Marietta
Es war in Venedig! - - -
Da hatte er sie kennen gelernt, sie, die schöne schwarze Mariel-
ta! Nie hatte eine Frau ihn so angezogen als gerade sie. Kein
Wunder also, daß sein Herz in heißer Liebe für Marietta schlug.
Und auch sie, so schien es ihm, hatte ihn sehr lieb gewonnen.
Drei Tage waren inzwischen vergangen. Heute nun saßen sie beide in
einer kleinen Gondel und ließen sich sanft auf dem Master dahin treiben.
Er warvöllig vom Liebreiz ihrerGeftalt gefangen uno sah nur sie, die
eine Zigarette rauchend,
versonnen den Rauch in
die Luft blieg. Tiefes
Schweigen umgab beide.
Da formten sich ihm
Worte und erfragte leise,
erregt: „Sag'Marietta,
liebst du mich eigentlich ?"
Sie schaute ihn einen
Augenblick wie fragend
an;dannentfloh ihrBlick
in weite Fernen. Nach
einer endlosen Zeit wipp-
te sie leicht mit dem
Finger, daß die Asche ih-
rer Zigarette ins Master
fiel und hinweggespült
wurde. Dann sagte sie:
„Hast du gesehen?"
Er schaute sie ver-
ständnislos an und gab
ihr zur Antwort:
„Was hat das mit
meiner Frage zu tun?"
„Viel," erwiderte sie
endlich nach langer Pau-
se. „Es ist die Antwort."
„Du sprichst in Rät-
seln, Marietta," gab er
noch verständnisloser zu-
rück.
Wieder schweifte ihr
Blick in endlose Fernen
und kehrte erst allmählich
langsam über die Was-
serfläche zurück. Dann
begann ihr roter Mund
zu sprechen, leise und
stockend:
„Schau, diese Ziga-
rette, noch vor wenigen
Minuten war sie mir
unbekannt, gleichgültig,
eine unter Millionen. Jetzt im Augenblick ist sie mir nah, näher als
alle andern. Ich habe sie in Brand gesteckt. Nun glüht sie und ver-
zehrt sich selbst. An ihrem Duft berausch ich mich, bis nichts mehr
übrig bleibt als Asche, die der Wind verweht — — auf immer!"
Ein banges Schweigen folgte diesen Worten.
„Doch was hat das alles mit unserer Liebe zu tun?"
„Sehr viel, sind nicht die Männer mit den Zigaretten zu ver-
gleichen?" gab sie mit abwesendem Blick zur Antwort.
„Das heißt, du liebst mich nicht!"
„Das heißt, ich hatte dich sehr lieb!" — Er hatte verstanden.
Ein wehmütiges Sehnen erfüllte sein Herz.
IhrBlick war wieder in unendliche Wei-
ten entflohn. Das Master schlug leise an die
Gondel und entführte den letzten Rest der
Zigarette - - auf immer. Karl K°mm
er wär krank?
TieracImtzTereln
Hildesbeim.
Nistkästen für Mit-
glieder stehen zur Ab,
holung bereit ffl765
Ltnkstrnke 14,1.
Wahres Geschichtchen
In einem Wiener Stadtkaffee lauschte ich neulich einem streb-
samen Libretto-Eleven, der einem älteren Branchekollegen Inhalt
und Ausbau seines neuesten Operettenwerkes peinlich genau zu ent-
wickeln suchte. Der alte, erfahrene Routinier hörte lange geduldig
zu; endlich schüttelte er energisch sein perückenumwalltes Haupt und
meinte skeptisch: „Junger Freund, Sie sind ein kleiner Idealist!
Wenn Sie mit so originellen Ideen kommen ... — woher
wiffen Sie, daß das den Leuten gefallt?!!" @m.
Minna
„Minna!" rufe ich.
Nun zum dritten Male.
Da — endlich Antwort.
„Jaaa?" Minna, die
Perle.
„Meine Stiefel, zum
Donnerwetter!" fluche
ich. - „Jaaa!"
Minna bringt sie. Die
braunen. Sie sehen so
aus, ja, sie sehen wirklich
so aus, als wären sie mit
Spucke geputzt.
„Wann werden Sie
endlich lernen, Schuhe zu
putzen!" poltere ich.
„Ich Hab'keine Schuh-
kreme mehr!" erwidert
Minna.
„So kaufen Sie in
Gottes Namen neue!"
Ich bin ärgerlich und
reibe die Schuhe — wo-
zu war man Soldat -
mit dem bestrumpften
Fuße nach.
Das war am Montag.
Am nächsten Morgen,
ja, da sind die Schuhe
wieder nicht blank. Das
geht mir denn doch über
die Hutschnur. Ich bin
ärgerlich. Wütend! Ob
sie denn keine Schuh-
kreme gekauft habe, herr-
sche ich unsere Minna an.
„Ja," sagt Minna,
„gekauft habe ich welche.
Gestern morgen noch.
Aber ich habe schwarze
bekommen!"
Mit einem Stoßseufzer
ziehe ich andere Schuhe an. Was bleibt mir sonst übrig! Den ganzen
Tag knurre ich. Wenn ich sommertags schwarzes Schuhzeug tragen
muß, knurre ich immer. Ich bin nun einmal so.
Am folgenden Tage fordere ich meine lieben Braunen wieder.
Sie sind — noch nicht geputzt! „Haben Sie immer noch keine
Schuhkreme?" fahre ich auf unsere Minna
los. Was sie sonst noch zu hören bekommen
hat, das habe ich vergeffen.
Ganz eingeschüchtert steht das Mädel da
So hat sie mich wohl noch nie toben sehen.
Schließlich bringt sie heraus:
„Besorgt Hab' ich welche. Braune! Aber
die Dose geht nicht auf!"
Das war am Mittwoch. Seit Donners-
tag putze ich meine Schuhe selbst. Spick.,
„Warum weinst du Peperl?" - „Der Vater hat mi g'schlag'n." - „Ich dacht',
,,Na, na, sei Schlagwerk iS no guat."
Hotel- und
Gutsbesitzerstochtor
einziges Kind, 25 Jahre alp
auffall, hübsch. Erscheinung.
Werl des Objekte» Mark
235650.—, sucht sich zu ver-
heiraten. Zuschriften mit
voller Adresse erbeten unt.
„Reine Neigungsehe M. O.
4361" besörd. die Geschäft»»
stellen dieser Zeitung.
Anonymes Papierkorb.
294
Es war in Venedig! - - -
Da hatte er sie kennen gelernt, sie, die schöne schwarze Mariel-
ta! Nie hatte eine Frau ihn so angezogen als gerade sie. Kein
Wunder also, daß sein Herz in heißer Liebe für Marietta schlug.
Und auch sie, so schien es ihm, hatte ihn sehr lieb gewonnen.
Drei Tage waren inzwischen vergangen. Heute nun saßen sie beide in
einer kleinen Gondel und ließen sich sanft auf dem Master dahin treiben.
Er warvöllig vom Liebreiz ihrerGeftalt gefangen uno sah nur sie, die
eine Zigarette rauchend,
versonnen den Rauch in
die Luft blieg. Tiefes
Schweigen umgab beide.
Da formten sich ihm
Worte und erfragte leise,
erregt: „Sag'Marietta,
liebst du mich eigentlich ?"
Sie schaute ihn einen
Augenblick wie fragend
an;dannentfloh ihrBlick
in weite Fernen. Nach
einer endlosen Zeit wipp-
te sie leicht mit dem
Finger, daß die Asche ih-
rer Zigarette ins Master
fiel und hinweggespült
wurde. Dann sagte sie:
„Hast du gesehen?"
Er schaute sie ver-
ständnislos an und gab
ihr zur Antwort:
„Was hat das mit
meiner Frage zu tun?"
„Viel," erwiderte sie
endlich nach langer Pau-
se. „Es ist die Antwort."
„Du sprichst in Rät-
seln, Marietta," gab er
noch verständnisloser zu-
rück.
Wieder schweifte ihr
Blick in endlose Fernen
und kehrte erst allmählich
langsam über die Was-
serfläche zurück. Dann
begann ihr roter Mund
zu sprechen, leise und
stockend:
„Schau, diese Ziga-
rette, noch vor wenigen
Minuten war sie mir
unbekannt, gleichgültig,
eine unter Millionen. Jetzt im Augenblick ist sie mir nah, näher als
alle andern. Ich habe sie in Brand gesteckt. Nun glüht sie und ver-
zehrt sich selbst. An ihrem Duft berausch ich mich, bis nichts mehr
übrig bleibt als Asche, die der Wind verweht — — auf immer!"
Ein banges Schweigen folgte diesen Worten.
„Doch was hat das alles mit unserer Liebe zu tun?"
„Sehr viel, sind nicht die Männer mit den Zigaretten zu ver-
gleichen?" gab sie mit abwesendem Blick zur Antwort.
„Das heißt, du liebst mich nicht!"
„Das heißt, ich hatte dich sehr lieb!" — Er hatte verstanden.
Ein wehmütiges Sehnen erfüllte sein Herz.
IhrBlick war wieder in unendliche Wei-
ten entflohn. Das Master schlug leise an die
Gondel und entführte den letzten Rest der
Zigarette - - auf immer. Karl K°mm
er wär krank?
TieracImtzTereln
Hildesbeim.
Nistkästen für Mit-
glieder stehen zur Ab,
holung bereit ffl765
Ltnkstrnke 14,1.
Wahres Geschichtchen
In einem Wiener Stadtkaffee lauschte ich neulich einem streb-
samen Libretto-Eleven, der einem älteren Branchekollegen Inhalt
und Ausbau seines neuesten Operettenwerkes peinlich genau zu ent-
wickeln suchte. Der alte, erfahrene Routinier hörte lange geduldig
zu; endlich schüttelte er energisch sein perückenumwalltes Haupt und
meinte skeptisch: „Junger Freund, Sie sind ein kleiner Idealist!
Wenn Sie mit so originellen Ideen kommen ... — woher
wiffen Sie, daß das den Leuten gefallt?!!" @m.
Minna
„Minna!" rufe ich.
Nun zum dritten Male.
Da — endlich Antwort.
„Jaaa?" Minna, die
Perle.
„Meine Stiefel, zum
Donnerwetter!" fluche
ich. - „Jaaa!"
Minna bringt sie. Die
braunen. Sie sehen so
aus, ja, sie sehen wirklich
so aus, als wären sie mit
Spucke geputzt.
„Wann werden Sie
endlich lernen, Schuhe zu
putzen!" poltere ich.
„Ich Hab'keine Schuh-
kreme mehr!" erwidert
Minna.
„So kaufen Sie in
Gottes Namen neue!"
Ich bin ärgerlich und
reibe die Schuhe — wo-
zu war man Soldat -
mit dem bestrumpften
Fuße nach.
Das war am Montag.
Am nächsten Morgen,
ja, da sind die Schuhe
wieder nicht blank. Das
geht mir denn doch über
die Hutschnur. Ich bin
ärgerlich. Wütend! Ob
sie denn keine Schuh-
kreme gekauft habe, herr-
sche ich unsere Minna an.
„Ja," sagt Minna,
„gekauft habe ich welche.
Gestern morgen noch.
Aber ich habe schwarze
bekommen!"
Mit einem Stoßseufzer
ziehe ich andere Schuhe an. Was bleibt mir sonst übrig! Den ganzen
Tag knurre ich. Wenn ich sommertags schwarzes Schuhzeug tragen
muß, knurre ich immer. Ich bin nun einmal so.
Am folgenden Tage fordere ich meine lieben Braunen wieder.
Sie sind — noch nicht geputzt! „Haben Sie immer noch keine
Schuhkreme?" fahre ich auf unsere Minna
los. Was sie sonst noch zu hören bekommen
hat, das habe ich vergeffen.
Ganz eingeschüchtert steht das Mädel da
So hat sie mich wohl noch nie toben sehen.
Schließlich bringt sie heraus:
„Besorgt Hab' ich welche. Braune! Aber
die Dose geht nicht auf!"
Das war am Mittwoch. Seit Donners-
tag putze ich meine Schuhe selbst. Spick.,
„Warum weinst du Peperl?" - „Der Vater hat mi g'schlag'n." - „Ich dacht',
,,Na, na, sei Schlagwerk iS no guat."
Hotel- und
Gutsbesitzerstochtor
einziges Kind, 25 Jahre alp
auffall, hübsch. Erscheinung.
Werl des Objekte» Mark
235650.—, sucht sich zu ver-
heiraten. Zuschriften mit
voller Adresse erbeten unt.
„Reine Neigungsehe M. O.
4361" besörd. die Geschäft»»
stellen dieser Zeitung.
Anonymes Papierkorb.
294
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Warum weinst du Peperl?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1926
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 165.1926, Nr. 4246, S. 294
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg