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Wahrscheinlich

„Wie schau'n denn Sie auch Herr Rettich? Die eine Backe ganz geschwollen? Zahnschmerzen?"
„Zahnschmerzen keine Spur. Ich glaube, das macht die einseitige Ernährung."

Anekdote

Der Fürst von Sch.-L. machte eine Rundfahrt
durch sein Ländchen und kam dabei durch ein Dorf,
in dem, wie man ihm gesagt hatte, der älteste
Mann des Landes wohnen sollte. Unter den De-
putierten, die zur Begrüßung vor dem Rathaus
standen, befand sich denn auch ein rüstiger Alter,
der mehr als hundert Jahre alt sein mochte. Leut-
selig wandte sich der Fürst an ihn und fragte:
„Nun, wie alt sind Sie denn?"

„Hundertundzwei Fahr, Durchlaucht", war die
Antwort.

„Und wie haben Sie das fertiggebracht?"

„Ich habe immer tüchtig gearbeitet, bin früh
zu Bett gegangen und früh wieder aufgestanden
und habe überhaupt ein mäßiges Leben geführt."

„Gewiß haben Sie auch den Alkohol völlig
gemieden?" fragte der Fürst interessiert, weil er
ein eifriger Anhänger der Abstinenzbewegung war.

„Ja, das Hab' ich", antwortete der Alte.

„Da sehen Sie, wie man der älteste Mann
eines Landes wird, meine Herren!" wandte sich
der Fürst an sein Gefolge und wollte weitergehen.

Aber da sagte der Alte: „Der Alteste bin ich
ja nicht, Durchlaucht,- sondern das ist mein Bru-
der,- der ist hundertundsechs Jahre alt."

„Bringen Sie ihn her! Es interessiert mich,
auch ihn zu sehen!" sagte der Fürst.

Da kratzte sich der Alte hinterm Ohr und mur-
melte verlegen: „Ja, Durchlaucht, das ist schwer.
Der sitzt im Wirtshaus und ist um diese Zeit immer
schon betrunken." _s.

Trockengelegte Lyrik

Die wirtschaftliche Umwälzung einer „Trockenlegung" wirkt natürlich auch
auf die Literatur zurück. Die himmlischen Dichter, die sich ihren Nektar auch
nicht gerne durch Ehabeso ersehen lassen möchten, haben mir gestattet, an
einigen ihrer Weinlieder einige zeitgemäße Änderungen anzubringen. Hier
ein paar Proben meiner Entalkoholisierung:

Goethes „Trinklied" enthält jetzt, beispielsweise, die folgende Strophe:

Es perlt im Pokale das Himbeer-Gebräu,

Ihr Mutigen — ergo bibamus,

Und zecht wer iin Becher die Milch gern --- eheu! —

Von mir aus, Freund — prosit! Bibamus.

Doch schafft Euch der Schieber zu löblichem Tausch
Statt Bieres den Schnaps her in Bogen und Bausch.

Dann kriegt Ihr 'nen pfund'gen „Enthaltsamkeits-Rausch",

Drum Brüderchen: Ergo bibamus.

Wogegen Goethes „Tischlied" jetzt also anhebt:

Mich ergreift - ich weiß nicht, wie - Doch man bringt nur „Brause" her.
Furchtbar Langeweile Himmlisches Behagen,

Und ein Ubelkeitsgefühl. geht mit einem Männerfluch

Kognak, daß es heile_! Auf den Tisch zu schlagen!

Das schöne „Rheinlied" des großen Lyrikers Claudius, der seinem
Daterlande nahelegt, den guten deutschen Wein zu trinken, beginnt nun
also:

Bekränzt mit Laub den eh'mals vollen Becher
Und trinkt ihn nimmer leer.

In ganz Germanien, Ihr Herren Zecher,

Gibt's ja kein' Wein nicht mehr.

Mit besonderer Wehmut blickt unser alter Vater Scheffel vom Olymp
aufdas trockengelegte Deutschland. Er hat mich ermächtigt, seinen „ S ch w a rz e n
W a lfksch" zeitgemäß zu „reinigen":

Im Schwarzen Walfisch zu Askalon,
Da trank ein Mann drei Tag',
Ohn' daß er steif wie ein Besenstiel
Am Marmortische lag.

Im Schwarzen Walfisch zu Askalon—
Was trank drei Tag' der Mann?
Es brachte ihm der Kellner Schar
Nur Sauerbrunnen 'ran.

Im Schwarzen Walfisch zu Askalon
Hat etwa ungeniert
Sich dort einMann der „Hungerkunst"
Zum Fasten einquartiert?

Im Schwarzen Walfisch zu Askalon,
So endet unsre Mär,

Da schwamm ein armer Mann davon
Im Sauerbrunnen-Meer.

Im Schwarzen Walfisch zu Askalon
Ward, so Euch einer frägt.

Das Trockenlegungs-Opfer nun
Erst richtig — trockengelegt_

Soweit bin ich mit dem Nachdichten gekommen, da stieß ich in meinem
Purgierungs-Cifer auf einen furchtbar ernsten Vers Goethes, der von völlig
alkoholfreien Räuschen spricht. Er lautet:

„Trunken müssen wir alle sein,-
Iugend ist Trunkenheit ohne Wein".

Herrgott, was tut der sorgende Jpirt,

Wenn Jugend von — Selters schon trunken wird?

Da gibt es nur eines, Ihr Milch-Patrioten:

Es werd' nach dem Wein auch die — Jugend verboten. . . Ri-Ri

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Bildbeschreibung

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Titel/Objekt
"Wahrscheinlich"
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Winkler, Rolf
Entstehungsdatum
um 1926
Entstehungsdatum (normiert)
1921 - 1931
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 164.1926, Nr. 4216, S. 250

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