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DER AU S VE R KAUE / Von Joachim Toll

33ögUm im grünen Laube, von einein
keimlichen Kusse kinter verschwiege-
nrn Büschen ... ' p

la, das träumte ich, und mein Herz
klopfte laut. Aber aus diesen Träu-
men sollte nichts werden. Das Leben
des Alltags zerstörte meine Idylle,
ebe sie Wirklichkeit geworden waren.

Denn als Thea kain - o, sie sab
wieder entzückend aus! - sagte sic
mit aufgeregter Stimme, im Waren-
hause wäre Ausverkauf, und sic, die
noch jeden Ausverkauf besucht hätte,
würde es sich nie im Leben verzeihen
können, wenn sie diesen versäumte.

Es wurde mir schwarz vor den Augen.

Tb es denn nicht früh genug wäre, ^
wenn sie morgen hinginge? Thea lä- ^

cheltc mitleidig über meine Unwissen
heit'. Alora-»" — "

Ich hatte
mich mor-
gens um
zehn Uhr
mit Thea
verabredet.
sif Wir woll-
ten einen
Spazier-
gang ma-
chen,wenn
das Wetter schön
wäre. Und das
Wetter war
schön. Wahrend
ich auf Thea
wartete, träumte
ich von schattigen
Plätzen im Wal-
de,vonsingenden

Es dauerte eine Stunde, bis wir am Kleiderlager ankamen. Jeden-
falls behauptete Thea, wir wären angelangt. Ich sah aber nichts von
einem Kleiderlager. Ich sah nur Frauen, die, in-, an- und aufeinander
gekeilt, eine vier Meter starke Schlachtreihc bildeten. Thea drang mit
Todesverachtung vor. Es wurde geschimpft. Hüte tanzten zornmütig
auf Bubiköpfen, aber Thea stand am Tresen. Und ich auch.

Ein gigantisches Gebirge von Kleidern türmte sich vor mir aus.
Müde lehnte ich meinen Kopf daran. Ein Lrepe äe Llune-Kleid war
sofort von meinen Schweißtropfen durchnäßt. Es herrschte nämlich eine
äquatoriale Hitze. Ich fühlte es feucht und warm an meinen Beinen
herunterlaufen. Das war der Belag von meinen Brötchen, die ich
für den Spaziergang in die Tasche gesteckt hatte. Er war geschmolzen.

Thea wühlte voll Begeisterung in dem Kleidergebirge, während ich
stocksteif stehen mußte. Un, mich hertnit fuchtelteit Frauen, heiligen
Ernst in den Mienen, und warfen inir, dem einzigen Mann unter
ihnen, wütende Blicke zu. Ich machte inich ganz klein.

Beim 83. Kleide erklärte Thea, daß nichts passendes vorhanden
wäre. Und daß sie versuchen wollte, Kleiderstoff zu bekommen, den
es im dritten Geschoß gäbe.

Wir drängten uns durch die Schlachtreihe zurück, erreichten die

Treppe und waren gegen Mittag an,
Stofflager. Nach unsagbaren Leiden
und Mühsalen. Eine Frau wurde im
Gedränge totgedrückt. Man merkte
es erst, als sie auf der Straße umfiel.
Bis dahin hatte die Menge die Ärmste
gedrängt, ohne daß sie hätte zu Boden
sinken können.

Im Stofflager bedienten junge
Damen. Das war mir sympathisch.
Ich hielt d i e Stoffe für die schönsten,
die im höchsten Fach lagen. Dann
holten die Berkäufcrinnen Leitern
und kletterten hinauf. Das war sehr

Morgen uu nrcyrs meyr oa, ;

ker käme h rIa^ ausverkauft. Du-
rch £uf( , Fch *>er Name. Aber wenn
Lust, ^nnte ich sie begleiten. - Ich hatte eigentlich gar keine

imWuld^ #tet lieber mit Thea hinter die verschwiegenen Büsche
Nlarciw " saugen. .. Aber noch rechtzeitig fiel mir ein, daß Theo
leiter wa '«f ^ gefährlichster Nebenbuhler, imWarenhause Abteilungs-
sah, betnwc* würde natürlich Thea, die wirklich ganz entzückend aus-
siechen ^üüaus unterstützen, sich unentbehrlich machen und mich aus-
-ln, W "^s: Ich mußte sie begleiten.

Kaupten ^/"^aus herrschte jenes Gewühl, von dem erfahrene Leute de-
ich wieder ^^ei ihm kein Apfel zu Boden fallen könnte. Am liebsten wäre
Thea ""!?°kehrt, nur der Gedanke an TheoMarengo hielt mich zurück.
Preise,, den zweiten Stock. Dort gab es fertige Kleider zu

de,, Sch ft ^Est den für Evas erstes Kleid, das Feigenblatt, weit in
Theas j--!!! Hellen sollten. Wir kämpften uns bis zur Treppe vor.

leo„, we^'^^ aerriet eiserne Entschlossenheit. Sie sah aus wie Napo-
Der A nJv. ciae Schlacht gewinnen wollte,
war ein b begann. Der Versuch der Mount Everest-Besteigung
Putern»^ ^guemer Spaziergang im Verhältnis zu den Qualen unseres
Tasl^ens.

fcf)nellei'Cn wurden mir ins Kreuz gedrückt. Ich sollte

und ich ft,' Don vorne schnellte mir eine Korsettstange ins Gesicht,
Frechheit gültigst nicht so unverschämt drängeln, es wäre eine

von link Arme konnte ich nicht bewegen. Sie wurden mir

Borschr a UnÖ r.ec^,tg M* an den Leib gepreßt. Eine trotz polizeilicher
' ungeschützte Hutnadel drang mir in den reckten Bizeps.

unterhaltend,
und ich er-
holte mick ein
wenig.

Da ich nun
Hunger be-
kommen hatte,
aß ich meine

Brötchen.
Sie waren
so warm, als

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Ausverkauf"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Pfeiffer, Reinhold
Entstehungsdatum
um 1926
Entstehungsdatum (normiert)
1921 - 1931
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 164.1926, Nr. 4198, S. 31

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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