IN STILLER GASSE
Kurzer Sonnenblick im grauen Tag -
Und schon sinkt der Wolkenvorhang wieder.
Doch ein Falter hängt am jungen Flieder
Und im Baum verklingt ein Finkenschlag.
Und ein letzter goldner Strahl umfließt
Einmal noch in toter kleiner Gasse
Bleiche Kinderwangen und die blasse
Frauenhand, die still das Fenster schließt. p. w«if
An den
Rand geschrieben
Gehe zu den Men-
schen, wenn sie nicht zu
dir kommen — denn das
Wesentliche ist, daßJhr
zusanynenkommt.
Sprich die Sprache
der anderen, wenn sie
nicht die deine sprechen
— denn wesentlicher als
dieSprache ist dieSeele
des Wortes.
Suche die anderen
zu verstehen, wenn sie
dich nicht verstehen kön-
nen — denn dasWefent-
lichste ist daS Verstan-
denwerden überhaupt.
Nur der Tastsinn ist
über den ganzen Körper
verbreitet, die Em-
pfänglichkeit der ande-
ren Sinnesorgane ist
auf minimale Partien
beschränkt. Und wie oft
wünschte man, ebenso
ausgiebig hören oder
sehen zu können, wie die
gesamte Hautoberfläche
Sonnenstrahlen auf-
nimmt.
Der Fluch unserer
Zeit: im Bestreben,
gleich zu machen, muß
sie verflachen.
Praktisch. „Jedesmal diese langstielige Schreiberei und den Zeitverlust -
Papa, warum läßt du nicht Zettelblocks drucken, wo alles droben steht?"
An den
Rand geschrieben
Kein Werk eines ech-
ten Künstlers hält der
eigenen Kritik stand.
ZuGott haben diemci-
ften Menschen dieselbe
Einstellung, wie zu ei-
nem Blitzableiter; bei
Gewitter hoffen sie in
ihrer Angst, das Haus
würde doch einen haben
und nehmen sich ernst-
lich vor, sich bei schönem
Wetter darum zu küm-
mern, aber wenn das
Gewitter vorbei ist, ha-
ben sie alles wieder ver-
geffen.
Heiligtum
der Sprache.
Es gibt herrliche
warme Worte, die aus
Herzenstiefen empor-
blühten und wie reife
Früchte von einem
Baum fallen. Und wie
selten sind sie — meist
kollern nur Steine aus
einem Steinbruch. —
Ein Rückzug, mit
dem sich fast jede Takt-
losigkeit decken läßt:
„Es ist doch wahr?!"
v. Csala
Aufsatz einer 12jährigen Schülerin vom La
Unser Lehrer ist ein guter Mann und Künstler, was sein großer
Hut schon sagt. Dieser geht überall hin, wo es was zu sehen gibt.
Am Montag fuhren wir mit ihm in die große Kunstausstellung.
Zuerst sahen wir einen ganzen Hausen Staturen. Das waren steinerne
Leute mit fast alle ohne was an. Wenn sie wirklich wären dürften sie
gar nicht sein von wegen dem Gesetz das eine Badehose verlangt.
Es war wie ein versteinertes Familienbad. Dann zeigte uns unser
Lehrer zwei Sphinxe. DaS sind Frauen aus Stein mit großen löwen-
mäßigen Hinterteilen. Diese waren aber nicht echt, die es nur in
Ägypten gibt. Außer dem war noch zu sehen Reliefs, das sind Kunst-
de über den Besuch einer Kunstausstellung
arbeiten mit Vorsprüngen wie Berg und Tal. Man kann sichs an
der Nase merken die auch Relief ist. Dan» sahen wir lauter Köpfe
auS Ton. Auch waren zwei Gipsköpfe da, wo einer davon wie unser
Lehrer ausgesehcn hat. Das nennt man Plastik. Wafferköpfe gibt es
aber nicht was unser Lehrer immer zu uns sagt. Am Schluß waren
ganz hinten lauter Bilder. Bilder mit Köpfen von wirklich lebende
Menschen, man sagt zu ihnen Portrett. Bilder mit Wald und Sonn,
das sind die Temperatur Gemälde. Auf denen nur gute Sachen sind
nennt man Freskogemälde. Alles habe ich nicht behalten können
aber es war ein schöner Tag.
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Kurzer Sonnenblick im grauen Tag -
Und schon sinkt der Wolkenvorhang wieder.
Doch ein Falter hängt am jungen Flieder
Und im Baum verklingt ein Finkenschlag.
Und ein letzter goldner Strahl umfließt
Einmal noch in toter kleiner Gasse
Bleiche Kinderwangen und die blasse
Frauenhand, die still das Fenster schließt. p. w«if
An den
Rand geschrieben
Gehe zu den Men-
schen, wenn sie nicht zu
dir kommen — denn das
Wesentliche ist, daßJhr
zusanynenkommt.
Sprich die Sprache
der anderen, wenn sie
nicht die deine sprechen
— denn wesentlicher als
dieSprache ist dieSeele
des Wortes.
Suche die anderen
zu verstehen, wenn sie
dich nicht verstehen kön-
nen — denn dasWefent-
lichste ist daS Verstan-
denwerden überhaupt.
Nur der Tastsinn ist
über den ganzen Körper
verbreitet, die Em-
pfänglichkeit der ande-
ren Sinnesorgane ist
auf minimale Partien
beschränkt. Und wie oft
wünschte man, ebenso
ausgiebig hören oder
sehen zu können, wie die
gesamte Hautoberfläche
Sonnenstrahlen auf-
nimmt.
Der Fluch unserer
Zeit: im Bestreben,
gleich zu machen, muß
sie verflachen.
Praktisch. „Jedesmal diese langstielige Schreiberei und den Zeitverlust -
Papa, warum läßt du nicht Zettelblocks drucken, wo alles droben steht?"
An den
Rand geschrieben
Kein Werk eines ech-
ten Künstlers hält der
eigenen Kritik stand.
ZuGott haben diemci-
ften Menschen dieselbe
Einstellung, wie zu ei-
nem Blitzableiter; bei
Gewitter hoffen sie in
ihrer Angst, das Haus
würde doch einen haben
und nehmen sich ernst-
lich vor, sich bei schönem
Wetter darum zu küm-
mern, aber wenn das
Gewitter vorbei ist, ha-
ben sie alles wieder ver-
geffen.
Heiligtum
der Sprache.
Es gibt herrliche
warme Worte, die aus
Herzenstiefen empor-
blühten und wie reife
Früchte von einem
Baum fallen. Und wie
selten sind sie — meist
kollern nur Steine aus
einem Steinbruch. —
Ein Rückzug, mit
dem sich fast jede Takt-
losigkeit decken läßt:
„Es ist doch wahr?!"
v. Csala
Aufsatz einer 12jährigen Schülerin vom La
Unser Lehrer ist ein guter Mann und Künstler, was sein großer
Hut schon sagt. Dieser geht überall hin, wo es was zu sehen gibt.
Am Montag fuhren wir mit ihm in die große Kunstausstellung.
Zuerst sahen wir einen ganzen Hausen Staturen. Das waren steinerne
Leute mit fast alle ohne was an. Wenn sie wirklich wären dürften sie
gar nicht sein von wegen dem Gesetz das eine Badehose verlangt.
Es war wie ein versteinertes Familienbad. Dann zeigte uns unser
Lehrer zwei Sphinxe. DaS sind Frauen aus Stein mit großen löwen-
mäßigen Hinterteilen. Diese waren aber nicht echt, die es nur in
Ägypten gibt. Außer dem war noch zu sehen Reliefs, das sind Kunst-
de über den Besuch einer Kunstausstellung
arbeiten mit Vorsprüngen wie Berg und Tal. Man kann sichs an
der Nase merken die auch Relief ist. Dan» sahen wir lauter Köpfe
auS Ton. Auch waren zwei Gipsköpfe da, wo einer davon wie unser
Lehrer ausgesehcn hat. Das nennt man Plastik. Wafferköpfe gibt es
aber nicht was unser Lehrer immer zu uns sagt. Am Schluß waren
ganz hinten lauter Bilder. Bilder mit Köpfen von wirklich lebende
Menschen, man sagt zu ihnen Portrett. Bilder mit Wald und Sonn,
das sind die Temperatur Gemälde. Auf denen nur gute Sachen sind
nennt man Freskogemälde. Alles habe ich nicht behalten können
aber es war ein schöner Tag.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Praktisch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1927
Entstehungsdatum (normiert)
1922 - 1932
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 167.1927, Nr. 4278, S. 53
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg