Die Zenzl ziert sich und fiennt und sagt tausendmal Geltsgott und
muß dann schnell über die Straße laufen, denn der Raverl ist bei
einem Kocherl ganz in Versähe. — »An Augenblick nur, i bin sofort
wieder da!"
Die Männer müssen sich schneuzen vor lauter Rührung — so wie
die Zenzl vorhin bei ihrem G'sangel —und ihre Halsbinden ragen von
stolzgeschwellten Brüsten weit in den Tisch mit seiner Lichterzlerde.
In schönsten Farben malt ihnen der Huber das gute Werk aus, das
sie getan haben, und die Freude des armen Bübcrls,- und der Rie-
desel erzählt ihnen, wie seine Frieda als Kind so eine arge Freud' ge-
habt hat über die Ehristkindln,- und der Kugler sagt: »Sixtas, sirtas
— mich reut's net, daß i zwoa Markln g'stist' Hab', wann mer an arma
Kind so a Freud' machen kann. Da trink' i liaber a paar Maßeln we-
niger in der Wochen." — Und der alte Ramsauer haut in den Tisch
und ruft: »Sell sag' i aa!" — „Mei", was hat denn so a Bua?"
überlegt der Huber: »D' Mutter a Kellnerin, und sunst ncamand, der
wo für eahm sorgt. Habts as g'hört, wo's sein' heiligen
Abend verbringt, dös arm' Kindl? Bei an Kocherl in
der Küch'!" — Gerührt nicken die Männer. Der
Huber meint, er hätte eigentlich gern noch ein Mark!
zugelegt, damit es zehn Mark! gewesen wären —
aber no....
So herrscht Frieden am Stammtisch und eitel
Wohlgefallen - bis in die christliche Fröh- und
Seligkeit der fünse die Zenzl bineingeplaht
kommt und ftennt und reibt die Augen an der
Schürze. Da gebt ein Fragen an, ob mit dem
Buben was los sei, ob er keine Freud' gehabt
hätte, ob sie etwa gar das Geld verloren habe —
aber sie sagt bloß „Naa!" und ist geradezu
unheimlich beschäftigt. Deine schönste Nächsten-
liebe nützt dir fast gar nichts mehr, wenn dir
die anderen nicht dafür danken. Langsam um-
ringelt der Lindwurm Unbehagen den Stammtisch in der feuchten
Nischen. Endlich, wie sie ihm ein frisches Maßcrl bringt, erwischt der
Riedesel die Zenzl an ihrem Schurz. »Ja, Herrschasft Sarrn, jetzt
will i doch scho' wissen, was mit dem Raver! eigentlich is!" schreit
er zornig und haut mit der freien Faust auf die Tafel, daß die Zenzl
seinen Maßkrug fallen läßt. Und da erhebt sich der Lakschentritt von
seinem Sitze und sagt ganz feierlich : »Fräulein Zenzi —," sagt er, »mir
möchten doch um Aufklärung bitten, was mit unserm Geld geworden
is,- als Stifter können mir das verlangen!" - »Sehr richtig!" be-
kräftigt der Kugler. — »Ja mei'," sagt die Zenzi und ist nicht wenig
verlegen, „wann Sie's scho' wissen müassen: an Schnaps Hab' i eahm
halt kaaft." — »AnSchnapshast-?" — Die Zenzl nickt melancho-
lisch. »Und wiari hinkomm', is er und sei' Kocherl scho' sternhagelvoll
und wer'n g'rad' 'nausg'schmissen von ihrer Herrschaft. Und da is er
balt an mi' hing'rumpelt und da is d' Flaschen zerbrocba. I kann woaß
Gott nir derzua, meine Herrn!"
„Haaaa —!!" — „Ja, ctzt daaa-' — »Ja, wie alt
is denn dei Raverl, wann i fragen därf??" — „Der
Raverl? Der — no, so a Zwanzge, Zwoarazwanzge
werd er wohl sei',- i müasserk wahrhaft!' erst rechna."
— „Naa, dös brauchst net..." sagt der Kugler Franz
beinahe tonlos in die Stille. „Dös brauchst net..."
Aber dann wendet er sich an seinen Freund
Huber — und dann wenden sich alle an den
Huber und fragen ihn, wie er dazugekommen
sei, eine Sammlung zu veranstalten für einen
solchenen Hallodri — und der Huber Toni er-
laubt sich die Anfrage, ob die Herren vielleicht
gescheiter gewesen seien als er, dann hätten sie es
ja bloß zu sagen brauchen - und die Zenzi ver-
sichert, sie könne ganz und gar nir dafür - und
die Weihnachtslichteln werden ausgeblasen —
und der Friede und das Wohlgefallen sind dabin.
Kindleins Ir&um in der heiligen I\lacht
Die Kammer liest im Dunkeln.
Vorn Chrift bauin nebenan
die sold’nen Kuseln funkeln.
Es kniftert dann und wann.
Tlodi klinsen alte Lieder
aus dem und jenem Haus.
Schnee taumelt lansfam nieder.
Die Lampen löfchen aus.
Das Kindlein fchläft Ins Zimmer
blinkt nun ein heller Stern ~
kommt hoch vom Baum der Schimmer■,
kommt er vom Himmel fern ?. ..
Nun hört das Kindlein Klinsen\f
ein Schlitten fchellt und hält —
und alle Türen fprinsen•,
ein Hündlein freundlieh bellt. . .
Tlun kommt was auf den Spitzen,
Sar leife kommt s heran,
ein Lichtlein blinkt durch Ritten
und eine Krone dann -
TI ein/ drei der Kronen solden
auffchimmern in der Tiir/
drei Köm'se in Holden
verneisen fich vor dir . ..
Und find durchs Zimmer mitten
in aller ihrer Pracht
Sar würdevoll sefchritten
zur heilisen Weihenacht.
Und fieh/ hoch oben funkelt
von Bethlehem der Sternl
und unten fteh’n verdunkelt
die drei sewaltisen Herrn,
verdunkelt von dem Scheinen
das aus der Krippe bricht -
O fieh Maria weinen
mic lächelndem Geficht. . .
Und fieh/ wie fonft und immer
find Ochs und Eslein nah . . .
Und leis verblaßt der Schimmer -
und ift fchon nicht mehr da ...
Leis fchleichen auf den Spitzen
die Könise fich fort/
damit fie nicht fo blitzen/
fteckt unterm Rock der Hort...
Die Haustür fchließt lieh leife...
Als ob nodi einer rief
dem Sdilitten nach: Gut' Reife!. ..
Das Kindlein rdilummert tief.
Hans Benzmann
CVOrnn Ihnen beim zwölften Schlag der Neujahrsstundr einfällt, daß Sie vergessen haben, das Abonnement der
»Fliegenden Blätter" zu erneuern, wird Ihnen die Geisterstunde schrecklich sein. Die »Fliegenden Blätter"
vertreiben alle bösen, rufen alle guten Geister — auch im neuen Jahr. Erneuern Sie also Ihre Bestellung sofort.
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muß dann schnell über die Straße laufen, denn der Raverl ist bei
einem Kocherl ganz in Versähe. — »An Augenblick nur, i bin sofort
wieder da!"
Die Männer müssen sich schneuzen vor lauter Rührung — so wie
die Zenzl vorhin bei ihrem G'sangel —und ihre Halsbinden ragen von
stolzgeschwellten Brüsten weit in den Tisch mit seiner Lichterzlerde.
In schönsten Farben malt ihnen der Huber das gute Werk aus, das
sie getan haben, und die Freude des armen Bübcrls,- und der Rie-
desel erzählt ihnen, wie seine Frieda als Kind so eine arge Freud' ge-
habt hat über die Ehristkindln,- und der Kugler sagt: »Sixtas, sirtas
— mich reut's net, daß i zwoa Markln g'stist' Hab', wann mer an arma
Kind so a Freud' machen kann. Da trink' i liaber a paar Maßeln we-
niger in der Wochen." — Und der alte Ramsauer haut in den Tisch
und ruft: »Sell sag' i aa!" — „Mei", was hat denn so a Bua?"
überlegt der Huber: »D' Mutter a Kellnerin, und sunst ncamand, der
wo für eahm sorgt. Habts as g'hört, wo's sein' heiligen
Abend verbringt, dös arm' Kindl? Bei an Kocherl in
der Küch'!" — Gerührt nicken die Männer. Der
Huber meint, er hätte eigentlich gern noch ein Mark!
zugelegt, damit es zehn Mark! gewesen wären —
aber no....
So herrscht Frieden am Stammtisch und eitel
Wohlgefallen - bis in die christliche Fröh- und
Seligkeit der fünse die Zenzl bineingeplaht
kommt und ftennt und reibt die Augen an der
Schürze. Da gebt ein Fragen an, ob mit dem
Buben was los sei, ob er keine Freud' gehabt
hätte, ob sie etwa gar das Geld verloren habe —
aber sie sagt bloß „Naa!" und ist geradezu
unheimlich beschäftigt. Deine schönste Nächsten-
liebe nützt dir fast gar nichts mehr, wenn dir
die anderen nicht dafür danken. Langsam um-
ringelt der Lindwurm Unbehagen den Stammtisch in der feuchten
Nischen. Endlich, wie sie ihm ein frisches Maßcrl bringt, erwischt der
Riedesel die Zenzl an ihrem Schurz. »Ja, Herrschasft Sarrn, jetzt
will i doch scho' wissen, was mit dem Raver! eigentlich is!" schreit
er zornig und haut mit der freien Faust auf die Tafel, daß die Zenzl
seinen Maßkrug fallen läßt. Und da erhebt sich der Lakschentritt von
seinem Sitze und sagt ganz feierlich : »Fräulein Zenzi —," sagt er, »mir
möchten doch um Aufklärung bitten, was mit unserm Geld geworden
is,- als Stifter können mir das verlangen!" - »Sehr richtig!" be-
kräftigt der Kugler. — »Ja mei'," sagt die Zenzi und ist nicht wenig
verlegen, „wann Sie's scho' wissen müassen: an Schnaps Hab' i eahm
halt kaaft." — »AnSchnapshast-?" — Die Zenzl nickt melancho-
lisch. »Und wiari hinkomm', is er und sei' Kocherl scho' sternhagelvoll
und wer'n g'rad' 'nausg'schmissen von ihrer Herrschaft. Und da is er
balt an mi' hing'rumpelt und da is d' Flaschen zerbrocba. I kann woaß
Gott nir derzua, meine Herrn!"
„Haaaa —!!" — „Ja, ctzt daaa-' — »Ja, wie alt
is denn dei Raverl, wann i fragen därf??" — „Der
Raverl? Der — no, so a Zwanzge, Zwoarazwanzge
werd er wohl sei',- i müasserk wahrhaft!' erst rechna."
— „Naa, dös brauchst net..." sagt der Kugler Franz
beinahe tonlos in die Stille. „Dös brauchst net..."
Aber dann wendet er sich an seinen Freund
Huber — und dann wenden sich alle an den
Huber und fragen ihn, wie er dazugekommen
sei, eine Sammlung zu veranstalten für einen
solchenen Hallodri — und der Huber Toni er-
laubt sich die Anfrage, ob die Herren vielleicht
gescheiter gewesen seien als er, dann hätten sie es
ja bloß zu sagen brauchen - und die Zenzi ver-
sichert, sie könne ganz und gar nir dafür - und
die Weihnachtslichteln werden ausgeblasen —
und der Friede und das Wohlgefallen sind dabin.
Kindleins Ir&um in der heiligen I\lacht
Die Kammer liest im Dunkeln.
Vorn Chrift bauin nebenan
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Es kniftert dann und wann.
Tlodi klinsen alte Lieder
aus dem und jenem Haus.
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kommt er vom Himmel fern ?. ..
Nun hört das Kindlein Klinsen\f
ein Schlitten fchellt und hält —
und alle Türen fprinsen•,
ein Hündlein freundlieh bellt. . .
Tlun kommt was auf den Spitzen,
Sar leife kommt s heran,
ein Lichtlein blinkt durch Ritten
und eine Krone dann -
TI ein/ drei der Kronen solden
auffchimmern in der Tiir/
drei Köm'se in Holden
verneisen fich vor dir . ..
Und find durchs Zimmer mitten
in aller ihrer Pracht
Sar würdevoll sefchritten
zur heilisen Weihenacht.
Und fieh/ hoch oben funkelt
von Bethlehem der Sternl
und unten fteh’n verdunkelt
die drei sewaltisen Herrn,
verdunkelt von dem Scheinen
das aus der Krippe bricht -
O fieh Maria weinen
mic lächelndem Geficht. . .
Und fieh/ wie fonft und immer
find Ochs und Eslein nah . . .
Und leis verblaßt der Schimmer -
und ift fchon nicht mehr da ...
Leis fchleichen auf den Spitzen
die Könise fich fort/
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Die Haustür fchließt lieh leife...
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Das Kindlein rdilummert tief.
Hans Benzmann
CVOrnn Ihnen beim zwölften Schlag der Neujahrsstundr einfällt, daß Sie vergessen haben, das Abonnement der
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Stammtisch sammelt für Xaverl"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1924
Entstehungsdatum (normiert)
1919 - 1929
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 161.1924, Nr. 4143, S. 689
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg