MÄNNER / Von Julius Kreis
Ein angenehmer junger Mann
Er trägt an Hose, Geist und Seele Bügelfalten. Seine Innen-
ausstattung ist eine gefällige Einheitscinrichtung wie geliefert von einer
A.G. für tiptope Bildungs- und pcrsönlichkeitsausstattung komplett
mit Natur- und Kunstliebe an den Wänden. Bach außenhin repräjen-
tiert er sich sonnig, jugendlich-heiter, aber doch nie einen Augenblick
ein Stück guter Erziehung vergessend,- er ist rosig-blond wie eine Pfir-
sichblüte oder ein appetitliches Ferkelchen, spielt bei Ausflügen auf der
Okarina, in tanzlustiger Gesellschaft Klavier und eröffnet und leitet
allerliebste Gesellschafts- und Pfänderspiele. Die Mütter schwärmen
für ihn. Er ist ja ein so angenehmer junger Mann! - Wissen Sie,
Frau Rat, er hat so was Anständiges, Gefälliges, Bettes — ich glaube
auch, daß er ein sehr gutes Gemüt hat-einen ausgezeichneten
Charakter — — und Anwartschaft auf Klasje 11... Komm, Lieschen,
mein Kind, dein Schultcrband ist etwas verrutscht.-Lieschen ist
begeistert, wie hübsch und gut Herr Schmid Onestcp tanzt. Lieschen ist
achtzehn. Heuer zum erstenmal „ausgeführt". — Achtzehnjährige und
Mütter schwärmen für Herrn Schmid. — Ach, er ist ja auch z u amüsant!
— Was für Kunststücke er nur mit Zündhölzern machen kann-und
wie er die Zigarette mit dem Mund aus der Lust heraus auffängt...!
Auch Tante Lina ist ganz begeistert. Man kann sich brillant mit ihm
unterhalten. Was er da vom Kammersänger Schnceberger erzählt...
Interessant! Und von der Sopranistin ... Und die Geschichte von dem
Hofschauspieler Cschlcr... Wo er nur alles her hat!-Was für
Leute er kennt!-Auch der Vater schätzt ihn. Er spielt ganz ordent-
lich Skat. Und seine Gesinnung: einfach patent! --Was er da
neulich über Bismarck sagte. Respekt, junger Mann! Wir brauchten
einen Bismarck, jawohl! Ausgezeichnet!! Sie geben, Herr Schmid!!
-Auf Ihr Spezielles!! — Auch Vetter Emil trinkt ihm zu. Emil
ist Amateur-Edelbolschewist. Es freut ihn, das; die Jugend noch Mut
zum Radikalsein hat, für die Romantik der Barrikade sich begeistert.
- Was da Herr Schmid über den Sowjetstaat zu Emil bemerkt hat
-der Zunge ist nicht von gestern!!-Dankbar, gerührt, erobert
lächelt die Mama. Kaum, daß sie die leise Befürchtung „Zieht es hier
nicht" äußert - schon ist Herr Schmid mit dem Schal da.-Und
wie reizend haben sie sich über Nikolaus Lenau unterhalten und über
die Dichtung überhaupt und so. Sie will ihm ihr poesiebuch — Hoch-
zeitsgeschcnk von Cousine Berta — „In zarte Frauenhand" zum Lesen
borgen.-Es wird Ihnen hervorragend gefallen, Herr Schmid!
-Auch Emmi, die Extravagante in der Familie - die mit dem
Bubikopf, schätzt Herrn Schmid. Sie hat ihm einige ihrer„Exprcssionen"
gegeben und dann die „Bekenntnisse". — Nichts für enge Menschen! —
Herr Schmid hat voll und ganz nachempfunden.
Röschen, die Töchterschülerin, ist selig. — Nein — wie ulkig er die Mar
gueritcn abzählen kann!-Sie könnte sich direkt in ihn verschießen...
Und dann die reizende Rede, die er beim Geburtstag gehalten hat.
- Entzückend!! So gewandt!! So fließend, wissen Sic... Es ging
ihm nur so von der Hand ... Sein Vorgesetzter, der Rcgierungsra t,
ist voll Wohlwollen. — Er schätzt bescheidene, zurückhaltende Menschen.
- Der Beamte Schmid hat einen Stein im Brett. - Er ist noch nie
unangenehm ausgefallen.
In zwanzig Zähren etwa wird Herr Schmid bei Einweisungen, Ent-
hüllungen, Eröffnungen unter den prominenten in der ersten Reihe
sitzen, im Generalanzeiger steht sein Name bei den Aufgezählten noch
als letzter vor dem „u. a. m." und er wird nun seinerseits sein Wohl-
wollen einem nachgewachsenen angenehmen jungen Mann zuwenden
Ein besserer Herr
Die Frau Registrator vermietet ihr besseres Zimmer. Aber nur an
einen besseren Herrn. Denn in dem Zimmer hängt ein Regulator und
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Ein angenehmer junger Mann
Er trägt an Hose, Geist und Seele Bügelfalten. Seine Innen-
ausstattung ist eine gefällige Einheitscinrichtung wie geliefert von einer
A.G. für tiptope Bildungs- und pcrsönlichkeitsausstattung komplett
mit Natur- und Kunstliebe an den Wänden. Bach außenhin repräjen-
tiert er sich sonnig, jugendlich-heiter, aber doch nie einen Augenblick
ein Stück guter Erziehung vergessend,- er ist rosig-blond wie eine Pfir-
sichblüte oder ein appetitliches Ferkelchen, spielt bei Ausflügen auf der
Okarina, in tanzlustiger Gesellschaft Klavier und eröffnet und leitet
allerliebste Gesellschafts- und Pfänderspiele. Die Mütter schwärmen
für ihn. Er ist ja ein so angenehmer junger Mann! - Wissen Sie,
Frau Rat, er hat so was Anständiges, Gefälliges, Bettes — ich glaube
auch, daß er ein sehr gutes Gemüt hat-einen ausgezeichneten
Charakter — — und Anwartschaft auf Klasje 11... Komm, Lieschen,
mein Kind, dein Schultcrband ist etwas verrutscht.-Lieschen ist
begeistert, wie hübsch und gut Herr Schmid Onestcp tanzt. Lieschen ist
achtzehn. Heuer zum erstenmal „ausgeführt". — Achtzehnjährige und
Mütter schwärmen für Herrn Schmid. — Ach, er ist ja auch z u amüsant!
— Was für Kunststücke er nur mit Zündhölzern machen kann-und
wie er die Zigarette mit dem Mund aus der Lust heraus auffängt...!
Auch Tante Lina ist ganz begeistert. Man kann sich brillant mit ihm
unterhalten. Was er da vom Kammersänger Schnceberger erzählt...
Interessant! Und von der Sopranistin ... Und die Geschichte von dem
Hofschauspieler Cschlcr... Wo er nur alles her hat!-Was für
Leute er kennt!-Auch der Vater schätzt ihn. Er spielt ganz ordent-
lich Skat. Und seine Gesinnung: einfach patent! --Was er da
neulich über Bismarck sagte. Respekt, junger Mann! Wir brauchten
einen Bismarck, jawohl! Ausgezeichnet!! Sie geben, Herr Schmid!!
-Auf Ihr Spezielles!! — Auch Vetter Emil trinkt ihm zu. Emil
ist Amateur-Edelbolschewist. Es freut ihn, das; die Jugend noch Mut
zum Radikalsein hat, für die Romantik der Barrikade sich begeistert.
- Was da Herr Schmid über den Sowjetstaat zu Emil bemerkt hat
-der Zunge ist nicht von gestern!!-Dankbar, gerührt, erobert
lächelt die Mama. Kaum, daß sie die leise Befürchtung „Zieht es hier
nicht" äußert - schon ist Herr Schmid mit dem Schal da.-Und
wie reizend haben sie sich über Nikolaus Lenau unterhalten und über
die Dichtung überhaupt und so. Sie will ihm ihr poesiebuch — Hoch-
zeitsgeschcnk von Cousine Berta — „In zarte Frauenhand" zum Lesen
borgen.-Es wird Ihnen hervorragend gefallen, Herr Schmid!
-Auch Emmi, die Extravagante in der Familie - die mit dem
Bubikopf, schätzt Herrn Schmid. Sie hat ihm einige ihrer„Exprcssionen"
gegeben und dann die „Bekenntnisse". — Nichts für enge Menschen! —
Herr Schmid hat voll und ganz nachempfunden.
Röschen, die Töchterschülerin, ist selig. — Nein — wie ulkig er die Mar
gueritcn abzählen kann!-Sie könnte sich direkt in ihn verschießen...
Und dann die reizende Rede, die er beim Geburtstag gehalten hat.
- Entzückend!! So gewandt!! So fließend, wissen Sic... Es ging
ihm nur so von der Hand ... Sein Vorgesetzter, der Rcgierungsra t,
ist voll Wohlwollen. — Er schätzt bescheidene, zurückhaltende Menschen.
- Der Beamte Schmid hat einen Stein im Brett. - Er ist noch nie
unangenehm ausgefallen.
In zwanzig Zähren etwa wird Herr Schmid bei Einweisungen, Ent-
hüllungen, Eröffnungen unter den prominenten in der ersten Reihe
sitzen, im Generalanzeiger steht sein Name bei den Aufgezählten noch
als letzter vor dem „u. a. m." und er wird nun seinerseits sein Wohl-
wollen einem nachgewachsenen angenehmen jungen Mann zuwenden
Ein besserer Herr
Die Frau Registrator vermietet ihr besseres Zimmer. Aber nur an
einen besseren Herrn. Denn in dem Zimmer hängt ein Regulator und
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Männer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1925
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1930
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 163.1925, Nr. 4171, S. 17
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg