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HUNDERTMARKSCHEIN GEFUNDEN."

Seit sechsundzwanzig Jahren
halte ich auf der Straße die Augen
züchtig auf die Erde gesenkt. Nicht
aus angeborenerSchüchternheit oder
so. Nein, sondern weil ich die Hoff-
nung habe, einmal etwas zu finden.

Am Freitag voriger Woche war
es mirgeglückt.Als ich an derperusa-
straße von der Elektrischen stieg, be-
merkte ich unter den vielen wegge-
worfenen Trambahnbilletts einen
zusammengefalteten Zettel, der mir
durch seine Farbe auffiel. Nach
einiger Überlegung, ob ich mir die
Mühe des Bückens machen sollte,
siegte meine Neugierde über meine
Faulheit. Ich hob ihn auf.

Es war ein richtiggehender Hundertmarkschein.

Ich war überrascht, entzückt, erfreut.

Ha! Welche Möglichkeiten eröffneten sich mir. Ha! Und nochmals Ha!

Ich konnte dafür drei Tage an den Starnberger See fahren. Oder
ich konnte mir einen Sommeranzug kaufen. Oder ich konnte hundert
Abende hintereinander im Löwenbräukeller zwei Maß trinken und
Regensburger mit Sauerkraut dazu essen, was mir schon immer als
der Höhepunkt eines Schlemmerlebens erschienen war. Oder ich konnte...

Als ich bei diesem vierten „oder" angelangt war, meldete sich mein
Gewissen, das ich — wenn auch aus keinem anderen Grunde — doch
als sanftes Ruhekissen zu schätzen weiß.

Es war zwar weit eher anzunehmen, daß der Selchermeister Raver
Hinterhuber den Schein zusammen mit dem abgefahrenen Trambahn-
billett achtlos aus
seinerWestentasche
gezogen und weg-
geworfen hatte, als
daß das bekannte
alteMütterchen mit
denzitterndenHän-
den.... (das Wei-
tere bitte bei Frau
Courths - Mahler
nachzulesen).

Indessen-konnte
man wissen?

Ich beschloß da-
her, den Verlierer
ausfindig zu ma-
chen und zu diesem
Zweck den nicht
mehr ungewöhn-
lichenWeg des Zei-
tungsinserats zu
beschreiten.

So stand denn
am Samstag
abend das folgen-
de Inserat in den
„Münchner Neue-
sten" :

Hundertmarkschein
gefunden.

Der ehrliche Verlierer
kann sich selbigen Sonn-
tag vormittag zwischen
11 — 1 Uhr abholen.

Odeonstrasze 14, IV r.

Um 3/4Ö Uhr
hatte ich dieZeitung

bekommen. 10 Minuten vor 6 Uhr klingelte es. Es war meine Flur-
nachbarin, die Frau verwitwete Kommissionärsgattin Theres Heberle.

„Ja mek, Herr Nachbar," begann sie, „des ist aber geschickt, daß
g'rad' Sie mei' hundert Markl gefunden haben, den i vorgestern auf
der Stieg'n verlor n Hab'. 2 Hab' schon soviel Kummer g'habt derhal-
ben. Geben S' ihn nur glei' her! Da kann i mir glei' noch a Stückcl
Fleisch drunten an der Ecken zum heiligen Sonntag hol'n."

„Ja, verehrte Frau Kommissionärsgattin," entgegnete ich ihr - denn
die Dame hält unnachsichtlich auf Titel und Würden — „ da müßten Sie
doch erst einmal Nachweisen, daß das wirklich Ihr Hundertmarkschein
ist. Ich habe ihn nämlich gar nicht hier im Treppenhause gefunden...."

„Nu schau'n S', Herr Nachbar, wie sich des trifft, des Hab' ich mir
doch glei' denkt, daß i des Scheinderl schon drunten auf der Straßen
verlor'n Hab', wie i mei' Sacktüchel aus der Handtasch'n gezog'n Hab'."

„Ja, aber auch da habe ich ihn nicht gefunden."

„Nachher soll's mi' aber doch wundern. Zeigen S' den Hundertmarkl-
schein doch mal her! 2 kenn' eahm glei' wieder. Es war a ganz a neucher."

Da der von mir gefundene Schein keineswegs „ganz a neucher",
sondern im Gegenteil ein stark zerknitterter und mit zahlreichen Fett-
flecken versehener Papierfetzen war, konnte ich mich nicht dazu entschlie-
ßen, die Ansprüche der Frau verwitweten Kommisstonärsgattin anzu-
erkennen. Und komplimentierte die Dame höflich, aber bestimmt hinaus.

„A so a Leutebetrieger", hörte ich sie noch draußen vor sich hin-
schimpfen.

Als ich mir abends um '/e12 Uhr gerade die Stiefel ausgezogen
hatte, läutete es an der Korridortür Sturm. Ich schlich mich auf Socken
hin und erspähte durch das Guckloch zwei verdächtig aussehende Gestal-
ten mit dicken Knüppeln und entschlossenen Mienen. Mit einem Satz
stürzte ich ans Telephon in meinem Arbeitszimmer, um das Überfall-
kommando anzurufen.Ich wünschte für alleEventualitäten gerüstet zu sein.

„ Wann S' jetzt
nöt bald aufmacha
tun, Sie, nacher
tret'n mer Eahna
die Tür ein", tönte
es mir von außen
entgegen, als ich
mich wieder an die
Tür zurückbegab.

„Was wünschen
Sie denn eigent-
lich, meine Her-
ren?"

„MeinenHundert-
markschein möcht'
ich hab'n, den Sie
sich unberechtigter-
weise angeekgnet
hab'n. Und wenn
Sie den nöt.bin-
nen zwoa Minuten
'raus'geb'n hab'n,
nachher kommen
mir eini und hol'n
ihn uns."

In diesem Au-
genblicke tönte auf
der Treppe das
Trampeln von
schweren Polizei-
stiefeln. Ein Ge-
räusch, das meinen
beiden Besuchern
nicht unbekannt zu
sein schien. Siever-
schwanden schleu-

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Hundertmarkschein gefunden"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Flechtner, Otto
Entstehungsdatum
um 1925
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1930
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 163.1925, Nr. 4172, S. 28

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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