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DER PREISZETTEI

-j

V <> n Eusebius Pfefferkopf

Ja, also da wollte ich mich verloben. Nun brauchte ich dazu eine
neue Unterhose.

Ob die Unterhose zur Verlobung gehört, fragen Sie?

Aber selbstverständlich, sonst würde ich doch diese Tatsache nicht
in diesem Zusammenhang berichten.

Warum ich eine neue Unterhose brauchte? Das sollten Sie wiffen,
Sie sind ja selberJunggeselle. Aber ich willJhnen den Grund erklären:

Ich habe eine
Menge Wäsche,
wie jeder lieder-
licheJunggeselle.
Bekanntlich sind
bei der Wäsche
alle Knöpfe mit
derheißen Nadel
angenäht, und
meist springen sie
schon am zweiten
Tage ab,nament-
lich, wenn man
abends seine
Taillenweite mit
ein paar Litern
MünchenerBier
um einige Zenti-
meter bereichert.

Und dann sind
die Unterhosen
unbrauchbar;
selbst näht man

die Knopfe nicht an, die Wäscherin tuts auch nicht, also kauft man
eine neue Unterhose, immer feste druff neues Zeug, und das sammelt
sich an wie die Beschwerden bei einem Reichsministerium. Jedesmal
kauft man nur ein Stück, weil man zu faul ist, sich mit einem großen
Paket zu schleppen, und etwa ein halbes Dutzend sich ins Hauö schicken
zu lassen, geht auch nicht, denn man braucht die Unterhose sofort,
und so lebt man von der Hand in den Mund — das Bild stimmt
wohl in bezug auf die Körperteile nicht ganz - also kurz und gut,
man hat nie Vorrat, und wenn nial was paffiert, dann steht man
da, sozusagen als Sanseoulotte.

Ich fahre also dorthin,wo die junge Dame wohnt -

WaS das mit den Unterhosenknöpfen zu tun hat? . . .

Aber Menschenskind, ich rede doch dauernd davon, daß ich mich
verloben wollte. Unterbrechen Sie mich doch nicht immerzu!

Item, ich fuhr nach der
Stadt, und der Zug hatte
eine» Speisewagen. Dort
trank ich eine Flasche Bier.

Und nach einem besonders
tiefen und schönen Schluck
fühlte ich plötzlich - wie ge-
sagtes war der letzte Knopf.

Das vermaledeite Klei-
dungsstück rutschte natürlich
runter und klemmte sich fest;
es war, als ob man einem
Frosch die Haut abzöge.

Ich schwitzte Blut, Waffer
und Münchener Bier, und
ging mit Schritten, wie ein
Mann, der Hüftgelenkent-
zündung hat oder ein ram-
poniertes Rückenmark —
schreckliche Situation, sage

ich Ihnen! -
aber endlich war
ich abends im
Hotel.

In der Nacht
schlief ich schlecht.

Ich träumte,
daß ich in man-
gelhafterBeklei-
dung durch die
Straßen ging.

In der Hand
trug ich einen
Blumenstrauß,
an dem ich aber
nicht zu riechen
wagte, weil ein
junges Krokodil
darin seinenRa-
chen aufsperrte,

und der Chauffeur wollte mich nicht in sein Auto nehmen, weil ich
barfuß war und mir die Beinkleider mit Reißnägeln am Bauch be-
festigt hatte.

„Wenn Sie nicht mal Geld zu Stiebeln und Hosenträgern haben,
brauchen Sie nicht Auto zu fahren!" schrie er und griff nach seiner
Tariftabelle, um mir damit die Ohren abzuschneiden.

Ich entflob und ging nacb der Vorortbahn. Dort war ein furcht-
bares Gedränge, und die
Leute pufften sich, als
stände» sie im Borring,
und gerade als das Kom-
mando ertönte: „Fä - ch
.... Ebfäh" (soll heißen:
„Fertig, abfahren!"),
stieß mich ein Zeitgenoffe
mit dem Kopf durch die
Fensterscheibe....

Und davon erwachte
ich-nichtschweißgebadet,
wie es so schön in den
Romanen heißt, sondern
mitklapperndemGebein,
denn mir war die Bett-
decke auf die Erde ge-
kuscht, das Fenster stand
offen und das Thermometer zeigte l 2 Grad Kälte.

Mit unmanierlichen Redensarten und unter melodischemKlappern
meines kostspieligen GebiffeS stand ich auf und zog mich an. Kaufte
mir in der Nähe eine Unterhose, ging ins Hotel zurück, zog das ver-
hängnisvolle Kleidungsstück an, sah nach der Uhr, bekam einen Schreck,
raste die Treppe herab, verlor einen Stiefelabsatz, sauste ins Zimmer
hinauf, zog andere Schuhe an, sauste die Treppe hinunter, stolperte
im Vestibül über den Teppich, zerbrach den Klemmer, Treppe rauf,
Ersatzklemmer geholt, Treppe herunter, Auto gerufen, eingestiegen,
nach zwei Kilometern festgestellt, daß die Brieftasche auf dem Nacht-
tisch lag, umgekehrt, Treppe rauf, Brieftasche geholt, Treppe runter,
abgefahren, — aus.

Als ich in der Konditorei ankam, in der ich mich mit der jungen
Dame verabredet hatte, faß statt einer sanften Blondine dort eine
feuerspeiende Rachegöttin. Sie zog mit provozierenden Bewegungen
die Uhr und erklärte, daß sie nur zehn Minuten Zeit hätte und gleich
wieder nach Hause müßte. Und dabei hatte sie mir noch vor drei Tagen
geschrieben, daß wir den ganzen Nachmittag zusammen sein können.

Ich knickte zusammen und dachte in demselben Augenblick daran,
daß ich in der Eile vergeffen hatte, ihr Blumen mitzubringen. Aber

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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Preiszettel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Neu, Paul
Entstehungsdatum
um 1926
Entstehungsdatum (normiert)
1921 - 1931
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 165.1926, Nr. 4226, S. 58

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