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Karldien interviewt
Chaplin
für die

„Fliegenden Blätter"

Ich traf Chaplin in sei-
nem Salon. Er war gerade
damit beschäftigt, ununter-
brochen vom Fußboden auf
den Tisch und wieder herun-
terzuspringen und beijedem
Sprung dem Lüfter eine
Ohrfeige zu geben.

»Ich trainiere gerade".

Hopserei zu unterbrechen.

„ Bitte, nehmen Sie Platz!"

Ich setzte mich in einen
Sessel, der alsbald mit mir
im Zimmer herumzusausen
anfing.

»Der kommt im zweiten
Akt vor!" sagte Chaplin (er
war gerade oben auf dem Tisch).
„Ich verspreche mir sehr viel Er-
folg davon! (Nun war er wieder
unten.) Eigentlich soll sich in dem
Film meineSchwiegermutter drauf-
sehen (jetzt war er wieder oben),
aber aus Berschen seht sich meine
Braut drauf! (Bums, hatte der Lü-
ster eine Ohrfeige.) Die Leute wer-
den Tranen lachen." (Er gab dem
Ofen einen Fußtritt, daß das Ofen-
rohr platzte und den ganzen Salon
mit Ruß überschwemmte. Dann zog
er entschuldigend vor dem Ofen
den Hut.) Mittlerweile hatte mein
Sessel haltgemacht und mich auf
den Boden gekippt.

»Darfich Ihnen beim Aufstehen
behilflich sein ?" fragte Chaplin, trat
naher, stolperte über den Tcppich-
rand, riß das Büfett um und verur-
sachte einen Wolkenbruch von Glas-
geschirr auf mein Haupt. Dann zog
er entschuldigend vor dem Büfett
den Hut. Da fiel ihm noch, etwas
verspätet, ein Bild auf die Rase.
Er krempelte die Hemdärmcl hoch
und begann mit dem Bild einen
Borkampf. Das Bild borte zurück.

»Kennen Sic eigentlich meinen
Hauswirt schon?" erkundigte er sich.
(Er war mit dem linken Bein in den
Bilderrahmen geraten und konnte
nicht mehr heraus.) »Ich werde ihn
herbeizitieren!"

Er holte unter dem Tisch ein
Nachtschränkchen vor, öffnete es und
schlug aus den darin aufgchängten
Gong. Der Schlegel witschte ibm

Ja cJcie Doo die

oder

Der neue AmeriJca = Song von
Chriftoph Colurnbus

Chriftoph Colurnbus, der Riefe und Held,

Er hob aus den Wadern die neue Welt.

Dodi war fie für feine Schultern zu fdiwer,

Wir y'anlees kamen zu Hilfe her !

- Doodle, doodle, yfankee !

Wir nahmen die neue Welt ihm ab
Und gaben ihm einen Wanderft ab;

Doch mit den Sdiultern fo arm und leer.

Da fch'Amte der alte Chriftoph fich fehr.

- Doodle, doodle, yrankce !

Er wartete an die fünfhundert Jahr,

Bis daß er fdiOn faßt ein Heiliger war.

Da lief ihm ein lächelndes Kindlein die Quer:
„Du, trag doch, St. Chriftoph, ach, trag übers Meer
Little, little Jackie !

Jdi muß an die Ufer der andern Welt,

Pazifik, Atlantik - kein Ozean mich hält /

Bin fidter für deine Schultern nicht fchwer -
Und es erwarten die AlenIdeen fo fehr
Little, little Jackie.

Da hob der Riefe das Kindlein empor
Und fetzte den Fuß und den Stecken vor
Und trug es mit großen Schritten durchs Meer
Und fang in den Wogen ftill vor fich her :
„Doodle, doodle, Jackie !

„Nun hab ich den Menfchen -werhätt es gedacht !-
Noch einmal ne neue Welt gebradit:

Das lächelnde Kind kommt mit mir übers Meer -
Nun bin ich kein armer Chriftoph mehr!

Doodle, Doodle, Jackie!

Debes-Bald&mus

aus der Hand, flog durch
die Fensterscheibe und ge-
rade einem vorbeigehenden
Herrn auf die Glatze. Cha-
plin zog entschuldigend vor
dem Nachtkastl den Hut.

Dann nahm er das
Nachtschränkchen, schleu-
derte es beiseite, und zwar
dem eintretenden Hauswirt
in den Bauch. „Entschuldi-
gen Sie!" sagte Chaplin
und gab ihm blitzschnell sieb-
zehn Ohrfeigen und vier-
undfünfzig Fußtritte. Der
Hauswirt entfloh, stürzte
vier Treppen hinunter, ge-
rade in ein offenes Teerfaß.

»Der Arzt hat ihm Be-
wegungverordnet!" erläu-
terte Chaplin. Er streckte den
Kopf durch die letzte noch
ganze Fensterscheibe, um zu
sehen, wer drunten geklingelt hatte.

Es war der Briefträger. Chaplin
warf ihm ein Lasso um den Hals
und zog ihn herauf. Hinten an dem
Briefträger hatte sich ein Hund fest-
gebissen. Chaplin nahm den Hund,
band ihm einen Schwimmgürtel
um und setzte ihn in das Zkmmer-
aquariuin. Dann riß er dem Brief-
träger sämtliche Briefe aus der
Tasche, zerriß die nicht für ihn be-
stimmten, gab dem Briefträger im
Eiltempo zwanzig Ohrfeigen und
kickte ihn, über drei Straßen hin-
weg, in das zuständige postaint.

»Ich wollte ihm bloß dasTram-
babngeld sparen!" sagte er.

plötzlich fiel sein Blick auf mich.
»Ach so, Sic wollten mich ja inter-
viewen! Schreiben Sie, ich werde
diktieren!" Er trat in Dikticrposc
auf mich zu, gab mir fünfundficb-
zig Ohrfeigen und neunundneunzig
Fußtritte. »Diktiere ich zu schnell ?"
fragte er zwischendurch. »Ich kann
auch langsamer." Er setzte mich zu
dem Hund in das Aquarium. »Be-
halten Sic Ihren trockenen Hu-
mor!" sagte er dabei. Er lud das
Aquarium auf einen kaputencn
Schubkarren und fuhr uns nach
der Redaktion. Zuerst nahm er den
Hund heraus und sagte: »Ich möchte
diesen Hund hier inserieren I Bitte,
messen Sic ab, was cs kostet!' Dann
legte er mich in einen Paplcrkorb
und goß das Aquarium nach.

Ich muß sagen, cs war ein selten
interessantes Interview. Karlchen

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Jackie Doodle oder Der neue Amerika-Song von Christoph Columbus"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Heigenmoser, Ernst
Entstehungsdatum
um 1924
Entstehungsdatum (normiert)
1919 - 1929
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 161.1924, Nr. 4135, S. 554
 
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