O R P H JS CHER ST R () M
Nacht ward längst. Kein Lichtschein fällt.
Berge stehn wie Domportale,
und der Strom geht tief und breit
durch die stummen, schwarzen Tale.
Dunkel schwillt sein Rauschen an.
aber plötzlich übermächtig
wird das Brausen zum Gesang
und der Himmel sternenträchtig.
Tiefen springen schallverloren,
und es hebt sich, sehilfumwacht,
eines Gottes blasses Antlitj
aus erhöhter Nacht. Ludwig Bäte
De r Graphologe
Schlechtes Gewissen
Der Graphologe betrachtet mit den Augen des Wiffenschaftlers
den Wunschzettel, den sein Töchterchen Elli zu Weihnachten geschrie-
ben bat: „Donnerwetter, diese Unterlängen und diese spitzen Haken
hier beweisen, daß das Kind Anlage zur Raffgier bat." Seine Frau
bemerkt trocken dazu: „Man braucht
nicht gerade Graphologie studiert
zu haben, um das aus diesem
Wunschzettel herauszulesen . . ."
Frühreif
„Nun, Fritzchen, freust du dich
über die Geschenke?" sragt der
Papa. Fritzchen setzt seine Brille
zurecht und antwortet bedächtig:
„In der Tat, Papa, du hast die
Psyche des Kindes in geradezu ek-
latanter Weise erfaßt . .
Raffiniert
Schulze tritt in ein Geschäft:
„Bitte, ich möchte ein paar Weih-
nachtsgeschenke kaufen, die recht
billig sind und recht teuer ausseben!"
Was fehlt
Miß Lida geht verträumt zur
Weihnachtszeit im Warenhaus um-
her. „Darf ich gnädigem Fräulein
behilflich sein? " nähert sich liebens-
würdig ein Rayonchef. „Was fehlt
denn noch?" Miß Lida lächelt hold:
„Det Ield, Schatz."
Schläu
Schläu ist abgebrannt. Braucht
dringend zehn Mark. Da versucht
«reine List. Vielleicht hat er Glück.
„Kannst du mir die geliehenen zehn
Mark zurückgeben?" fragt er de»
ersten Bekannten, den er trifft.—
„Mir geliehen? Wann denn?"
„Vor zwei Wochen, als du so betrun-
ken warst." —„Ach richtig," scheint sich
dieser zur Freude von Schläu zu ent-
sinnen, „aber die habe ich dir schon zu-
rückgezahlt." - „Mir zurückgezaklt?
Wann denn?" - „Vor einer Woche,
als du so betrunken warst."
Der Cbes des Hauses Ruppig 8c Co. rennt mit wiitendem Gesicht
in der Wohnung herum: „Diese verdammten Untergebenen! Un-
verschämtes Gesindel!" Fragt Frau Ruppig: „Was ist denn bloß
schon wieder los?" - „Fünf anonyme Weihnachtsgeschenke habe
ich gekriegt. DaS kann ja nur von
meinen Angestellten stammen!"
„Was ist es denn?" erkundigt
sich Frau Ruppig. — „Fünfmal:
Knigges Umgang mit Menschen!"
Auf Umwegen
Fritz hat zu Weihnachten u. a.
auch Pfeil und Bogen bekommen.
Am zweiten Weihnachtstag geht
er zur Nachbarin und sagt: „Frau
Siebenhärl, könnte ich wohl meinen
Pfeil bekommen?" — „Wo ist
denn dein Pfeil?" — „In ihrer
Katze, Frau Siebenhärl."
Berechnend
„Wen liebst du mehr, mich oder
Tante Emma?" fragt die Mama.
„Wollen mal warten," erwidert
Lil i, „bis Weihnachten vorüber ist."
Doppelsinn
„Sie sind von Ihrer Frau zu
Weihnachten gewiß reich beschenkt
worden?" — „Ja,aufeinmal konn-
te ich 's nicht tragen: 2 Cravatten."
Treuherzig
Gutsbesitzer: „Du warst gestern
drüben in Kuhdorf in der Schenke,
Christian?" — Bauer: „Jo, Herr
Landrat."
„Und da hat man auf mich ge-
schimpft?" - „Io, Herr Landrat,
det hebbns bahn." - „Man hat
mich sogar ein Kamel genannt?
3B>«?" ~ „Io, det hebbns ook dahn."
„Gestehe, Christian, was ist noch
weiter vorgefallen?" — „Io, fe seggten,
se wullten mir dat schriftlich gäwen, det
der Landrat 'n Kamel wär'." — „Und
das hast du doch angenommen?" — „Nee,
ich Hab feggt:Laat man, ik glöwe dat so!"
Ein Vorbild. „Na, was hast denn du dir da alles aufge-
packt?"—„Das ist meine freiwillige und gerne geleistete
Iunggesellenstener fürs Waisenhaus."
GEBE T
Gib’. Himmel, was du w illst, nur gib’ mir s
Das Unvollendete hat keinen Glanz. teanz-
Das Unbeständige wird immer schlecht.
Was restlos ist und bleibt, ist immer recht.
II. V. I'.
306
Nacht ward längst. Kein Lichtschein fällt.
Berge stehn wie Domportale,
und der Strom geht tief und breit
durch die stummen, schwarzen Tale.
Dunkel schwillt sein Rauschen an.
aber plötzlich übermächtig
wird das Brausen zum Gesang
und der Himmel sternenträchtig.
Tiefen springen schallverloren,
und es hebt sich, sehilfumwacht,
eines Gottes blasses Antlitj
aus erhöhter Nacht. Ludwig Bäte
De r Graphologe
Schlechtes Gewissen
Der Graphologe betrachtet mit den Augen des Wiffenschaftlers
den Wunschzettel, den sein Töchterchen Elli zu Weihnachten geschrie-
ben bat: „Donnerwetter, diese Unterlängen und diese spitzen Haken
hier beweisen, daß das Kind Anlage zur Raffgier bat." Seine Frau
bemerkt trocken dazu: „Man braucht
nicht gerade Graphologie studiert
zu haben, um das aus diesem
Wunschzettel herauszulesen . . ."
Frühreif
„Nun, Fritzchen, freust du dich
über die Geschenke?" sragt der
Papa. Fritzchen setzt seine Brille
zurecht und antwortet bedächtig:
„In der Tat, Papa, du hast die
Psyche des Kindes in geradezu ek-
latanter Weise erfaßt . .
Raffiniert
Schulze tritt in ein Geschäft:
„Bitte, ich möchte ein paar Weih-
nachtsgeschenke kaufen, die recht
billig sind und recht teuer ausseben!"
Was fehlt
Miß Lida geht verträumt zur
Weihnachtszeit im Warenhaus um-
her. „Darf ich gnädigem Fräulein
behilflich sein? " nähert sich liebens-
würdig ein Rayonchef. „Was fehlt
denn noch?" Miß Lida lächelt hold:
„Det Ield, Schatz."
Schläu
Schläu ist abgebrannt. Braucht
dringend zehn Mark. Da versucht
«reine List. Vielleicht hat er Glück.
„Kannst du mir die geliehenen zehn
Mark zurückgeben?" fragt er de»
ersten Bekannten, den er trifft.—
„Mir geliehen? Wann denn?"
„Vor zwei Wochen, als du so betrun-
ken warst." —„Ach richtig," scheint sich
dieser zur Freude von Schläu zu ent-
sinnen, „aber die habe ich dir schon zu-
rückgezahlt." - „Mir zurückgezaklt?
Wann denn?" - „Vor einer Woche,
als du so betrunken warst."
Der Cbes des Hauses Ruppig 8c Co. rennt mit wiitendem Gesicht
in der Wohnung herum: „Diese verdammten Untergebenen! Un-
verschämtes Gesindel!" Fragt Frau Ruppig: „Was ist denn bloß
schon wieder los?" - „Fünf anonyme Weihnachtsgeschenke habe
ich gekriegt. DaS kann ja nur von
meinen Angestellten stammen!"
„Was ist es denn?" erkundigt
sich Frau Ruppig. — „Fünfmal:
Knigges Umgang mit Menschen!"
Auf Umwegen
Fritz hat zu Weihnachten u. a.
auch Pfeil und Bogen bekommen.
Am zweiten Weihnachtstag geht
er zur Nachbarin und sagt: „Frau
Siebenhärl, könnte ich wohl meinen
Pfeil bekommen?" — „Wo ist
denn dein Pfeil?" — „In ihrer
Katze, Frau Siebenhärl."
Berechnend
„Wen liebst du mehr, mich oder
Tante Emma?" fragt die Mama.
„Wollen mal warten," erwidert
Lil i, „bis Weihnachten vorüber ist."
Doppelsinn
„Sie sind von Ihrer Frau zu
Weihnachten gewiß reich beschenkt
worden?" — „Ja,aufeinmal konn-
te ich 's nicht tragen: 2 Cravatten."
Treuherzig
Gutsbesitzer: „Du warst gestern
drüben in Kuhdorf in der Schenke,
Christian?" — Bauer: „Jo, Herr
Landrat."
„Und da hat man auf mich ge-
schimpft?" - „Io, Herr Landrat,
det hebbns bahn." - „Man hat
mich sogar ein Kamel genannt?
3B>«?" ~ „Io, det hebbns ook dahn."
„Gestehe, Christian, was ist noch
weiter vorgefallen?" — „Io, fe seggten,
se wullten mir dat schriftlich gäwen, det
der Landrat 'n Kamel wär'." — „Und
das hast du doch angenommen?" — „Nee,
ich Hab feggt:Laat man, ik glöwe dat so!"
Ein Vorbild. „Na, was hast denn du dir da alles aufge-
packt?"—„Das ist meine freiwillige und gerne geleistete
Iunggesellenstener fürs Waisenhaus."
GEBE T
Gib’. Himmel, was du w illst, nur gib’ mir s
Das Unvollendete hat keinen Glanz. teanz-
Das Unbeständige wird immer schlecht.
Was restlos ist und bleibt, ist immer recht.
II. V. I'.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ein Vorbild"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1927
Entstehungsdatum (normiert)
1922 - 1932
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 167.1927, Nr. 4299, S. 306
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg