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Rote Glut flackert durch dasMaricnglas des Kachelofens in die frühe
Dämmerung des Winternachmittags, über Bilder und Wände.. • nein,
so beginnen die Weihnachtsgeschichten einer vergangenen besseren Zeit,
denkt Tilde Wcndelin,- ein paar Wände, dünn genug, daß der Wind
sie öurchkühlt, sind ja noch da, über Bilder? — und gar ein Kachel-
ofen, solch ein schöner hoher mit bunten Majolikafiguren dran, das war
einmal, zu Hause, damals .. .

Dies war ein kleiner Kanonenofen, durch dessen Marienglas Glut
flackerte,- aber er meinte es gut, seit einer halben Stunde war cs hübsch
warm. Tilde legte ein paar Apfel auf das Eisen,- jeden Augenblick
mußte ihr Mann kommen mit dem Weihnachtsbäumchen,- dann sollten
noch ein paar Tannenzwcige dazugelegt werden und abends, wenn sic
von den Einkäufen zurückkämen, würde cs duften... oh! was sollte
man vergangenen Zeiten nachtrauern, es war doch so schön!

Und dieser Mann! Wie ein Apfel leuchtete sein Gesicht durch die
kleine Tanne, als er ins Zimmer trat: „Nun, peterle, hast einen schönen
erwischt?" sprang ihm Tilde entgegen und nahm ihm den Baum ab.

„Einen schönen, einen sehr schönen! Und ein paar glatte neue Zehn-
markscheine hat das Christkindl auch noch ins Kontor gebracht, und nun
wollen wir gehen, geh?"

„Ja, und alles holen, was wir uns in diesen letzten vier Wochen an-
geschauk und ausgewählt haben für unfern Weihnachtstisch!"

„Hoffentlich ist noch alles hübsch da und die andern haben s uns
nicht vor der Nase weggekaust, wenn wir kommen!" wagte Peter zu
sagen. Denn dies war in der letzten Zeit öfter sein uneingestandencs
Bedenken gewesen.

„Na, das wär' aber...", meinte Tilde, kroch in den Mantel und
schob ihren Arm unter den peterles.

Sie gingen durch den Schnee der Stadt zu. Nein, sie fuhren nicht.

Das hatten sie grad' so verabredet. Denn die Vorfreude kann gar
nicht lang genug sein, sagten sie.

„Wie freu' ich mich! Unser erstes Weihnachtsfest zusammen!" sagte
Tilde ein übers andre Mal und hüpfte im Schnee.

„Ja, und nun pass' genau auf, jetzt wollen wir uns verabreden,"
antwortete peterle, „wir trennen uns am Odeonsplah und treffen uns
auch dort wieder. Jeder von uns hat etwa drei Läden zu besuchen, daö
dauert, sagen wir eine halbe Stunde —"

„Etwa, sagst du, peterle? Etwa? Du wirst dich doch nicht unter-
stehen und noch einen vierten Laden besuchen, etwas andres noch kaufen,
als wir verabredet haben? Bei unseren Geldverhälknissen? Und wo
wir die paar Sachen wirklich notwendig brauchen? Versprich mir,
Peterle, nichts andres zu kaufen, als wir verabredet haben, oder - '

„Ich möchte dich doch aber so gern mit irgendetwas überraschen!"
wagte peterle schüchtern einzuwerfen.

„Dann möchte ich dich auch gern überraschen, und dann müßtest
du mir noch einen Zehnmarkschein mehr geben."

„Das geht aber doch nicht, kleines Tildchen, habe doch selbst keinen
darüber, habe doch redlich mit dir geteilt!"

„Also, dann laß uns versprechen: nur das Bestimmte!"

„Nur das Bestimmte!" versprach peterle, und dann trennten jie
sich, indem sie auf die Uhr der Theatinerkirche zeigten: „2n einer hal-
ben Stunde! Wieder hier, an dieser Stelle!"

peterle setzte sich nach den ersten zehn Schritten in den Schnee: so
war er gelaufen. Würden sie noch im Fenster stehen, die Schuhchen,
die nur in der einen Größe 361/2 vorhanden waren und im Ausverkauf
nur zehn Mark kosteten? Ja, sie waren noch da,- niedlich beleuchtet
standen sie vor einem Plakat: „Seltener Gelegenheitskauf!" Es war
ein feudales Geschäft — ein s o feudales Geschäft, wie cs peterle in
seinem Leben noch nicht betreten hatte. Er öffnete die Tür klopfenden
Herzens. „Was wünschen der Herr? Womit können wir dem Herrn
dienen?" sprangen ein paar unbeschäftigte junge Damen auf peterle
zu. „Oh, bitte — Sie haben da - im Schaufenster —", stammelte

Am Flügelkleid/ mit l&nltem Sternenltrahf
Des Fhriftkind ilt s von Anno d&zum&L
Wohin es kein, ward / reud aus Allem JLeid:

Es nAhm lieh Feit - - -

306

n 6 o « Dehes-ÄasDamuS

er, „ein paar Damenschuhc Größe 3t»1/-’ — " — „Za, g'wiiß!" sagte
eine der jungen Damen, während sich die andern wieder einer wichti-
gen Unterhaltung zuwandten, „ein paar ist scho' noch da." Sie ging
und holte einen großen Stapel Pappkartons. Was soll mir dieser
Stapel? dachte peterle — aber die Dame stieß alle Gedanken mit
ihren Pappkartons zurück: „Hier, sehn S', des ist der Ausverkaufs-
stiefel, ein ganz gewöhnlicher Stiefel, no, Sie sehn 's ja scho, ein
Stiefel, wie ihn die gna Frau gar net tragen kann!" peterle hatte
noch nichts gesehen, er fand die Stiefel ganz hübsch, aber da waren
sie schon wieder im Karton verschwunden, und ein andres paar erhob
sich in der Hand der jungen Dame funkelnd ins Licht: „Aber dies
hier! Dies ist ein prima Stiefel, elegant, wie der Herr sehen, prima
Arbeit, von feinster Maßarbeit nicht zu unterscheiden. Heben Sie ein-
mal!" Und peterle hob. Er hatte bereits gesehen: das war allerdings
ein anderer Stiesel als der Ausverkaufsstiefel für zehn Mark. Warum
sollte sein Tildchen nicht auch einmal solche Stiefel tragen? Er konnte
ja schließlich zu ihr sagen, sie kosteten zehn Mark fünfzig. „Was kosten
denn diese Stiefel?" fragte peterle. „Fünfunddreißig — aber bedenken
Sie die Qualität!" sagte die Dame rasch, peterle bat demütig, sie
möchte ihm doch noch einmal die Ausverkaufsstiefel zeigen. Sie tat es
mit einer Gebärde, als wollte sie eine verlorene Seele ihres Weges
gehen lassen. „Im Vertrauen, mein Herr, diese Stiefel hasten keine
vier Wochen, dagegen —"

peterles ganze Barschaft waren fünfunddreißig Mark,- denn er hatte
treulich mit Tilde geteilt. Er zog deshalb den Hut von seinen Schweiß-
perlen und sagte: „Entschuldigen Sie, daß ich —" Da traf ihn ein
bedauernder Blick der Dame, und er ging hinaus.

Zu dem Geschäft, in dem die hübsche Wollweste ausgestellt war,
die Tilde sich wünschte, ging peterle schon langsamer. Er fiel also unter-
wegs nicht hin. Aber vor dem Schaufenster siel er beinahe hin: an
der schönen Wollweste, die sie beide nach wochenlangem Suchen unter
hundertWollwesten herausgcfunden hatten als die schönste und billigste,
an dieser selben Wollweste stand ein ganz anderer Preis, ein Preis, der
in peterles Geldtasche krampfhafte Zuckungen erregte. Er trat in den
Laden. „Ack, bitte schön," fragte er, „ist nicht die dunkelgrüne Woll-
weste, die Sie im Fenster liegen haben, dieselbe, die schon vor drei
Wochen darin lag?" — „Ganz ähnlich, mein Herr, Sie haben sehr
fein beobachtet. Es ist nur eine neuere Sendung, eine feinere Quali-
tät." — „Aber der Preis ist doch erheblich verändert", ermannte sich
peterle zu sagen. „Bedaure sehr-"

Oh, peterle bedauerte mehr als sehr! Tilde, seine liebe kleine Tilde
sollte er am ersten Weihnachtsabend enttäuschen! Hätte er doch vier-
zehn Tage früher —! Za, früher, da war das ja Geld nicht da gewesen.

Er setzte sich kn Trab, lies, sprang —: daß nur noch die Lampe da
war, die sie im Laden des Alrhändlers entdeckt hatten! peterles Herz
zitterte, als er uin die Ecke bog und in das Fenster spähte — wie?
nicht? nicht mehr da? Die kleine Türglocke zirpte höhnisch. „Die
Lampe — guten Abend — ist die Lampe nicht mehr da, die vorgestern
»och dort an der Decke hing?" — „Vor einer halben Stunde ist sie
verkauft worden. Aber ich habe ja viele scheene Sach'n dahier. Be-
lieben der Herr sich umzuschau'n!"

Was halfen peterle die vielen andren schönen Sachen! Hatte er
nicht Tilde versprochen, nur das Bestimmte zu kaufen! Und alles,
k was er hier im Laden sah, wäre wirklich Verschwendung gewesen.

Er ging hinaus. Er drängte sich durch die wimmelnden Menschen-
mengen zum Odeonsplah: Tilde beichten (oh, was würde sie sagen,
sie, die zum vorigen Weihnachtsfest noch von der nun dahingegangenen
Mutter reich beschenkt worden war, sie, die während der ganzen Wochen
auf die drei Sachen eine kleine Anzahlung hatte leisten wollen, für die
nie das Geld beisammen war!) und mit ihr neue praktische Dinge suchen!

Sie war nicht da. peterle wartete, sie kam nicht. Da ging er
schnellen Schrittes wieder fort und freute sich fast, nun selber etwas

Heut kommt es mit Motor und Propellcr,
s geht Ich ne Iler.

Aher ihr aIIc in Süden und Norden,

Ach h'Ag euch: Sind wir glücklicher geworden!

Spieler


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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das Weihnachtsgeschenk"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Pfeiffer, Reinhold
Entstehungsdatum
um 1925
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1930
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 163.1925, Nr. 4195, S. 306_307

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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