siegfried ? Siegfried ist beim Steueramt. Vielmehr er w a r
es. Ein prächtiger junger Mann. Ehrlich, treu und fleißig. Ge-
sund, hübsch und ideal. Klug, mit Erfolg geimpft und noch nicht
vorbestraft. Mit einem Wort: ein Muster!"

Ranftl unterbrach sich, um sich erst einmal gründlich zu schneu-
zen. Dann erbat er sich ein frisches Handtuch aus meinem
Schrank, mit dem er sich die nassen Augen wischte.

(Fortsetzung Sette 316)

3H
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Lustige Weltchronik"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Heigenmoser, Ernst
Entstehungsdatum
um 1924
Entstehungsdatum (normiert)
1919 - 1929
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 161.1924, Nr. 4120, S. 314

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