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„Ah, der Gallmayr!" sagte Max Joseph mit plötz-
licher Lebhaftigkeit. „Was hat er denn? Wo steckt er
denn? Will er denn nicht ein neues Kunststück vorführen
am heutigen Tage ?"

„Er tut's auch!" berichtete Salern. „Drinnen im
Schloß hat er sich mit seiner neuen Automate cinge-
riegelt und sagt, er läßt keinen herein, außer es sei der
Kurfürst selber."

„Aber warum hör'ich das jetzt erst?" fragte derHerr
und wandte sich auf der Stelle dem Schlosse zu, „und
warum will er die Automate nur mir zeigen?"

„ Kurfürstlichen Gnaden zuerst, dann den anderen. Er
meint, daß man die Maschine vielleicht heute abend beim Feuerwerk vorführen
könnte,- denn es ist ein Mensch, ein Flauto-Traversist, und ist alles wohl
gelungen — nur beim Gesicht hat's ein wenig gefehlt, weil der Gallmayr halt
doch nur ein Mechanikus, aber kein Bildhauer ist. Deshalb meint er, daß
vielleicht die ungewisse Dunkelheit für die Täuschung günstiger sei, und hält
ihn derweilen noch versteckt."

„Gehen wir, gehen wir!" sagte der Kurfürst, „Sie machen mich über die
Maßen neugierig, Salern!" —

In einem entlegenenZimmer des BymphenburgerSchlosseswartcteIoseph
Gallmayr auf den hohen Besuch. Er hatte Tag und Bacht gearbeitet, um
seinen künstlichen Flötenspieler noch zu diesem Feste fertigzubringen, und nun
hockte die menschengroße Puppe mit gekreuzten Beinen auf einem Teppich.
Da der Tag dem Türkcnsieger Max Emanuel galt, batte Gallmayr seine
Automate in ein türkisches Gewand gekleidet und ihr einen Turban aufgesetzt.

Salern klopfte dreimal, wie verabredet, und trat hinter dem Kurfürsten
ein. Gallmayr, diesmal nicht Hoftrabant, sondern ein ärmlich und sauber
gekleidetes Bürgerlein, empfing die Herren mit hundert Kratzfüßen.

„Das ist er also!" sagte Mar Joseph und ging wißbegierig um die selt-
same Maschine herum, „schaut ganz passabel aus — ist nur die Frage, ob er
auch so bläst, daß man anhören kann."

„Im Augenblick, kurfürstliche Gnaden!" sagte der Gallmayr stolz und
legte der Figur seine Hand auf die Schulter, wo unter dem Türkengewande
ein Knopf sein mochte.

Sogleich ging das Wunder an. Der Märchentürke richtete den Kopf ein
wenig auf, hob die Hände, in denen die Flöte ruhte, zum Munde und be-
gann nach einem kleinen Präludium zu musizieren, wobei er mit dem Fuße
den Takt schlug. Es war das große Flauto-Solo des Konzertes von da-
mals, das nun die Schwingen einer unbändigen Sehnsucht hob,- es stieg

mit immer schnelleren Flügelschlägen hoch über Wald
und Bachgemurmel in das letzte Sonnenlicht hinauf,
jauchzte weit über die Welt, von göttlichen Strahlen
getragen-sank wie eine vertrillernde Lerche sterbens-

glücklich wieder herab und — schwieg.

„Bravo!" sagte der Kurfürst in die Stille hinein
und nahm des kleinen Gallmayr Hand, „das nenn ich
musizieren! Wunderbar,wunderbar! Kaum sollte man's
glauben, daß es nur eine Puppe und nicht der Thaller ist

-der Sakramenter, der elendige-aber ein

Künstler war er doch, und der Gallmayr ist auch einer,
alles was wahr ist."

Gallmayr leuchtete vor Glück. „Kurfürstliche Gnaden," sagte er mit
stolzer Schüchternheit, „ich glaub', es ist mein Meisterstück. So Hab' ich mir's
immer geträumt, und es war meine große Sehnsucht."

„Das hört man!" sagte Max Joseph besinnlich.

„Aber wenn der Herr von Thaller damals nicht gar so schön geblasen hätte,
so wär mir der Gedanke gewiß nicht gekommen,- es war wie eine Erlösung. -
So ist halt die Kunst, Kurfürstliche Gnaden!" setzte er hinzu.

„Eine absonderliche Sorte von Menschen..." sagte der Kurfürst nickend,
„ein Rätsel... meinen Sic nicht auch, Salern? Da steht unser Gallmayr,
ganz bescheiden und klein, und niemand weiß, was für Wunderblumen in
seinem Traumgarten wachsen mögen. Und da ist dieser Lümmel von einem
Thaller, der ahnungslose Leute halbtot schlägt — aber gibt man ihm eine
Flöte in die Hand, so ist's, als wenn der liebe Gott selber auf den Knopf
drückte, und er bekommt eine Seele - und was für eine!"

„Man darf solche Baturen nicht mit dem gleichen Maße messen wie andere
Menschen..." sagte Salern vorsichtig und still begütigend.

Der Kurfürst warf ihm ein Lächeln zu und trat für eine lange Weile ans
Fenster. Draußen war unterdessen die Sonne schlafen gegangen. Die
Dämmerung schlug ihre großen Augen auf, und über dem Kanal schwammen
schon ein paar bunte Lampions.

Max Joseph ging nach der Tür, öffnete sie und winkte zwei Diener heran.
„Ihr holt mir eine Sänfte her!"

„Daher?"

„Jawohl, daher, eine geschlossene Sänfte."

Die beiden kamen mit der zierlichen Tragbahre zurück. Man hob die
Automate hinein, zog die Fenstervorhänge sorgfältig zu. „In die Amalien-
burg!" befahl der Kurfürst, und der seltsame Zug setzte sich alsogleich in
Bewegung. (Schluß folgt)

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das glückselige Flötenspiel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stockmann, Hermann
Entstehungsdatum
um 1925
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1930
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
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Fliegende Blätter, 163.1925, Nr. 4191, S. 262

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