Dasistwasandres
Man sitzt zu drei Ge-
nerationen um den Sil-
vestertisch : die Großeltern,
die Eltern, das jungver-
lobte paar und der ganze
Anhang. Bleigießen. Und
die immer beim Blei-
gießen vorhandenen zwei
feindlichen Lager: die
Gläubigen und die Un-
gläubigen. Better Theo-
dor ist solch ein ungläu-
biger Thomas. Jede ver-
meintliche Figur wird von
ihm als glatter Nonsens
erklärt.
Bis die junge Ver-
lobte entzückt aufkreischt:
„ Ein Haus! Ein Haus!
Fritzchen, das bedeutet
eine Wohnung!" — Da
sagt Vetter Theodor
trocken: „Donnerwetter,
ja! Das hatte ich nicht
gewußt, daß diese Prophe-
zeiungen für die Kindes-
kinder gelten!" 7.
Bielsagend
Lin Sonnenlächeln fpielt verträumt
und hold
auf der Tapete dunkeltiefem Gold.
Und was der Tag an Böfem uns sie-
fcbert,
was finfter uns den hellen Blick ver-
Die Bilder leuchten matt, der Ofen
kniftert fein,
der Abend naht. Wir beide find
allein.
Nicht Worte braucht 's. es tönt der-
Fritzchen hat das seltene
Glück, am Neujahrstage
Geburtstag zu haben. Ob-
wohl man seine Selb-
ständigkeit und Wunsch-
begierde sonst stark be-
schneidet — an diesem
Tage wird eine Aus-
nahme gemacht. „Fritz-
chen," sagt also der Vater,
„du darfst dir für Don-
nerstag wünschen, was
Mama kochen soll!" —
„Ach, dann wünsch' ich mir," sagt Fritzchen, „daß Mama an diesem
Tage nicht kocht!" n.
felbe Schlag
in deinem Herzen und in meinem
nach.
Ludwig Bäte
wehrt,
das fchlummert facht in diefer Stunde
ein.
Das Dunkel wach ft, der Ofen kniftert
fein.
Nur noch ein Glimmen, das den Raum
erhellt,
und du und ich. Was willft du, Welt!
Der folgsame pat
Die Weissagung
2n der ganzen Familie
schreibt man dem Onkel
Häberlein die Gabe des
„zweiten Gesichts" zu.
Besonders in der Sil-
vesternacht, wenn die
Turmuhr zu den myste-
riösen zwölf Schlägen
ausholt, soll sie besonders
stark entwickelt sein/ er
weissagt dann, wie man
sich in allen Zweigen der
Familie zuraunt, in förm-
licher Trance die un-
glaublichsten Dinge für
das bevorstehende Jahr.
Diese Sensation wol-
len sich auch Käsmachers
verschaffen.
Onkel Häberlein wird
eingeladen.
Er scheint aber in merk-
würdig irritierter Stim-
mung zu sein. Kurz vor
zwölf öffnet er dieBalkon-
türund tritt hinaus.Lang-
sam und ehrfürchtig ver-
sammelt sich die Familie
Käsmachcr um ihn. Die
Turmuhr holt aus —
Onkel Häberlein starrt in
die Ferne und wisckt sich
den Schweiß von der
Stirn.
„Ich sehe voraus,"
murmelt er, „daß euer
Dreckzcug von Grog,
dieser Kübel voll heißen
Wassers, mir das zweite
Gesicht auf Jahre hinaus
verdorben hat." 7.
lent
Neuer Ausdruck
2n der Woche nach Weihnachten treffen sich das vorige und das
jetzige Mädchen von Müllers. „Und denk dir," sagt die jetzige, „da
kam ganz zuletzt, nach der Bescherung, der reiche Onkel von Müllers
aus der Zentnerstraßc, und denk dir: ich werde beauftragt, dem
Onkel zu sagen, Müllers seien schon zu Bett." — „Fa, weißt du,"
sagt die andre geheimnisvoll „das war der Onkel Wilhelm — der
hat sich vorige Weihnachten die ganze Familie zu Feinden ge-
schenkt!" m
Herr Wiesenanger will sich in der Silvesternacht einen ganz kleinen
Grog brauen. Er sieht immer wieder verstohlen nach der Numflasche,
und schließlich geht er an seiner Gemahlin vorbei und hebt die Hände
nach der Flasche-
„Nein, nein, Mann!" ruft die Frau, „du bekommst keinen Alkohol,-
der Arzt hat gesagt, nur bei Schwächezuständcn darfst du welchen
trinken!"
.71« ja," sagt der Mann, „ich habe ein paarmal die Flasche an-
gesehen, und da ist mir wirklich — gan, — schwach — geworden!" ° r.
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Man sitzt zu drei Ge-
nerationen um den Sil-
vestertisch : die Großeltern,
die Eltern, das jungver-
lobte paar und der ganze
Anhang. Bleigießen. Und
die immer beim Blei-
gießen vorhandenen zwei
feindlichen Lager: die
Gläubigen und die Un-
gläubigen. Better Theo-
dor ist solch ein ungläu-
biger Thomas. Jede ver-
meintliche Figur wird von
ihm als glatter Nonsens
erklärt.
Bis die junge Ver-
lobte entzückt aufkreischt:
„ Ein Haus! Ein Haus!
Fritzchen, das bedeutet
eine Wohnung!" — Da
sagt Vetter Theodor
trocken: „Donnerwetter,
ja! Das hatte ich nicht
gewußt, daß diese Prophe-
zeiungen für die Kindes-
kinder gelten!" 7.
Bielsagend
Lin Sonnenlächeln fpielt verträumt
und hold
auf der Tapete dunkeltiefem Gold.
Und was der Tag an Böfem uns sie-
fcbert,
was finfter uns den hellen Blick ver-
Die Bilder leuchten matt, der Ofen
kniftert fein,
der Abend naht. Wir beide find
allein.
Nicht Worte braucht 's. es tönt der-
Fritzchen hat das seltene
Glück, am Neujahrstage
Geburtstag zu haben. Ob-
wohl man seine Selb-
ständigkeit und Wunsch-
begierde sonst stark be-
schneidet — an diesem
Tage wird eine Aus-
nahme gemacht. „Fritz-
chen," sagt also der Vater,
„du darfst dir für Don-
nerstag wünschen, was
Mama kochen soll!" —
„Ach, dann wünsch' ich mir," sagt Fritzchen, „daß Mama an diesem
Tage nicht kocht!" n.
felbe Schlag
in deinem Herzen und in meinem
nach.
Ludwig Bäte
wehrt,
das fchlummert facht in diefer Stunde
ein.
Das Dunkel wach ft, der Ofen kniftert
fein.
Nur noch ein Glimmen, das den Raum
erhellt,
und du und ich. Was willft du, Welt!
Der folgsame pat
Die Weissagung
2n der ganzen Familie
schreibt man dem Onkel
Häberlein die Gabe des
„zweiten Gesichts" zu.
Besonders in der Sil-
vesternacht, wenn die
Turmuhr zu den myste-
riösen zwölf Schlägen
ausholt, soll sie besonders
stark entwickelt sein/ er
weissagt dann, wie man
sich in allen Zweigen der
Familie zuraunt, in förm-
licher Trance die un-
glaublichsten Dinge für
das bevorstehende Jahr.
Diese Sensation wol-
len sich auch Käsmachers
verschaffen.
Onkel Häberlein wird
eingeladen.
Er scheint aber in merk-
würdig irritierter Stim-
mung zu sein. Kurz vor
zwölf öffnet er dieBalkon-
türund tritt hinaus.Lang-
sam und ehrfürchtig ver-
sammelt sich die Familie
Käsmachcr um ihn. Die
Turmuhr holt aus —
Onkel Häberlein starrt in
die Ferne und wisckt sich
den Schweiß von der
Stirn.
„Ich sehe voraus,"
murmelt er, „daß euer
Dreckzcug von Grog,
dieser Kübel voll heißen
Wassers, mir das zweite
Gesicht auf Jahre hinaus
verdorben hat." 7.
lent
Neuer Ausdruck
2n der Woche nach Weihnachten treffen sich das vorige und das
jetzige Mädchen von Müllers. „Und denk dir," sagt die jetzige, „da
kam ganz zuletzt, nach der Bescherung, der reiche Onkel von Müllers
aus der Zentnerstraßc, und denk dir: ich werde beauftragt, dem
Onkel zu sagen, Müllers seien schon zu Bett." — „Fa, weißt du,"
sagt die andre geheimnisvoll „das war der Onkel Wilhelm — der
hat sich vorige Weihnachten die ganze Familie zu Feinden ge-
schenkt!" m
Herr Wiesenanger will sich in der Silvesternacht einen ganz kleinen
Grog brauen. Er sieht immer wieder verstohlen nach der Numflasche,
und schließlich geht er an seiner Gemahlin vorbei und hebt die Hände
nach der Flasche-
„Nein, nein, Mann!" ruft die Frau, „du bekommst keinen Alkohol,-
der Arzt hat gesagt, nur bei Schwächezuständcn darfst du welchen
trinken!"
.71« ja," sagt der Mann, „ich habe ein paarmal die Flasche an-
gesehen, und da ist mir wirklich — gan, — schwach — geworden!" ° r.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Winterabend"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1924
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)