Das Debüt
Die Mittagssonne schien prall auf das Gärtchen. Jeden Augenblick er-
warteten die Mitglieder der kleinen Arbeitsgemeinschaft, die fast familiären
Charakter trug, zum Lunch gerufen zu werden. Sie promenierten ein wenig,
sofern sie nicht noch dringende Arbeit zu erledigen hatten.
Versorger und zugleich Nutznießer der Kolonie war ein Arzt, der die be-
nachbarte Villa bewohnte.
Als Leiter der Siedelung galt Adelberk, eine hervorragende Erscheinung,
stattlich, jugendlich und vornehm, mit klugem Kopf und etwas scharfem Profil.
Mit Stolz trug er eine Art Fez und die gleichfarbige flatternde Krawatte.
Ohne diese beiden Abzeichen wäre er unmöglich gewesen. Nie sah man ihn
anders als in tadellosem Schwarz, was die Würde seines Äußeren noch
unterstrich. Doch barg er in seinem scheinbar so kühlen Busen den Vesuv
und konnte zuzeiten leidenschaftlich sein bis zum Exzeß. Man hatte versucht,
ihm zur Unterstützung einen Hilfsleiter beizugeben. Doch stand man der
täglichen Reibereien wegen, die Adelberts selbstbewußtes Wesen hervorrkef,
wieder davon ab.
Beim zarten Geschlecht hatte er fast sprichwörtliches Glück.
Er dankte dies nicht zuletzt seiner Stimme, einem Tenor von ziemlicher Be-
deutung.
Drei rassige junge Italienerinnen, die dem Verband eingegliedert waren,
hielten sich jetzt eben wieder dicht in seiner Nähe, buhlten sichtlich um seine
Gunst und suchten durch überlautes Geschwätz seine Aufmerksamkeit zu er-
regen. Er, dem sonst ritterliche Art nicht abzusprechen war, befand sich nicht
in der Stimmung, mit ihnen zu scherzen, sondern fuhr sie heftig an und
richtete dann sein umfiortes Auge auf ein Häuschen, das mitten im Grün
stand und den weiblichen Mitgliedern der Gemeinschaft als Arbeitsstätte zu-
gewiesen war, verschwand dann selbst darin, um nach einerWeile mit bekümmer-
tem Ausdruck wieder in den Sonnenschein herauszutreten.
In mißfarbkges Braun gekleidet, ging eben Mathilde mit gesenktem Kopfe,
fortwährend eintönige leise Klagelaute ausstoßend, an ihm vorüber. Man
durste sie wohl als harmlos schwachsinnig bezeichnen. Eine zunehmende Kahl-
heit machte sie nicht anziehender. Adelbert, dem sie durch ihr larmoyantes
Wesen stark auf die Nerven fiel, hielt sich dennoch für verpflichtet, ihr einige
Artigkeiten zu sagen. Betreute sie doch die Sprößlinge, die sie ab und zu
von ihm hatte, mit rührender Hingabe. Aber seine Freundlichkeit bewirkte
wie immer nur, daß sie sich noch hemmungsloser ihrem nie aufgeklärten
Jammer hingab.
Frisch und robust trat jetzt Aline aus dem Häuschen. Sie kannte keine
Abspannung. Rasch tat sie ihre Arbeit, die sich durch peinliche Sauberkeit
und gute Form auszekchnete. Mit großem Stimmaufwand signalisierte sie
das Ergebnis ihres Fleißes zu Adelbert hinüber. Es riß ihn ein wenig aus
seiner trüben Laune, ja, er quittierte geschmeichelt mit einer seiner beliebten
Arien, was die sehr musikalischen Italienerinnen deren Stakkato besonders
gut ausgebildet war, zu lautem Entzücken hinriß, das kn einem Terzett gipfelte.
In besagtem Häuschen saß allein noch Gundula. Sie war tizianblond,
blutjung und von großem Liebreiz, Adelberts Geliebte, sein Weib und zu-
gleich seine Tochter — die Familienverhältnisse waren verworren.
Gundula stöhnte verzweifelt. Langweilig und sinnlos erschien ihr dieses
resultatlose Sitzen. Ja, wenn noch etwas dabei herausgekommen wäre! Sie
schämte sich vor Adelbert. Eben, als1 sie sich erheben wollte, war er, wie oft
schon, hereingetreten, sie zu beschwören, doch noch auszuhalten. Immer noch
tat er dies in taktvoller Weise, und doch — o, sie merkte es wohl — schwang
schon ein Unterton in seiner Stimme mit, der wie Härte klang, wie Zweifel
an ihrem guten Willen.
Aber jetzt konnte sie einfach nicht mehr. Der Krampf in ihren Beinen
verstärkte sich bis zur Unerträglichkeit, von ihrem armen Rücken gar nicht zu
reden. Sie erhob sich taumelnd, suchte durch leichtes Schütteln die zierlichen
Gelbbestrumpsten wieder ins Leben zurückzurufen, schwankte noch ein bißchen
und wollte eben dem etwas muffigen Lokale entfliehen, als Adelbert in seiner
dunklen Schönheit schon wieder vor ihr stand. Er warf einen diskreten Blick
auf ihren verlassenen Platz und dann einen stark mißbilligenden auf sie selbst,
so daß sie, die sich keiner Schuld bewußt war, sich gekränkt abwendete und
zum Lunch ging, der eben in schlichtester Form serviert ward.
Adelbert war vor Enttäuschung nicht imstande, etwas zu genießen. Er
probierte seine Stimme, setzte vor Aufregung falsch ein und tremollerte stark.
Dann versank er in Nachdenken und beschloß ernstlich, seine Sorge um das
geliebte, ahnungslose, gefährdete Wesen in das Gewand der Strenge, ja der
Brutalität zu hüllen. Ob Lässigkeit oder Unfähigkeit vorlag, würde sich dann
erweisen. Jedenfalls sollte sie das traurige Los Suschens und Belindes,
die am gleichen fatalen Mangel zugrunde gegangen waren, nicht teilen.
Suschen, eine zierliche Brünette, war plötzlich vermißt worden. Sie suchend
entdeckte er bei der benachbarten Villa Blutspuren, die sich über einige
Stufen hinaufzogen. Das Schlimmste ahnend, folgte er ihnen und sah durch
eine offene Tür Suschen tot in ungewohnter Rückenlage hkngebreitet, immer
noch anmutig und mit friedlichem Ausdruck. Wehmütig berührt, entfernte
er sich still, tröstete sich indessen rasch, wie es in seiner Natur lag.
Belindes Hinscheiden erschütterte ihn heftiger. Diese stattliche Blondine
war eines Abends gleichfalls abgängig gewesen. Am Morgen zogen ihn
wieder Blutspuren bis zu der bewußten Türe ihr nach. Von Grauen geschüttelt,
sah er den nackten, bereits sezierten Leichnam der nunmehr verflossenen Ge-
liebten liegen. Der Leib wies eine klaffende Höhle auf,-ihr schöner Kopf, seines
natürlichen Schmuckes beraubt, hing klein und dürftig, bis zur Unkenntlich-
keit entstellt, zur Seite herab. Sogar die Hühneraugen hatte man entfernt.
Belindes Reste machten übrigens einen feisten Eindruck,- nie hätte er bei ihr
soviel Fett vermutet. Gebrochen und zugleich leicht angewidert, entfloh er
und warf bald darauf seine Augen hauptsächlich auf die heranblühende
Gundula.
Eines Tages hörten Or. Müllers, die gerade beim Mittagbrote saßen,
im Gärtchen einen entsetzlichen Lärm.
„Mein Himmel," rief Frau Doktor, „was ist denn drüben los? Seht
schnell mal zu, Kinder!"
Diese stürmten hinaus, um bald darauf etwas Weißes auf einem Huf-
lattichblatte hereinzubringen.
„Muttchen, Mutti, guck' mal das schöne Ei! Gundula hat ihr erstes Ei
gelegt! Und so groß, ganz warm, fühle mal! Und hier klebt bißchen Blut!"
„Das arme Vieh", sagte die Mutter nachdenklich.
„Aber Muttchen, gelt, jetzt wird sie nicht geschlachtet?"
„Nein, nein, Kinder, ich werde doch keine junge Legehenne schlachten."
„Eigentlich schade," bemerkte der Vater roh, „ich hätte gern mal wieder
ein Huhn im Topfe gehabt!"
Und draußen mischten sich Adelberts Triumphgesänge mit der sieghaft
jauchzenden Stimme Gundulas. Lieg
CREME MOUSON
Macht trockene, rauhe Haut in wenigen Stunden sammetweich geschmeidig
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Die Mittagssonne schien prall auf das Gärtchen. Jeden Augenblick er-
warteten die Mitglieder der kleinen Arbeitsgemeinschaft, die fast familiären
Charakter trug, zum Lunch gerufen zu werden. Sie promenierten ein wenig,
sofern sie nicht noch dringende Arbeit zu erledigen hatten.
Versorger und zugleich Nutznießer der Kolonie war ein Arzt, der die be-
nachbarte Villa bewohnte.
Als Leiter der Siedelung galt Adelberk, eine hervorragende Erscheinung,
stattlich, jugendlich und vornehm, mit klugem Kopf und etwas scharfem Profil.
Mit Stolz trug er eine Art Fez und die gleichfarbige flatternde Krawatte.
Ohne diese beiden Abzeichen wäre er unmöglich gewesen. Nie sah man ihn
anders als in tadellosem Schwarz, was die Würde seines Äußeren noch
unterstrich. Doch barg er in seinem scheinbar so kühlen Busen den Vesuv
und konnte zuzeiten leidenschaftlich sein bis zum Exzeß. Man hatte versucht,
ihm zur Unterstützung einen Hilfsleiter beizugeben. Doch stand man der
täglichen Reibereien wegen, die Adelberts selbstbewußtes Wesen hervorrkef,
wieder davon ab.
Beim zarten Geschlecht hatte er fast sprichwörtliches Glück.
Er dankte dies nicht zuletzt seiner Stimme, einem Tenor von ziemlicher Be-
deutung.
Drei rassige junge Italienerinnen, die dem Verband eingegliedert waren,
hielten sich jetzt eben wieder dicht in seiner Nähe, buhlten sichtlich um seine
Gunst und suchten durch überlautes Geschwätz seine Aufmerksamkeit zu er-
regen. Er, dem sonst ritterliche Art nicht abzusprechen war, befand sich nicht
in der Stimmung, mit ihnen zu scherzen, sondern fuhr sie heftig an und
richtete dann sein umfiortes Auge auf ein Häuschen, das mitten im Grün
stand und den weiblichen Mitgliedern der Gemeinschaft als Arbeitsstätte zu-
gewiesen war, verschwand dann selbst darin, um nach einerWeile mit bekümmer-
tem Ausdruck wieder in den Sonnenschein herauszutreten.
In mißfarbkges Braun gekleidet, ging eben Mathilde mit gesenktem Kopfe,
fortwährend eintönige leise Klagelaute ausstoßend, an ihm vorüber. Man
durste sie wohl als harmlos schwachsinnig bezeichnen. Eine zunehmende Kahl-
heit machte sie nicht anziehender. Adelbert, dem sie durch ihr larmoyantes
Wesen stark auf die Nerven fiel, hielt sich dennoch für verpflichtet, ihr einige
Artigkeiten zu sagen. Betreute sie doch die Sprößlinge, die sie ab und zu
von ihm hatte, mit rührender Hingabe. Aber seine Freundlichkeit bewirkte
wie immer nur, daß sie sich noch hemmungsloser ihrem nie aufgeklärten
Jammer hingab.
Frisch und robust trat jetzt Aline aus dem Häuschen. Sie kannte keine
Abspannung. Rasch tat sie ihre Arbeit, die sich durch peinliche Sauberkeit
und gute Form auszekchnete. Mit großem Stimmaufwand signalisierte sie
das Ergebnis ihres Fleißes zu Adelbert hinüber. Es riß ihn ein wenig aus
seiner trüben Laune, ja, er quittierte geschmeichelt mit einer seiner beliebten
Arien, was die sehr musikalischen Italienerinnen deren Stakkato besonders
gut ausgebildet war, zu lautem Entzücken hinriß, das kn einem Terzett gipfelte.
In besagtem Häuschen saß allein noch Gundula. Sie war tizianblond,
blutjung und von großem Liebreiz, Adelberts Geliebte, sein Weib und zu-
gleich seine Tochter — die Familienverhältnisse waren verworren.
Gundula stöhnte verzweifelt. Langweilig und sinnlos erschien ihr dieses
resultatlose Sitzen. Ja, wenn noch etwas dabei herausgekommen wäre! Sie
schämte sich vor Adelbert. Eben, als1 sie sich erheben wollte, war er, wie oft
schon, hereingetreten, sie zu beschwören, doch noch auszuhalten. Immer noch
tat er dies in taktvoller Weise, und doch — o, sie merkte es wohl — schwang
schon ein Unterton in seiner Stimme mit, der wie Härte klang, wie Zweifel
an ihrem guten Willen.
Aber jetzt konnte sie einfach nicht mehr. Der Krampf in ihren Beinen
verstärkte sich bis zur Unerträglichkeit, von ihrem armen Rücken gar nicht zu
reden. Sie erhob sich taumelnd, suchte durch leichtes Schütteln die zierlichen
Gelbbestrumpsten wieder ins Leben zurückzurufen, schwankte noch ein bißchen
und wollte eben dem etwas muffigen Lokale entfliehen, als Adelbert in seiner
dunklen Schönheit schon wieder vor ihr stand. Er warf einen diskreten Blick
auf ihren verlassenen Platz und dann einen stark mißbilligenden auf sie selbst,
so daß sie, die sich keiner Schuld bewußt war, sich gekränkt abwendete und
zum Lunch ging, der eben in schlichtester Form serviert ward.
Adelbert war vor Enttäuschung nicht imstande, etwas zu genießen. Er
probierte seine Stimme, setzte vor Aufregung falsch ein und tremollerte stark.
Dann versank er in Nachdenken und beschloß ernstlich, seine Sorge um das
geliebte, ahnungslose, gefährdete Wesen in das Gewand der Strenge, ja der
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erweisen. Jedenfalls sollte sie das traurige Los Suschens und Belindes,
die am gleichen fatalen Mangel zugrunde gegangen waren, nicht teilen.
Suschen, eine zierliche Brünette, war plötzlich vermißt worden. Sie suchend
entdeckte er bei der benachbarten Villa Blutspuren, die sich über einige
Stufen hinaufzogen. Das Schlimmste ahnend, folgte er ihnen und sah durch
eine offene Tür Suschen tot in ungewohnter Rückenlage hkngebreitet, immer
noch anmutig und mit friedlichem Ausdruck. Wehmütig berührt, entfernte
er sich still, tröstete sich indessen rasch, wie es in seiner Natur lag.
Belindes Hinscheiden erschütterte ihn heftiger. Diese stattliche Blondine
war eines Abends gleichfalls abgängig gewesen. Am Morgen zogen ihn
wieder Blutspuren bis zu der bewußten Türe ihr nach. Von Grauen geschüttelt,
sah er den nackten, bereits sezierten Leichnam der nunmehr verflossenen Ge-
liebten liegen. Der Leib wies eine klaffende Höhle auf,-ihr schöner Kopf, seines
natürlichen Schmuckes beraubt, hing klein und dürftig, bis zur Unkenntlich-
keit entstellt, zur Seite herab. Sogar die Hühneraugen hatte man entfernt.
Belindes Reste machten übrigens einen feisten Eindruck,- nie hätte er bei ihr
soviel Fett vermutet. Gebrochen und zugleich leicht angewidert, entfloh er
und warf bald darauf seine Augen hauptsächlich auf die heranblühende
Gundula.
Eines Tages hörten Or. Müllers, die gerade beim Mittagbrote saßen,
im Gärtchen einen entsetzlichen Lärm.
„Mein Himmel," rief Frau Doktor, „was ist denn drüben los? Seht
schnell mal zu, Kinder!"
Diese stürmten hinaus, um bald darauf etwas Weißes auf einem Huf-
lattichblatte hereinzubringen.
„Muttchen, Mutti, guck' mal das schöne Ei! Gundula hat ihr erstes Ei
gelegt! Und so groß, ganz warm, fühle mal! Und hier klebt bißchen Blut!"
„Das arme Vieh", sagte die Mutter nachdenklich.
„Aber Muttchen, gelt, jetzt wird sie nicht geschlachtet?"
„Nein, nein, Kinder, ich werde doch keine junge Legehenne schlachten."
„Eigentlich schade," bemerkte der Vater roh, „ich hätte gern mal wieder
ein Huhn im Topfe gehabt!"
Und draußen mischten sich Adelberts Triumphgesänge mit der sieghaft
jauchzenden Stimme Gundulas. Lieg
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