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|f ustige Wettchronik

Polln, der holländische Hungerkünstler, hatte sich wieder ein-
mal in den Glaskasten begeben, um seinen eigenen Hunger-
rekord von 28 Tagen zu brechen. Tag und Nacht wurde der fastende
Mann von einer zahlreichen Menge bewundert und kontrolliert/ da
kamen zwei Spaßvögel auf den Gedanken, die asketische Kraft dieses
neuen Antonius zu prüfen. Sie verabredeten sich, vor seinem Glas-
haus eine Tafel voll gebratener Tauben, Spanferkel und sonstiger
Lieblichkeiten aufzubauen und daran ein Wettessen auszuführen. Die
Wette kam aber nicht zum Austrag/ denn ehe die beiden Schäkel-
Messer und Gabel ansehen konnten, ging ein Glassplitterregen über
der Tafel nieder: polly hatte einen Tobsuchtsanfall bekommen und
die Glaswand durchbrochen. — Mehrere untere deutsche Beamte sollen
polly eine Herausforderung geschickt haben,- sie haben sich vor den
Glasscheiben der Delikateßläden auf den Weltrekord vorbereitet.

Ein seltsamer Sportsmann trieb sich vor kurzem aus einem Post-
scheckamt in Berlin herum. Der junge Mann ging ständig mit einer
Turnkeule auf und ab und beobachtete alle Boten, die Geld erhoben,
mit einer Aufmerksamkeit, die einem Sportsmann alle Ehre machte.
Wenn ein Bote mit einer wohlgesüllten Geldtasche sortging, folgte er
ihm, wobei ihn der Anblick der Tasche besonders munter zu stimmen
schien, denn seine Keule kam in lebhafte Schwingungen. Diese wurden
schließlich in einem Falle so heftig, daß die Polizei cinschreiten mußte.
Er gab an, die Keule stets zu turnerischen Llbungen bei sich getragen
zu haben,- er sei ein lebhafter Anhänger der Körperkultur. Sonderbar,
daß er sick das Postscheckamt zum Turnplat, ausgesucht hatte!

Pm letzten Juli hatte Miß Eorderey, eine junge Engländerin, zwei
sensationelle Automobilrennen durch ein Maß von Kaltblütigkeit ge-
wonnen, das überall angestaunt wurde. Dieser Tage nun fand im
Königlichen Automobilklub zu London ein Essen statt, zu dem Miß
Eorderey als Ehrengast geladen war. Beim Eintritt in den Saal -
sie kam etwas zu spät, und man war bereits an der Tafel versammelt -
erlitt die Dame einen kleinen Nervenschock. Allgemeines Erstaunen
und Rätselraten! — Später, während des Diners, bekannte die Dame,
sie sei bei ihrem stärksten Rennen nie so nervös geworden wie in dem
Augenblick, als sie den Saal betrat und zu ihrer Überraschung nicht
eine einzige Dame sondern 199 Herren erblickte! Srea«,ncwcr

Oer Backfifch von früher — und von heute!

Zu meiner Zeit — es find an zwanzig Jahre
Wohl her, daß sich solch liebes, kleines Ding,

Blauäugig, keck, mit langem, blondem Haare
Zum erltenmal in meinem Netze fing.

Ja ja — Sie hören richtig, meine Damen,

Mit wirklich langem, schönem, blondem Haar,

Das dem Gefichtchen ein graziöser Rahmen
lind überdies auch noch „Die Mode" war.

Sie ahnte nichts von einem Bubikopfe,

Las ihre „Marlitt" voller Schwärmerei
Und trug ein blaues Schleifchen in dem Zopfe,

Als ob das alles ganz natürlich fei.

Sie konnte rechts- und links'rum Walzer tanzen
Und Polka — und sogar noch Menuett,

Ging in die Schule mit 'nem Lederranzen

Und trug — o hört und Itaunet — ein Korfett!-

Ach ja — und dann, ich glaube Tramafeide
Für Strümpfe war ihr gänzlich unbekannt.

Auch war der Ausschnitt vorn an ihrem Kleide

Kaum tiefer als zwei Finger breit der Hand.-

Wenn einer diesem lieben, jungen Wesen
Ein wenig schmeichelnd Komplimente bot,

Könnt' man die Freude vom Gesicht ihr lesen.

Sie wurde noch ganz richtiggehend rot! — --

So sah der Backfilch aus vor zwanzig Jahren !-

Wie er sich nun in dieser langen Friss
Verändert hat, wollt ihr wohl gern erfahren:

Gleich zeig' ich ihn euch, wie er heute iss!

Ein wenig „kesser" iss er schon geworden
Und aufgeklärt, — hm — aber nicht zu knapp, —

Er gibt recht gern auch noch den älter'n Leuten
Ein bißchen was von feiner Weisheit ab!

Der Klapperltorch iss ihm ein luftig Tierchen,

Iss es nicht spaßig, wenn man daran denkt.

Daß man fass bis zu feinem sechsten Jahre,

Solch einem Märchen Glauben hat geschenkt? ?-

Es kann ihn keiner mehr am Zopfe ziehen,

Kein Schleifchen gibt's mehr — „Bubikopf iltTrumpf" —

Die kurzen Rödcchen enden an den Knien
Auf einem fpinnwebzarten Seidenftrumpf!

Faul räkelt auf dem Sofa er die Glieder,

Statt des Korsettes den Pyjama an -—

Raucht Zigaretten und lieh hin und wieder
Ein wenig „Ewers" oder „Maupassant".

Will er fich noch im Walzer schwindlig drehen?

I Gott bewahre, — nur beim „Bosson" tritt
Der Kavalier ihm zärtlich auf die Zehen,

Nur noch beim „Tango", „one"= und „twostep"=Schritt!

So war es früher — und so iss es heute,

Und überleg' ich recht, wird's mir nicht klar,

Ob ich mich des modernen Fortschritts freute ~

Ob es nun jetzt, — ob damals — besser war?-

Nur eines könnt' er schon in gleicher Weife

Damals wie heute — wißt ihr, was es iss?-

Habt keine Angft, ich lag' es nur ganz feile :

Er hat — genau — fo gern — wie heut' — geküßt!

Im Flug enteilen all die schönen Jahre,

Die Zeit verwischt uns die Erinnerung,

W i r werden alt und kriegen graue Haare-

Allein der Backfilch — er bleibt ewig jung! — Fritz Kantor

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Lustige Weltchronik"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum (normiert)
1925 - 1925
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 164.1926, Nr. 4198, S. 30

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