(5. Forts.)
Q3as gfüctcfefige “Tfötenfpief
<Sine fflltmünchner tyfofgefcßicßte von fflorft Woffram Qeißfer
(Aus Eifersucht hat der Leutnant von Thaller, beim Kurfürsten Max Joseph
durch seine Flötenkunst in hoher Gunst stehend, ein Duell mit dem französischen
Gesandten Mazette angezettelt und diesen verwundet. Das Gerücht davon ist zu
Obren dcsKurfürsten gedrungen,undThallerist kn Gefahr,in Ungnade;» fallen.)
«JHp m elften Juli hatte sogar derHimmel
^v weiß und blau geflaggt zu Ehren des großen
Türkensiegers Max Emanuel. In der Stadt, wo die
Häuser eng zusammen standen und betriebsame Bür-
gerlichkeit keine Zeit hatte, Feste zu feiern, merkte man
davon freilich nichts. Aber von der Residenz aus be-
wegte sich am Spätnachmittag ein schier endloser
Wagcnzug nach Nymphcnburg hinaus,durchWiesen
und Felder, am Dörfchen Neuhausen vorüber, bog
zu dem prachtvollen geradlinigen Kanal ein, den
Max Emanuels Mutter hatte anlegen lassen, und hielt vor dem weithin-
gestreckten Nymphenburger Schlosse, das ruhig wie ein Erntetraum noch im
Sonnenlichte schimmerte.
Eine bunte Gesellschaft flatterte unter den Durchgängen in den park hinein,
der ebenfalls sein Festgewand angelegt hatte. Zu Ehren des Tages waren
alle Springbrunnen lebendig, die Kaskade weit im Hintergründe rauschte
als silberne Treppe zwischen Marmorfiguren herab, alle Pavillons einer
kaum vergangenen, leichteren und liebevolleren Zeit waren geöffnet und zeigten
ihre süßverschwiegeire Pracht.
Für den Abend war ein großes Feuerwerk angesagt. Bis dahin hatte man
Zeit, sich nach Wunsch zu ergehen, Gondel zu fahren oder unter schattigen
Zelten zu sitzeit. Fast wurde die jauchzende Farbenbuntheit der Blumenrabatten
blaß gegen die Festkleider des Rokoko, das auf Veit glatten Wegen promenierte.
Eine einzige kleine Wolke blieb den meisten unsichtbar, den Wissenden
aber schuf sic Unbehagen: Der Kurfürst war nicht ganz in der gewohnten
freundlichen Laune. Mit dem Grafen Salern waitdclte er abseits und sprach
wenig. In der zierlichen Maison de Canaries fütterte er seine geliebten Vögel,
kraulte im Weiterschreiten ein zahmes Hirschkälbchen, das ihm folgte und
mit der blankeit schwarzen Nase mahnend gegen seine Rocktaschen stupste, bis
es die vorsorglich mitgebrachte Brezel berausgeschmeickelt batte.
Der Kurfürst sah nachdenklich und lange in die dunklen Augen des Tieres.
„Ist's nicht ein reines Geschenk des Himmels, diese Unschuld der Kreatur?"
sagte er zu Salern, „das weiß nichts, weder von Gut noch von Böse, und
macht keine albernen Geschichten wie die Menschen. Dieser Thaller —"
„Je nun," lächelte Salern und blickte auf das Hirschlein, „wenn das da
groß wäre, und wenn es ein Hirschenkavalier wäre, und wenn es sein Wehr
und Waffen auf dem Kopfe trüge, und wenn Brunstzeit wäre-"
„Wenn, wenn!" sagte der Kurfürst grantig, „'s ist aber nicht so, und
Gott sei Dank, daß es nicht so ist/ man muß etwas Unschuldiges haben,
dem man in die Augen blicken kann."
„Ich wollte nur sagen," vermerkte Salern, „daß der Thaller im Grunde
nichts weiter getan hat wie der Hirsch: er hat dem andern einen Stoß gegeben,
und einen sehr sanften dazu, denn der Chevalier soll schon wieder wohlauf
sein. Und der Grund? Es wird wohl der gleiche sein, der Unruhe in die
Bergwälder bringt, wenn das Röhren anhebt — mit Respekt zu vermelden."
Der Kurfürst schüttelte mißbilligend den Kopf. „Die Herren Offiziere
sollen lernen, sich wie Menschen zu benehmen und nicht wie Bauernbuben,
denen das Messer locker sitzt. Was geht's denn uns an, wenn sich ein Leut-
nant vergafft hat? Oder sie sollen in Dreiteufelsnamcn untereinander raufen,
aber nicht fremde Mächte attackieren — noch dazu, wenn's keinen Sinn hat."
„Ja, das ist es!" antwortete Salern, „wenn er wenigstens bei der Tauff-
kirchen Aussicht hätte, der dumme Kerl."
„Ja -: wenn. Sie sind heute recht aufs Wenn eingestellt, Lieber. Da es
nun aber nicht der Fall, so hat er eine reine Dummheit gemacht und wird
eingesperrt. Aber gründlich. Wenn ich ihn erwisch', heißt das."
„Wenn!" sagte Salern ernsthast.
Der Kurfürst sah ihn an und hatte schon ein fernes Lächeln in den Augen,-
weil er das fühlte, wandte er sich geschwind wieder zu dem Hirschkalb und
griff in die andere Tasche: „Da, du Vielfraß, du herziger. Sei froh, daß
du's noch erbetteln kannst, gelt? Denn im vorigen Herbst — "
Der Graf bückte sich. „Eine kleine Spur sieht man noch an dem gebrochenen
Fuß, aber der Gallmayr hat's ganz wunderbar geschient und heilgemacht. Ein
Mordskerl, dieses Mannderl."
261
Q3as gfüctcfefige “Tfötenfpief
<Sine fflltmünchner tyfofgefcßicßte von fflorft Woffram Qeißfer
(Aus Eifersucht hat der Leutnant von Thaller, beim Kurfürsten Max Joseph
durch seine Flötenkunst in hoher Gunst stehend, ein Duell mit dem französischen
Gesandten Mazette angezettelt und diesen verwundet. Das Gerücht davon ist zu
Obren dcsKurfürsten gedrungen,undThallerist kn Gefahr,in Ungnade;» fallen.)
«JHp m elften Juli hatte sogar derHimmel
^v weiß und blau geflaggt zu Ehren des großen
Türkensiegers Max Emanuel. In der Stadt, wo die
Häuser eng zusammen standen und betriebsame Bür-
gerlichkeit keine Zeit hatte, Feste zu feiern, merkte man
davon freilich nichts. Aber von der Residenz aus be-
wegte sich am Spätnachmittag ein schier endloser
Wagcnzug nach Nymphcnburg hinaus,durchWiesen
und Felder, am Dörfchen Neuhausen vorüber, bog
zu dem prachtvollen geradlinigen Kanal ein, den
Max Emanuels Mutter hatte anlegen lassen, und hielt vor dem weithin-
gestreckten Nymphenburger Schlosse, das ruhig wie ein Erntetraum noch im
Sonnenlichte schimmerte.
Eine bunte Gesellschaft flatterte unter den Durchgängen in den park hinein,
der ebenfalls sein Festgewand angelegt hatte. Zu Ehren des Tages waren
alle Springbrunnen lebendig, die Kaskade weit im Hintergründe rauschte
als silberne Treppe zwischen Marmorfiguren herab, alle Pavillons einer
kaum vergangenen, leichteren und liebevolleren Zeit waren geöffnet und zeigten
ihre süßverschwiegeire Pracht.
Für den Abend war ein großes Feuerwerk angesagt. Bis dahin hatte man
Zeit, sich nach Wunsch zu ergehen, Gondel zu fahren oder unter schattigen
Zelten zu sitzeit. Fast wurde die jauchzende Farbenbuntheit der Blumenrabatten
blaß gegen die Festkleider des Rokoko, das auf Veit glatten Wegen promenierte.
Eine einzige kleine Wolke blieb den meisten unsichtbar, den Wissenden
aber schuf sic Unbehagen: Der Kurfürst war nicht ganz in der gewohnten
freundlichen Laune. Mit dem Grafen Salern waitdclte er abseits und sprach
wenig. In der zierlichen Maison de Canaries fütterte er seine geliebten Vögel,
kraulte im Weiterschreiten ein zahmes Hirschkälbchen, das ihm folgte und
mit der blankeit schwarzen Nase mahnend gegen seine Rocktaschen stupste, bis
es die vorsorglich mitgebrachte Brezel berausgeschmeickelt batte.
Der Kurfürst sah nachdenklich und lange in die dunklen Augen des Tieres.
„Ist's nicht ein reines Geschenk des Himmels, diese Unschuld der Kreatur?"
sagte er zu Salern, „das weiß nichts, weder von Gut noch von Böse, und
macht keine albernen Geschichten wie die Menschen. Dieser Thaller —"
„Je nun," lächelte Salern und blickte auf das Hirschlein, „wenn das da
groß wäre, und wenn es ein Hirschenkavalier wäre, und wenn es sein Wehr
und Waffen auf dem Kopfe trüge, und wenn Brunstzeit wäre-"
„Wenn, wenn!" sagte der Kurfürst grantig, „'s ist aber nicht so, und
Gott sei Dank, daß es nicht so ist/ man muß etwas Unschuldiges haben,
dem man in die Augen blicken kann."
„Ich wollte nur sagen," vermerkte Salern, „daß der Thaller im Grunde
nichts weiter getan hat wie der Hirsch: er hat dem andern einen Stoß gegeben,
und einen sehr sanften dazu, denn der Chevalier soll schon wieder wohlauf
sein. Und der Grund? Es wird wohl der gleiche sein, der Unruhe in die
Bergwälder bringt, wenn das Röhren anhebt — mit Respekt zu vermelden."
Der Kurfürst schüttelte mißbilligend den Kopf. „Die Herren Offiziere
sollen lernen, sich wie Menschen zu benehmen und nicht wie Bauernbuben,
denen das Messer locker sitzt. Was geht's denn uns an, wenn sich ein Leut-
nant vergafft hat? Oder sie sollen in Dreiteufelsnamcn untereinander raufen,
aber nicht fremde Mächte attackieren — noch dazu, wenn's keinen Sinn hat."
„Ja, das ist es!" antwortete Salern, „wenn er wenigstens bei der Tauff-
kirchen Aussicht hätte, der dumme Kerl."
„Ja -: wenn. Sie sind heute recht aufs Wenn eingestellt, Lieber. Da es
nun aber nicht der Fall, so hat er eine reine Dummheit gemacht und wird
eingesperrt. Aber gründlich. Wenn ich ihn erwisch', heißt das."
„Wenn!" sagte Salern ernsthast.
Der Kurfürst sah ihn an und hatte schon ein fernes Lächeln in den Augen,-
weil er das fühlte, wandte er sich geschwind wieder zu dem Hirschkalb und
griff in die andere Tasche: „Da, du Vielfraß, du herziger. Sei froh, daß
du's noch erbetteln kannst, gelt? Denn im vorigen Herbst — "
Der Graf bückte sich. „Eine kleine Spur sieht man noch an dem gebrochenen
Fuß, aber der Gallmayr hat's ganz wunderbar geschient und heilgemacht. Ein
Mordskerl, dieses Mannderl."
261
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das glückselige Flötenspiel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1925
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1930
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 163.1925, Nr. 4191, S. 261
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg