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tr Koffer nicht gutwillig verschluckte, das wunderte in die braune Reise-
^^che, die dem Handgepäck als Unterschlupf vorbestimmt war.

^ah eg im Koffer schon hübsch und malerisch aus, so herrschte im Hand-
ein wahres Chaos. Krawatten, Hemden, Socken, Briefpapier, Butter,
vma-Pulver, Medizinflaschen, alles wirr durcheinander. Und mittendrin:
bte Biomalz-Dose.

53on Zürich bis Lindau saß Valentin auf glühenden Kohlen. Die Reise-
^!che hatte er keineswegs im Gepäcknetz verstaut. Bewahre! Er hielt sie
5011 b^den Armen umwickelt, auf dem Schoße.

Die Kontrolle in Lindau siel anders aus, als man erwartet hatte. „Grüß
oftf Herr Valentin!" riesen die Beamten. „GehtS wieder heim?"
deiner dachte daran, den Valentin zu behelligen. Im Gegenteil: sie
^">°en lieb zu ihm, wie zu einem Baby und wünschten ihm alles Gute für
Reise.

Man bestieg den Zug nach München. Gemeinsam mit Rudolf Seibold
-'om Gärtnerplatz-Theater und einem Liedersänger namens Bachlechner,
ber in St. Gallen gastiert hatte. Sie bekamen zu viert ein nettes Coupe
und dampften der Heimat zu.

Unmittelbar nach der Abfahrt winkte Valentin die Karlstadt hinaus
°uf den Gang.

„Daß du fei neamand wos sogst von meine Frankeln!" zischelte Valentin.
„Aber Valentin," erwiderte Liesl, „mir san doch längst in Bayern. Jetzt
En»n doch unmöglich was paffieren!"

„Das is wurscht. Sagst auf koan Fall was von meine Frankeln!"
„Kannst dich drauf verlaffen. I sag nix."

„Ma' weiß nie, was noch g'schieht. Sagst auf keinen Fall was von
'"eine Frankln!"

„Nein, Valentin, i sag nix."

„Nacha is gut."

Er schloff mit der Karlstadt zurück ins Abteil und erkundigte sich, ob es
auf Wahrheit beruhe, daß man wieder im Bayerischen sei.

Seibold und Bachlechner bestätigten es, und Valentin taute allmählich
°uf. Sogar der Appetit regte sich. Als nun Seibold in ausgelaffener Stim-
mung einen Hymnus auf München schmetterte und Bachlechner wacker affi-
gierte und die Liesl in ihrer Eigenschaft als Alpinistin gellende Juchzer
dazwischen warf und ein allgemeines Gejodel und Gequiek überhand nahm,
da tat Valentin die stete sprungbereiten Bedenken beiseite und beschloß,
i^in Köfferchen zu öffnen.

Dem weltgeschichtlichen Moment entsprechend, griff feierliches Schweigen
Platz, und Valentin sperrte die braune Handtasche auf.

Das Biomalz war ausgeronnen und hatte alles verklebt.

Fürwahr, ein anmutiges Bild!

Die Lisl Karlstadt fischte einen Sockenhalter heraus. An dem Socken-
halter pappte eine Manschette. An der Manschette pappte eine Medizin-
flasche, an der Medizinflasche pappte eine Broschüre, an der Broschüre
pappte ein Schnürsenkel, an dem Schnürsenkel pappte eine Scheibe Schin-
ken, an der Scheibe Schinken pappte ein Kragenknopf.

Valentin hatte in Zürich hundertmal so viel Medizinflaschen gebraucht
als sonst, und da man nie wiffen kann, was noch geschieht, hatte er sie
allesamt mitgeschleppt.

Und nnn waren sie allesamt von dem zähflüffigen Brei überkrustet und
mit den übrigen Utensilien zu einer braunen Pappe geworden.

Valentins Jntereffe (Belang) galt ausschließlich der Biomalz-Büchse.

Er durfte getrosten Mutes fein: die Biomalz-Büchse gab nichts her,
was sie einmal hinuntergeschlungen hatte. Die Franken waren vollzählig
in der Dose verblieben. Da feblte — blindlings auf Ehrenwort! — nicht
ein einziger.

Bald war München erreicht. Valentin atmete tief auf. Er fühlte sich
geborgen, fühlte sich gesund, fühlte sich von einem Alp befreit.

Er nahm die Medizinflasche, die von der Karlstadt auf den kleinen Klapp-
tisch gestellt worden war, und warf sie keck zum Fenster hinaus.

„Dös brauchte fei nimmer. Dös Glump!" triumphierte er.

Die Liesl, nicht faul, schmiß eine zweite hinterher.

Seibold griff nach einer dritten, und Bachlechner ebenfalls, und zwar
griff Bachlechner nach der Biomalz-Büchse, und ehe sichs einer versehen
hatte, war die Biomalz-Büchse in weitem Bogen hinaus zum Fenster.

Valentin brüllte: „Meine Goldstückln!" und hing im selben Augenblick
auch schon an der Notbremse.

Daß er die Notbremse ziehen werde, das hatte sich wohl auch Valentin
gelegentlich ausgemalt. Daß es ihm beschieden war, sie wirklich zu ziehen,
das hatte er sich nicht träumen lasten.

Ohne mit der Wimper zu zucken, zahlte er die Geldstrafe für den
Mißbrauch.

Denn es hätte zu weit geführt, den Insaffen des Zuges, dem Personal
und der hochwohllöblichen Eisenbahn-Direktion auseinander zu setzen, daß
eine leere Biomalz-Büchse von unschätzbarem Werte sein kann.

Ein gutes Geschäft

Der Freier zum Schwiegervater in 8pe: „Ich möchte Ihnen ein Geschäft
Vorschlägen, bei dem Sie 2OOOO Mark verdienen können." — „Bitte!" —
„Sie wollen Ihrer Tochter fünfzigtausend Mark Mitgift geben, wie ich
höre; ich nehme sie mit dreißigtausend Mark."

Beim ästhetischen Tee

„Verehrtester Freund, ich habe Ihre „Südseefahrt" gelesen - himm-
lisch, entzückend; welch' eine Schilderung von Land und Leuten! Sie
waren gewiß recht lange in der Südsee?"

Der Dichter: „War Dante in der Hölle?"

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