Der Spiegel aus Nürnberg
Von Egon H. Straßburger
Cs ist zwar nicht von welterschütternder Bedeutung und das Interesse
daran ist sicher nicht groß, aber die Sache gehört einnial zu der Geschichte.
Ich hatte vor, in den heiligen Stand der Ehe zu treten, und deshalb fuhr
ich nach Nürnberg, um die Verlobung mit einer sehr schönen Witwe zu
feiern, deren Vater ein reicher Mann war.
Dieses ist die Voraussetzung zu allem übrigen.
*
Ich fuhr also von München nach Nürnberg und schlenderte am Morgen
durch die Straßen dieser reizenden Stadt. Ich war betroffen von dem
Zauber, den die Poesie dieser Stadt hervorbrachte.
Während meine Seele die Eindrücke in sich aufnahm, entdeckte ich, daß
ich mein seidenes Taschentuch, das für die obere Rocktasche bestimmt ist, in
München liegen gelassen hatte. Was ist der Mensch ohne seidenes Taschen-
tuch ? — Ein Nichts, eine Null, und wenn man sich verloben will, so muß man
doch zum mindesten den seidenen Kavalierlappcn aus der Tasche leuchten sehen.
Ich ging deswegen zu dem ersten besten Weißzcughändler, und ich kaufte
inir dort das schönste Produkt dieser Art. Der Herrenartikelgeschästsinhaber
war äußerst liebenswürdig, und beim Abschied überreichte er mir einen kleinen
Handspiegel, auf dessen Rückseite zu lesen war:
„Franz Joseph Kunzenhüber,
Herrenartikelgeschäft,
Nürnberg.'
Mit freundlichen Worten verbeugte er sich, indem er mir sagte:
„Das Taschentuch ist prima, primissima_beehren Sie mich bald
wieder mit Ihrem Besuche."
Ich nickte, obwohl ich voraussichtlich nie wieder den Herrn zu besuchen
beabsichtigte.
Wie es alle Herren tun, die einer Zukünftigen gefallen wollen, besah ich
mich rasch im Spiegel. Da erschrak ich. Irgendetwas zeigte der Spiegel,
was mir verflucht unangenehm war. Mitten auf der Stirn hatte ich ein
Wimmerl, ein Wimmerlchen. Ganz winzig, liliputartig, ganz im Werden be-
griffen. O Gott, auch das noch, wo ich in Nürnberg einen Besuch machen
wollte, wo ich als Adonis um die Hand einer geliebten Frau anzuhalten
trachtete... Was war zu tun? Was war vor allen Dingen schnell zu tun?
Ich tat das denkbar Ungeschickteste.... ich rieb und rieb. Maffage!
Ich war des Glaubens, daß man ein Wimmerlchen auf der Stirne ge-
schickt wegmassieren könne.
Aber die Sache verschlimmerte sich zusehends. Das Ding wuchs und
bald kam ein Einhorn zur Wclt. Aus dem Wimmerlchen wurde ein Wimmerl....
Ausgerechnet auf der Stirn eines angehenden Bräutigams.
In meiner Wut suchte ich eine Stunde später, nachdem ich schon in dem
Besitze eines talergroßen Stirnansahes war, Herrn Kunzenhuber auf. Die
Tür schien aus den Fugen zu gehen, mit solcher Wucht traktierte ich sie. Der
erstaunte Ladeninhaber machte das denkbar törichtste Gesicht, und er riß
Mund und Nase aus.
„Das hier haben Sie angerichtet!" rief ich ihm wütend, auf meine Stirn
zeigend, entgegen.
Der Herr aus Nürnberg vermutete in meinem ganzen Verhalten schlimmste
Geistcsumnachtung, und er verschanzte sich hinter den Ladentisch.
Dann stotterte er:
„A-a-aber dafür kann ich doch gar nichts, mein Herr!"
Ich erwiderte: „Ohne Ihren verfluchten Spiegel wäre ich jetzt bald
Bräutigam, aber so.... Nein, ich schäme mich, wieder nach München zu
fahren."
Er wollte mir als Abfindung ein paar Glacehandschuhe schenken, aber
ich warf ihm auch diese wütend an den Kopf.
Die junge Witwe in Nürnberg mitsamt dem Großindustriellen war ich
gezwungen zu schneiden.Aus dem geplanten Verlobungsessen wurde
nichts-Ich eilte nur zum Bahnhof, um so schnell wie möglich München
wkederzusehen.
Hier begab ich inich in Behandlung eines Arztes, und erst nach acht
Tagen verschwand die Ähnlichkeit mit einem Einhorn.
Seit der Zeit habe ich nie wieder in einen Spiegel gesehen, und jede
Eitelkeit ist aus meinem Wesen verschwunden.
Da ich so viel unglückliche und so wenig glückliche Ehen seit Jahren be-
merkt habe, war ich froh, daß ein kleiner Spiegel mich vor der größten Tor-
heit meines Lebens bewahrt hatte.
Aber dankbar, wie ich bin, kaufe ich meine Hüte, meine Handschuhe, meine
Krawatten nicht in München, ich lasse sie mir von meinem Freunde, dem
Herrn Kunzenhuber aus Nürnberg, schicken.
IJnfcrc^teuijcLb
mit echtem &£roAnum6(tücft
in ronieftmer tbfccbpacfuin §
DIE MARKT DER GROSSEN WELT
ist die IVt’Cci^uua -offen, was die rannst de^
Ls A S ' * ■' « .4.« - M. A> ' *
:er Verarbeitung
LaeizrncmnH unter fera faltigster Verarbeitung
erlesener Orienttabake hu. leisten vermag.
Walde rs-Asteria Zigaretten sabri ä 91 * 6,
297
Von Egon H. Straßburger
Cs ist zwar nicht von welterschütternder Bedeutung und das Interesse
daran ist sicher nicht groß, aber die Sache gehört einnial zu der Geschichte.
Ich hatte vor, in den heiligen Stand der Ehe zu treten, und deshalb fuhr
ich nach Nürnberg, um die Verlobung mit einer sehr schönen Witwe zu
feiern, deren Vater ein reicher Mann war.
Dieses ist die Voraussetzung zu allem übrigen.
*
Ich fuhr also von München nach Nürnberg und schlenderte am Morgen
durch die Straßen dieser reizenden Stadt. Ich war betroffen von dem
Zauber, den die Poesie dieser Stadt hervorbrachte.
Während meine Seele die Eindrücke in sich aufnahm, entdeckte ich, daß
ich mein seidenes Taschentuch, das für die obere Rocktasche bestimmt ist, in
München liegen gelassen hatte. Was ist der Mensch ohne seidenes Taschen-
tuch ? — Ein Nichts, eine Null, und wenn man sich verloben will, so muß man
doch zum mindesten den seidenen Kavalierlappcn aus der Tasche leuchten sehen.
Ich ging deswegen zu dem ersten besten Weißzcughändler, und ich kaufte
inir dort das schönste Produkt dieser Art. Der Herrenartikelgeschästsinhaber
war äußerst liebenswürdig, und beim Abschied überreichte er mir einen kleinen
Handspiegel, auf dessen Rückseite zu lesen war:
„Franz Joseph Kunzenhüber,
Herrenartikelgeschäft,
Nürnberg.'
Mit freundlichen Worten verbeugte er sich, indem er mir sagte:
„Das Taschentuch ist prima, primissima_beehren Sie mich bald
wieder mit Ihrem Besuche."
Ich nickte, obwohl ich voraussichtlich nie wieder den Herrn zu besuchen
beabsichtigte.
Wie es alle Herren tun, die einer Zukünftigen gefallen wollen, besah ich
mich rasch im Spiegel. Da erschrak ich. Irgendetwas zeigte der Spiegel,
was mir verflucht unangenehm war. Mitten auf der Stirn hatte ich ein
Wimmerl, ein Wimmerlchen. Ganz winzig, liliputartig, ganz im Werden be-
griffen. O Gott, auch das noch, wo ich in Nürnberg einen Besuch machen
wollte, wo ich als Adonis um die Hand einer geliebten Frau anzuhalten
trachtete... Was war zu tun? Was war vor allen Dingen schnell zu tun?
Ich tat das denkbar Ungeschickteste.... ich rieb und rieb. Maffage!
Ich war des Glaubens, daß man ein Wimmerlchen auf der Stirne ge-
schickt wegmassieren könne.
Aber die Sache verschlimmerte sich zusehends. Das Ding wuchs und
bald kam ein Einhorn zur Wclt. Aus dem Wimmerlchen wurde ein Wimmerl....
Ausgerechnet auf der Stirn eines angehenden Bräutigams.
In meiner Wut suchte ich eine Stunde später, nachdem ich schon in dem
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Tür schien aus den Fugen zu gehen, mit solcher Wucht traktierte ich sie. Der
erstaunte Ladeninhaber machte das denkbar törichtste Gesicht, und er riß
Mund und Nase aus.
„Das hier haben Sie angerichtet!" rief ich ihm wütend, auf meine Stirn
zeigend, entgegen.
Der Herr aus Nürnberg vermutete in meinem ganzen Verhalten schlimmste
Geistcsumnachtung, und er verschanzte sich hinter den Ladentisch.
Dann stotterte er:
„A-a-aber dafür kann ich doch gar nichts, mein Herr!"
Ich erwiderte: „Ohne Ihren verfluchten Spiegel wäre ich jetzt bald
Bräutigam, aber so.... Nein, ich schäme mich, wieder nach München zu
fahren."
Er wollte mir als Abfindung ein paar Glacehandschuhe schenken, aber
ich warf ihm auch diese wütend an den Kopf.
Die junge Witwe in Nürnberg mitsamt dem Großindustriellen war ich
gezwungen zu schneiden.Aus dem geplanten Verlobungsessen wurde
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Hier begab ich inich in Behandlung eines Arztes, und erst nach acht
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Seit der Zeit habe ich nie wieder in einen Spiegel gesehen, und jede
Eitelkeit ist aus meinem Wesen verschwunden.
Da ich so viel unglückliche und so wenig glückliche Ehen seit Jahren be-
merkt habe, war ich froh, daß ein kleiner Spiegel mich vor der größten Tor-
heit meines Lebens bewahrt hatte.
Aber dankbar, wie ich bin, kaufe ich meine Hüte, meine Handschuhe, meine
Krawatten nicht in München, ich lasse sie mir von meinem Freunde, dem
Herrn Kunzenhuber aus Nürnberg, schicken.
IJnfcrc^teuijcLb
mit echtem &£roAnum6(tücft
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DIE MARKT DER GROSSEN WELT
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