Meine Frau hatte sich einen neuen Hut gekauft. Riesig stolz kam
sie in mein Zimmer, um ihn mir zu zeigen, gerade als ich auf dem
Sofa lag und sehr intensiv arbeitete.
„Ist er nicht reizend?"
meinte sie, indem sie mich
mit kokettem Augen-
aufschlag anblickte.
„Wirklich sehr nett",
mußte ich bestätigen,
denn der kleine Hut stand
ihr tatsächlich allerliebst.
„Und nun rate mal,
was er kostet?"
Bei diesen Worten
sank mir das Herz plötz-
lich tief in die Hosen,
als ob es meinem Geld-
beutel, der sich in mei-
ner Tasche zusammen-
krampste, zu Hilfe eilen
wollte. Aber mannhast
raffte ich mich auf und,
um meine innere Angst
zu übertönen, sagte ich
mit rollender Stimme ä la Mussolini: „Mindestens 20 Mark."
Ein silbernes Lachen war die Antwort. „Ganz fehlgeschossen, mein
Lieber, er kostet nur 4,95 Mark."
Während mein Herz erleichtert wieder nach oben stieg und die
Zuckungen des Geldbeutels sich legten, umarmte ich meine Frau voller
Stolz, daß sie so geschickt Geschmack und Billigkeit zu vereinigen verstand.
„Morgen," sagte sie dann, „fahren wir zusammen in die Stadt
und dazu setze ich natürlich meinen neuen Hut auf. So können wir
ihn dann gemeinsam einweihen."
Als wir am nächsten Tage in die Trambahn stiegen, faßte mich
meine Frau plötzlich am Arme.
„Sieh mal, wie nett, die Dame da hat genau den gleichen Hut
auf wie ich. Ist er nicht süß?"
Tatsächlich, es war genau der gleiche reizende Seidenhut, die
Krempe vorn leicht aufgeschlagen und init schmalem Goldstreifcn ver-
ziert. Bur die Farbe erschien mir etwas dunkler. Die Trägerin, eine
reichlich dimensionierte Dame, gefiel mir dagegen weit weniger.
Meine Frau war in bester Stimmung und plauderte unaufhörlich.
Am Odeonsplah stiegen wir aus. Gerade, als wir uns trennen wollten —
ich hatte einige Besuche zu erledigen, während nieine Frau Einkäufe
machen wollte - meinte ffe plötzlich ziemlich kühl: „Wie können denn
Damen in diesen Jahren so geschmacklos sein und so jugendliche Hüte
tragen! Sieht das nicht einfach scheußlich aus?"
Ich blickte auf. Zwei keineswegs mehr junge Damen mit auffallend
frisch bemalten Gesich-
tern und reichlich kurzen
Röcken gingen gerade
vorüber.Zu meinem gro-
ßen Erstaunen trugen
beide den gleichen feschen
Hut wie meine Frau.
Etwas kleinlaut trenn-
ten wir uns und verab-
redeten uns zumMittag-
essen in einer Gaststätte.
Bach Erledigung mei-
ner Besuche traf ich
pünktlich dort ein. Es
war ziemlich besetzt, doch
bekam ich noch einen
kleinen freien Tisch.
Meine Frau war noch nicht da. Bach einer Viertelstunde erschien sie.
Mir fiel sofort ihr gedrücktes Wesen auf,- ihre zusammengcprcßl en L ippen
deuteten auf große Erregung.
„Denke doch nur," begann sie in aufgeregtem Tone, „vor einer
Stunde traf ich wieder eine Dame mit dem gleichen Hute und vorhin
zwei andere ebenfalls damit. Ich glaube, ganz München trägt diesen
Hut." Mit weinerlicher Stimme fuhr sie fort: „Meine Freude an dem
netten Hut wird mir verdorben, wenn-*
Sie brach plötzlich ab und blickte mit weit aufgerissenen starren Augen
zum Bebentisch binüber. Dort saß eine lustige Gesellschaft junger Her-
ren und Damen, denen
es anscheinend nicht an
Stimmung fehlte. Sie
blickten verstohlenzu uns
herüber, um dann laut
aufzulachen. Beim ge-
naueren Hinsehen er-
blaßte ich,- drei der Da-
men trugen den gleichen
Hut wie meine Frau,
was anscheinend auch
die Ursache ihrer Heiter-
keit war.
„Laß uns heimge-
hen," sagte meine Frau
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sie in mein Zimmer, um ihn mir zu zeigen, gerade als ich auf dem
Sofa lag und sehr intensiv arbeitete.
„Ist er nicht reizend?"
meinte sie, indem sie mich
mit kokettem Augen-
aufschlag anblickte.
„Wirklich sehr nett",
mußte ich bestätigen,
denn der kleine Hut stand
ihr tatsächlich allerliebst.
„Und nun rate mal,
was er kostet?"
Bei diesen Worten
sank mir das Herz plötz-
lich tief in die Hosen,
als ob es meinem Geld-
beutel, der sich in mei-
ner Tasche zusammen-
krampste, zu Hilfe eilen
wollte. Aber mannhast
raffte ich mich auf und,
um meine innere Angst
zu übertönen, sagte ich
mit rollender Stimme ä la Mussolini: „Mindestens 20 Mark."
Ein silbernes Lachen war die Antwort. „Ganz fehlgeschossen, mein
Lieber, er kostet nur 4,95 Mark."
Während mein Herz erleichtert wieder nach oben stieg und die
Zuckungen des Geldbeutels sich legten, umarmte ich meine Frau voller
Stolz, daß sie so geschickt Geschmack und Billigkeit zu vereinigen verstand.
„Morgen," sagte sie dann, „fahren wir zusammen in die Stadt
und dazu setze ich natürlich meinen neuen Hut auf. So können wir
ihn dann gemeinsam einweihen."
Als wir am nächsten Tage in die Trambahn stiegen, faßte mich
meine Frau plötzlich am Arme.
„Sieh mal, wie nett, die Dame da hat genau den gleichen Hut
auf wie ich. Ist er nicht süß?"
Tatsächlich, es war genau der gleiche reizende Seidenhut, die
Krempe vorn leicht aufgeschlagen und init schmalem Goldstreifcn ver-
ziert. Bur die Farbe erschien mir etwas dunkler. Die Trägerin, eine
reichlich dimensionierte Dame, gefiel mir dagegen weit weniger.
Meine Frau war in bester Stimmung und plauderte unaufhörlich.
Am Odeonsplah stiegen wir aus. Gerade, als wir uns trennen wollten —
ich hatte einige Besuche zu erledigen, während nieine Frau Einkäufe
machen wollte - meinte ffe plötzlich ziemlich kühl: „Wie können denn
Damen in diesen Jahren so geschmacklos sein und so jugendliche Hüte
tragen! Sieht das nicht einfach scheußlich aus?"
Ich blickte auf. Zwei keineswegs mehr junge Damen mit auffallend
frisch bemalten Gesich-
tern und reichlich kurzen
Röcken gingen gerade
vorüber.Zu meinem gro-
ßen Erstaunen trugen
beide den gleichen feschen
Hut wie meine Frau.
Etwas kleinlaut trenn-
ten wir uns und verab-
redeten uns zumMittag-
essen in einer Gaststätte.
Bach Erledigung mei-
ner Besuche traf ich
pünktlich dort ein. Es
war ziemlich besetzt, doch
bekam ich noch einen
kleinen freien Tisch.
Meine Frau war noch nicht da. Bach einer Viertelstunde erschien sie.
Mir fiel sofort ihr gedrücktes Wesen auf,- ihre zusammengcprcßl en L ippen
deuteten auf große Erregung.
„Denke doch nur," begann sie in aufgeregtem Tone, „vor einer
Stunde traf ich wieder eine Dame mit dem gleichen Hute und vorhin
zwei andere ebenfalls damit. Ich glaube, ganz München trägt diesen
Hut." Mit weinerlicher Stimme fuhr sie fort: „Meine Freude an dem
netten Hut wird mir verdorben, wenn-*
Sie brach plötzlich ab und blickte mit weit aufgerissenen starren Augen
zum Bebentisch binüber. Dort saß eine lustige Gesellschaft junger Her-
ren und Damen, denen
es anscheinend nicht an
Stimmung fehlte. Sie
blickten verstohlenzu uns
herüber, um dann laut
aufzulachen. Beim ge-
naueren Hinsehen er-
blaßte ich,- drei der Da-
men trugen den gleichen
Hut wie meine Frau,
was anscheinend auch
die Ursache ihrer Heiter-
keit war.
„Laß uns heimge-
hen," sagte meine Frau
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der neue Hut"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1926
Entstehungsdatum (normiert)
1921 - 1931
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 164.1926, Nr. 4219, S. 283
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg