Anekdote
Ein Bayer und ein Franzose gehen auf die Entenjagd. Nachdem sie längere Zeit am Anstand vor einem kleinen See gestanden sind,
kommt endlich eine Ente angeflogen. Der Franzose, höflich wie er ist, läßt dem Bayern den Bortritt zum Schießen und sagt mit einer eleganten
Handbewegung: „A vous !" Der Bayer ist etwas langsam, legt an, kommt aber nicht zum Schuß, die Ente verschwindet am Horizont. Als
wieder einige Zeit verstrichen ist, kommen zwei Enten angeflogen. Der Bayer will sich erkenntlich zeigen und sagt zum Franzosen ebenfalls mit
einer eleganten Handbewegung: „Zwoa wuh!'
Wenn die Liebe erwacht...
Von Richard Rieß
Vers zu lesen ist wie:
Gerne würde ich für dich sogar zum Lumpel,
publius Ovidius Naso, der alte Römer, hat außer vielen Ver-
stößen gegen die Grammatik des klassischen Lateins viele Verstöße
gegen die Moral auf seinem Gewissen. Und es ist ganz recht geschehen,
daß ihn Mutter Roma nach Klein-Asien verbannt hat.
Aber der Geist Ovidii wirkt auch heute noch fort und so manches
Exemplar seiner «Metamorphosen" wird von Pennälerhänden mit ganz
unziemlichen Randzeichnungen versehen. Da stehen Herzen, in denen
holde Namen mit kühnem Pfeile amoris durchbohrt sind, und feurige
Liebesgedichte deuten darauf hin, daß hier nur aus Zufall jemand um
einen «Tadel wegen Allotria-Treibens" herumgekommen ist.
„Also Eva Gumpel ist's, du alter Scheinheiliger", sagte eines
Morgens in der Zehn-Uhr-Pause Joachim Steinklopfer zu seinem
Freunde Kurt Tulpe.
„Was . ..?" Kurtchens schwärmerisches Antlitz erstarrte mitsamt
der Stuppsnase, und etliche seiner Haare sträubten sich, wie immer,
wenn ihn irgendeine Erregung befiel.
^ «He, Schurke", erwiderte Jochen. „Man verpumpt seinen Ovid-
Text nicht, wenn hinter der Geschichte von „philemon und Baucis" ein
Denn ich lieb' dich ewig E. . G.
Ich habe dieses poetische Rätsel gelöst. Aus Lumpel reimt sich nicht
Professor Or. phil. Speck, sondern Gumpel. Eva Gumpel, die Venus
der Klugeschen Töchterschule. Quod erat demonstrandum, übrigens:
„Seid Ihr schon verlobt?"
Zwei Jahre vor dem Abiturium werden derartige Fragen, die man
zwei Jahre nachher energisch ablehnen würde, höchst ernst genommen.
Kurt erwiderte: „Was willst du denn, ich kenne sie ja noch gar nicht
persönlich. Wir gehen nur immer zusammen nach Hause. Das heißt
natürlich nicht zusammen, sondern ich hinter ihr. Den ganzen
Stadtgraben entlang."
Jochen Steinklopfer, das muß nun erzählt werden, war als einziger
Sohn höchst gesellig lebender Eltern gesellschaftlich über seine Jahre
hinaus versiert. Und da er vorige Ostern das Ziel der Klasse nicht er-
reicht hatte, so war er auch an Jahren seinem Mitschüler überlegen.
Da dieser nun ohnedies das „schüchterne Kurtchen" birß, so ergibt sich
(Fortsetzung Sette 713)
14
Ein Bayer und ein Franzose gehen auf die Entenjagd. Nachdem sie längere Zeit am Anstand vor einem kleinen See gestanden sind,
kommt endlich eine Ente angeflogen. Der Franzose, höflich wie er ist, läßt dem Bayern den Bortritt zum Schießen und sagt mit einer eleganten
Handbewegung: „A vous !" Der Bayer ist etwas langsam, legt an, kommt aber nicht zum Schuß, die Ente verschwindet am Horizont. Als
wieder einige Zeit verstrichen ist, kommen zwei Enten angeflogen. Der Bayer will sich erkenntlich zeigen und sagt zum Franzosen ebenfalls mit
einer eleganten Handbewegung: „Zwoa wuh!'
Wenn die Liebe erwacht...
Von Richard Rieß
Vers zu lesen ist wie:
Gerne würde ich für dich sogar zum Lumpel,
publius Ovidius Naso, der alte Römer, hat außer vielen Ver-
stößen gegen die Grammatik des klassischen Lateins viele Verstöße
gegen die Moral auf seinem Gewissen. Und es ist ganz recht geschehen,
daß ihn Mutter Roma nach Klein-Asien verbannt hat.
Aber der Geist Ovidii wirkt auch heute noch fort und so manches
Exemplar seiner «Metamorphosen" wird von Pennälerhänden mit ganz
unziemlichen Randzeichnungen versehen. Da stehen Herzen, in denen
holde Namen mit kühnem Pfeile amoris durchbohrt sind, und feurige
Liebesgedichte deuten darauf hin, daß hier nur aus Zufall jemand um
einen «Tadel wegen Allotria-Treibens" herumgekommen ist.
„Also Eva Gumpel ist's, du alter Scheinheiliger", sagte eines
Morgens in der Zehn-Uhr-Pause Joachim Steinklopfer zu seinem
Freunde Kurt Tulpe.
„Was . ..?" Kurtchens schwärmerisches Antlitz erstarrte mitsamt
der Stuppsnase, und etliche seiner Haare sträubten sich, wie immer,
wenn ihn irgendeine Erregung befiel.
^ «He, Schurke", erwiderte Jochen. „Man verpumpt seinen Ovid-
Text nicht, wenn hinter der Geschichte von „philemon und Baucis" ein
Denn ich lieb' dich ewig E. . G.
Ich habe dieses poetische Rätsel gelöst. Aus Lumpel reimt sich nicht
Professor Or. phil. Speck, sondern Gumpel. Eva Gumpel, die Venus
der Klugeschen Töchterschule. Quod erat demonstrandum, übrigens:
„Seid Ihr schon verlobt?"
Zwei Jahre vor dem Abiturium werden derartige Fragen, die man
zwei Jahre nachher energisch ablehnen würde, höchst ernst genommen.
Kurt erwiderte: „Was willst du denn, ich kenne sie ja noch gar nicht
persönlich. Wir gehen nur immer zusammen nach Hause. Das heißt
natürlich nicht zusammen, sondern ich hinter ihr. Den ganzen
Stadtgraben entlang."
Jochen Steinklopfer, das muß nun erzählt werden, war als einziger
Sohn höchst gesellig lebender Eltern gesellschaftlich über seine Jahre
hinaus versiert. Und da er vorige Ostern das Ziel der Klasse nicht er-
reicht hatte, so war er auch an Jahren seinem Mitschüler überlegen.
Da dieser nun ohnedies das „schüchterne Kurtchen" birß, so ergibt sich
(Fortsetzung Sette 713)
14
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Anekdote"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1924
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)