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£>ic Einladung A

Ein Viertel vor acht.

Die Hausfrau sicht fick noch mal mitGeneralinspektorsblickcn
im Salon um, indes ihrvom Mädchen die Taille zugehackt wird
- diese entsetzliche Taille, deren unterster Drücker immer mit
der Sicherheit eines Präzisionswerkes von fünf zu fünf Minuten
aufspringt. Man sollte so eine Schneiderin massakrieren, ein-
kerkern . . . Der Mann sitzt verschüchtert und stumm in einem
Diclcneck, wo er nach langem Huß und Horido, gehetzt wie ein
Mild, tolmüdc, mit brechendem Blick, endlich auf einem Stuhl
Ruhe findet, und wehe, wenn er versucht, diesen Platz zu ver-
lassen! Ergeht — wicjcder Mann — bei wichtigen Vorgängen im

Haus immer im Weg um. Er möchte sich gern eine Zigarre an-
stcckcn, aber der Versuch wird im &eim erstickt durch einen jähen
Aufschrei der Gemahlin: Aber Artur, du wirst doch nicht die
Wohnung anräuchern, eh' dicGäsle.. SeinHcmdkragcn scheuert,
sein Smoking klemmt an der Achsel, der Stuhl, aus dem er jitzt,
ist hart, unbequem, gebrechlich und deshalb mit einer tärkfich
tuenden Decke maskiert. Die Decke darf nicht rutschen . . Aach!

Seine Wohnung ist eine Bühne,ein Barrenhaus,ein Massen-
quarticr, ein Hilfslazarett - weih der Himmel, was sie mit ihr
angcstcllt haben. Als er vom Büro heimkommt, findet er keine
Schränke, Kommoden, Tische mehr vor, der Boden ijt mit Ma-
tratzen bepflastert, über die Matratzen breiten sich Schals, Decken,
Teppiche, die Sofas sind verrückt, alles hat einen anderen Platz,
die Beleuchtung ist mit bunten Lampions umkleidet. Ihn leicht
schubst man von Zimmer zu Zimmer, am liebsten hätten ihn die
Weiber in die Besenkammer gesperrt, aber da steht schon die
Bowle und selbst im ... na, schweigen wir lieber.

Seine Frau rechtfertigt das alles mit dem Motto der Aus-
stattung ! Türkische Ttadit. Man Kat das jetzt so. - Es ist origi-
nell, nicht mehr auf Stühlen, sondern am Boden zu fitzen. Es
macht Stimmung. — Sogar bei Gebeimrats sahen sie neulich
nicht auf Stühlen! —

Stimmung! — Herrgott! Wie inbrünstig haht er diejesWorl.
Seit zwei Wochen liegt ibm seine Frau damit in den Ohren...

Hoffentlich kommt alle» in Stimmung ... Stühle verderben
schon die Stimmung, Liebster! — Bur keine Stühle! Höchstens
für die älteren Damen. Die find ohnehin nickt so für Stim-

usschniktevon Julius Breis

mung. — 2n der Küche scheppert und klirrt und rasselt alles.

Die Köchin Therese ist geladen. — Sie mag „ solchene Pflanz"
nicht. Dafür ist sie nicht da. —

Man muh sie behandeln wie Meißner Porzellan. — Dafür
kann man ja den Mann wie Gußeisen nehmen. Er ist Blitz-
ableiter. Mit ihm darf man es heute verderben, sonst mit keinem.

— Natürlich — du stehst herum, du sitzt herum, du läufst herum,

statt ein bißchen, nur ein bißchen Hand anzulegen... So laß
doch bitte die Gläser — ich habe sie doch hieher-nein, nein

— rühr um Gottes willen nicht an der Decke, da ist der Ölfleck

drunter... Artur, ich bitte dich, so laß doch alles, laß dock
alles, wie es ist-

Lind der Gatte wird aufs neue von Zimmer zu Zimmer ge-
scheucht, bis ihn ein markerschütternder Schrei wieder auf Veit
Schauplatz ruft: Der Hahn zum Bierfaß fehlt! —

Die Hausfrau überströmt in Tränen — der Damm bricht —
der unterste Druckknopf an der Taille öffnet sich — — in der
Küche klirrt ein Tablett mit Gläsern zu Boden. Draußen klin-
gclt's. — Die ersten Gäste. —

Die Gäste beschnuppern sich.

Herzlichste Begrüßung durch die in Liebreiz, Lächeln und Her-
zensfreude erstrahlende Hausfrau, durch den in jovialster Laune
glänzenden Hausherrn.

Hackcngeklapp, Ruck, Blömblömblöm. Vorstellung. Manche
machen sich selbst miteinander bekannt. Gestatten: Remtcretem..
Remteretcm . . sehr angenehm. Man sieht zwischen Ottomanen,
Stühlen und anderen Sitzgelegenheiten mit vorsichtig gestellten
Füßen und cingezogenem Bauch, um nichts zu beschädigen.

Schnelle Blicke von unten herauf auf das Gegenüber. -
Registrierungen: patentfatzkc. - Dussel. - Hm, nickt übel! -
Spießbürger. — Klasse 11. — Genähte Krawatte. — Geck. —
Röllcken. — Blödsinnige Visage. — Ohrfeigcngestcht. — Ange-
nehmes Organ. — Smoking von vorgestern. - Armbändchen,
pfui Teufel! — Offizier? — Rechtsanwalt? — Koofmich? —

Herrlich hier, nicht wahr? Sehr originell! - Diese Lampions!
Wirklick reizend! - Das versteht die Frau Regierungsrat! -
Ganz reizend! - Ja, diese Umsteiger«-, am Marimiliansplatz!
Schrußlick. Und ewig kein Anschluß. - ... Immer etwas er-
kältet, bei die sein Aprilwettcr mitten im Sommer .. .

Diskretes Fingern an Weste, Kragen und Binde, ob alles
gut sitzt. (Fortfrtzmig folgt)

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Einladung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Neu, Paul
Entstehungsdatum
um 1924
Entstehungsdatum (normiert)
1919 - 1929
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 161.1924, Nr. 4136, S. 587
 
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