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nicht so. Es zeigte sich sofort, daß zum mindesten ein tücktiger Freuden-
reich notwendig ist, um so eine Bestie auch nur vom Platze zu bringen.
Gott sei Dank erklärte sich unser Schnauzbart (obwohl er ein Preuße
ist) gegen ein paar Maß Bier gerne bereit, das treue Tier zu gelei-
ten. Aber schon ergab sich eine neue Schwierigkeit: Wohin? Ich
besitze zwar einen Vogelkäfig, eine Hundehütte und (zur Erinnerung
an die Kricgszeit) einen Hühncrstall, aber ein Giraffenhaus besitze
ich nicht. Wir berieten lange hin und her — aber vergebens. Onkel-
chcn sagte, er nähme das Biccherl wirklich sehr gerne zu sich, denn
seit seine Alte gestorben ist — Gott Hab' f selig! — suhle er sich recht
alleine,- aber er wohnt leider im dritten Stock. Das war nichts für
Franziska. Endlich kam mir das Waschhaus meiner obengenannten
Billa in den Sinn. Wir zogen also — garniert von Kindern und
albernem Volke — von Hellabrunn nach Bogcnhauscn. Freudenreich
lenkte von dem abschüssigen Rücken aus Franziska, wahrend Aman-
dus an ihrcin Halse Klettcrübungen machte und ihre Hörnchen mit
dem bunten Schnupftuchc beflaggte, das er Freudenreich entwendet
hatte. Ich fuhr mit Onkelchen und Lothar im Einspänner hinterher.

Bor der Billa hatte Freudenreich eine Panne. Unfrei- und wider-
willig durchschritt Franziska doch endlich das Gartentor. Wie in einer
Vorahnung schreckte sic aber vor dem Waschbause derart plötzlich
zurück, daß Freudenreich über den steilen Rücken zu Boden rodelte.
.Wat?' schrie er zornig aus dem Grase empor: .In dct Flohhäus-
chcn wollen Se Franziska sperren ? Sic sind woll 'n bißchen Manoli?'
In der Tat mußten wir alle drei zugcben, daß das Bauwerkcbcn viel
zu niedrig war. RatloS standen wir da und sannen. Franziska setzte
sich gleichmütig neben uns, klapperte ein wenig mit den Augendeckeln,
schob den Unterkiefer hin und her und schien uns unheilbar zu ver-
achten. .Da steht der OckS vorm Berg!' klagte mein Onkel und
stocherte mit seinem Stocke unwillig in einem Haufen Wäsckeklam-
mcrn. AmanduS kratzte sich unermüdlich hinter den Ohren - und
als ich plötzlich erkannte, daß er damit meine eigene werte Person
nachahmkc, bohrte ich verzweifelnd die Hände in die Hosentaschen.
Lothar aber zeigte sicb von seiner ruchlosesten Seile: er machte eine
Momentaufnahme von unserer Gruppe.

Endlich hob Freudenreich seinen Scknauzbart aus dem hohen
Grase. .71«, macht nischt!' sagte er und tätschelte trösiend seine Rack-
barin. .Wir werden d schon drickscln, nur Ruhe! Wenn Fott am
nächsten ist, ist seine Hilfe am jrößtcn.' Fran^ltkkas Blicke senkten
sich aus Wolkennähc dankbar auf das graue Haupt. Mein Onkel
aber sah wie ein Inquisitor auf den Wackeren binunkrr. »Wia zum
Beispiel?' grollte seine Stimme -

Freudenreich erhob sich aus dem Grase. .71«, Männckcn, lassen
Sic mir man machen, wir schaukeln die Sacke sckon. Hauptjacke

ist, das det Kind Luft
hat. * Sein Vorschlag
ging dahin, in das
Bleckdack der Wasch-
küche rin Loch zu schnei
den, durch das Fran-
ziska ihr Köpfchen
stecken könne. Sofort
kletterten wir einhellig
auf das Dach (Fran-
ziska allein blieb unten
und begann dir Obst-
baumwipfel so von
oben herab abzuern-
trn). Mtt Beil, Kü-
chrnmessrrn, Konser-
venöffnern und ähnli-
chen hernach unbrauch-
baren Gegenständen

schnitten wir das vorgeschlagene Loch. Kam es nun von dem heiligen
Eifer, mit dem er sich dieser Tätigkeit mitunterzog, oder noch vom ge-
nossenen Geburtstagsrüdesheimcr — gleichviel... bei der besorgten
Probe, ob dasLoch für Franziskas Hälschen wirklich bequem genug sei,
fiel Onkel Ferobcam hinab in den Waschkeffcl und wurde knapp vor
Eintritt des Erstickungstodes aus fcuchtwarmen, klebrigen Wickeln
von Hemden, Unterhosen und Bettüchern gerettet. Als ich mich dann
liebevoll daranmachle, sein gerötetes Antlitz aus dichtem Seifen-
schaum hcrauszuwlschcn, unterbrach er diese meine Tätigkeit mit so
lebhaften Flüchen und so verflixt watschrnähnlichcn Handgriffen, daß
ich wohl merkte: Rubensbilder freizulegen ist leichter, als zeitgenössische
Onkel zu restaurieren. Sie können sich ja nicht wehren. Mein Onkel
aber schimpfte weidlich über mich und meine saudummen Einfälle,
von denen man cs nun habe — Kruzinesen! — und ging schleimig-
feucht und grollend davon.

Roch beute ist er mir zu
Lothars Gunsten böse. Die-
ser Lothar aber nahm seinen
Amandus — welcher Onkel-
chens Sturzflug inzwischen
getreulich nachgeahmt hatte
und nun mit einer langen
Schleppe aus nasser Lein-
wand auf einem Birnbauin
hing — mit grobem Griffe an
Onkel liebedienernd nach.

Freudenreich und ich waren allein mit Franziska. .Macht nischt,'
sagte der wackere Schnauzbart, .so 'n oller Dussel ist dock nur immer
'ne Last! Aber wir zwec Männekens werden dct Biest nich in det
Klabüschen da bringen!' Der Mann war leider nie zu widerlegen.
Erst als wir uns mit drei slrickbewaffnetcn Dicnstmänncrn assoziiert
hatten, gelang es, daü widerstrebende Ungeheuer in das Waschhaus
zu verbringen,- sein Kopf sah aus dem Blechdach wie aus einer vier-
eckigen Halskrause hervor. Freudenreich sah gerührt zu seinem Lieb-
linge empor und sagte: .Ra, nu sorgen Sc aber auch jut sor dct
Tierchen! Sch'n Se sich mal den Himmel an, Herr, det jibt n
Gewitter. Ru spannen Sc man schleunigst'ncn Rcjenschirm über det
arme Fcschöpf!'

Also gut, wir hißten einen Regenschirm über dem Kopfe Franziskas.
Ich muß ge-
stehen, daS '

Ganze sah
ein wenig
lächerlich
aus, aber in
der gegebe-
nen Lage
war la wirk-
lich nichts
anderes zu
machen.

Freuden-
reich verab-
schiedete sich

rührend von seinem Schützling und ging dann mit den Dienstmännern
seinrü BiereS.

.Sooo!' sagte ich einschmeichelnd zu Franziska und klopfte ihr
ebenfalls einen der in der Waschküche befindlichen Körperteile.
.Schön, sckööön! Brav'ö Giraffrlc sein!' Ich war ziemlich erschöpft,
als ick wegging.

Es war Abend geworden, und der Donner rollte bereits.

(Schluß folgt)

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Sache mit Franziska"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1924
Entstehungsdatum (normiert)
1919 - 1929
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 161.1924, Nr. 4140, S. 655
 
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