Wahres aus der
Schule
Schauplatz: die Un-
terklasse einer Hambur-
gischen Volksschule.
Alles zehnjährige echte
Hamburger Iungens
aus den „Gängevier-
teln". Ich versuche,
ihnen den Unterschied
zwischen Klaue, Tatze,
Kralle, Pranke, Pfote
klarzumachen.
„Bildet mal einen
Satz mit Klaue!" for-
dere ich sie auf.
Da meldet sich Ionni
Butendick, der Sohn
eines Ewerführers, der sonst nicht zu den großen
Lichtern zählt.
Strahlend antwortet er: „Ich klaue Apfel."
w.g.-s.
Der pfiff
Frau Professor Bokeloh war bei Zapferls ein-
geladen. Der Herr Professor war nicht mitge-
kommen, weil ihn eine epochemachende Arbeit über
den Konsonanten k im Sanskrit an den Schreib-
tisch fesselte. Der Abend war reizend. Schließlich
forderten Zapferls Frau Professor Bokeloh auf,
ein Lied zu singen.
„Aber ich habe ja meine Laute nicht bei mir", sträubte sich Frau
Professor.
Sofort war Zapferl bereit, die Originallaute der Frau Professor
zu holen.
Dies war der Frau Professor sehr lieb, zumal sie merkte, daß sie
ihren Hausschlüssel vergessen hatte: Zapferl konnte ihn gleichzeitig
holen.
„Aber mein Gatte hat mit mir einen ganz besonderen pfiff ver-
abredet", sagte die Frau Professor zu Zapferl, „passen Sie auf, daß
Sie sich ihn merken! Sonst hört er nicht und macht nicht auf." Und
sie pfiff Zapferl etwas sehr Kompliziertes vor, und Zapferl lernte es
durch mehrmaliges Vachpfeifen auswendig.
Unterwegs pfiff der
kalte Herbstwind die
tollsten Melodien, und
siehe da: als Zapferl
vor das Haus des Pro-
fessors kam, hatte er den
mühsam gelernten pfiff
vergessen. Da stand er
nun, hob bald das
eine, bald das andere
Bein, fror zum Erbar-
men und besann sich...
krampfhaft.... eine
Viertelstunde .. eine
halbe Stunde.... eine
Stunde.
Schließlich pfiff er
vor Wut und Kälte ganz
von selbst einmal kurz auf, keine Melodie, sondern
etwas ganz lokomotivenartiges.
Sofort öffnete sich das Fenster, und nach ein
paar Minuten begrüßte Professor Bokeloh den
guten Zapferl an der Tür.
„Aber wie kommt es denn," fragte Zapferl
zähneklappernd, „daß Sie auf diesen abgerissenen
pfiff sogleich geöffnet haben ? Ihre Frau Gemahlin
sagte mir doch, Sie hätten mit ihr einen ganz
komplizierten pfiff verabredet."
„Das schon," antwortete der Professor, „aber
sie pfeift ja selber jedesmal was andres." T.
Die Überraschung
Abend für Abend schaute die tugendsame Jungfer Anastasia unter
ihr Bett, um festzustellen, ob sich nicht während des Tages ein Dieb
oder Mörder in ihre Kammer elngeschlichen hätte.
Das ging so bis in ihr, nun, sagen wir galanterweise, vierzigstes
Jahr/ Anastasia begann bereits, ihre alte Gewohnheit zlr vernach-
lässigen.
Da, eines Abends kommt ihr etwas verdächtig vor, sie bückt sich,
schaut unter das Bett, erblickt einen Handwerksburschen, der sich ein-
geschlichen hatte, und bricht init ausgebreiteten Armen in den Iubcl-
ruf aus: „Ach, da sind Sie ja endlich!" A.W.
Märchanerzählerin Liehe
fitjt hei uns Am Herd:
Leife Wind und Regen
um das Häuslein fährt.
Sind zu dritt im Stübchen:
Liehe> ich und du -
Märchen, Wind und Regen
pL\udern uns zur Ruh . .
Willy Arndt
206
Schule
Schauplatz: die Un-
terklasse einer Hambur-
gischen Volksschule.
Alles zehnjährige echte
Hamburger Iungens
aus den „Gängevier-
teln". Ich versuche,
ihnen den Unterschied
zwischen Klaue, Tatze,
Kralle, Pranke, Pfote
klarzumachen.
„Bildet mal einen
Satz mit Klaue!" for-
dere ich sie auf.
Da meldet sich Ionni
Butendick, der Sohn
eines Ewerführers, der sonst nicht zu den großen
Lichtern zählt.
Strahlend antwortet er: „Ich klaue Apfel."
w.g.-s.
Der pfiff
Frau Professor Bokeloh war bei Zapferls ein-
geladen. Der Herr Professor war nicht mitge-
kommen, weil ihn eine epochemachende Arbeit über
den Konsonanten k im Sanskrit an den Schreib-
tisch fesselte. Der Abend war reizend. Schließlich
forderten Zapferls Frau Professor Bokeloh auf,
ein Lied zu singen.
„Aber ich habe ja meine Laute nicht bei mir", sträubte sich Frau
Professor.
Sofort war Zapferl bereit, die Originallaute der Frau Professor
zu holen.
Dies war der Frau Professor sehr lieb, zumal sie merkte, daß sie
ihren Hausschlüssel vergessen hatte: Zapferl konnte ihn gleichzeitig
holen.
„Aber mein Gatte hat mit mir einen ganz besonderen pfiff ver-
abredet", sagte die Frau Professor zu Zapferl, „passen Sie auf, daß
Sie sich ihn merken! Sonst hört er nicht und macht nicht auf." Und
sie pfiff Zapferl etwas sehr Kompliziertes vor, und Zapferl lernte es
durch mehrmaliges Vachpfeifen auswendig.
Unterwegs pfiff der
kalte Herbstwind die
tollsten Melodien, und
siehe da: als Zapferl
vor das Haus des Pro-
fessors kam, hatte er den
mühsam gelernten pfiff
vergessen. Da stand er
nun, hob bald das
eine, bald das andere
Bein, fror zum Erbar-
men und besann sich...
krampfhaft.... eine
Viertelstunde .. eine
halbe Stunde.... eine
Stunde.
Schließlich pfiff er
vor Wut und Kälte ganz
von selbst einmal kurz auf, keine Melodie, sondern
etwas ganz lokomotivenartiges.
Sofort öffnete sich das Fenster, und nach ein
paar Minuten begrüßte Professor Bokeloh den
guten Zapferl an der Tür.
„Aber wie kommt es denn," fragte Zapferl
zähneklappernd, „daß Sie auf diesen abgerissenen
pfiff sogleich geöffnet haben ? Ihre Frau Gemahlin
sagte mir doch, Sie hätten mit ihr einen ganz
komplizierten pfiff verabredet."
„Das schon," antwortete der Professor, „aber
sie pfeift ja selber jedesmal was andres." T.
Die Überraschung
Abend für Abend schaute die tugendsame Jungfer Anastasia unter
ihr Bett, um festzustellen, ob sich nicht während des Tages ein Dieb
oder Mörder in ihre Kammer elngeschlichen hätte.
Das ging so bis in ihr, nun, sagen wir galanterweise, vierzigstes
Jahr/ Anastasia begann bereits, ihre alte Gewohnheit zlr vernach-
lässigen.
Da, eines Abends kommt ihr etwas verdächtig vor, sie bückt sich,
schaut unter das Bett, erblickt einen Handwerksburschen, der sich ein-
geschlichen hatte, und bricht init ausgebreiteten Armen in den Iubcl-
ruf aus: „Ach, da sind Sie ja endlich!" A.W.
Märchanerzählerin Liehe
fitjt hei uns Am Herd:
Leife Wind und Regen
um das Häuslein fährt.
Sind zu dritt im Stübchen:
Liehe> ich und du -
Märchen, Wind und Regen
pL\udern uns zur Ruh . .
Willy Arndt
206
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Stiller Abend"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1925
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1930
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 163.1925, Nr. 4187, S. 206
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg