Sternegger!! Mach auf! Tummel dich, mach schnell auf!!"
Den Bauer riß es hoch — er begriff die Störung der
heiligen Stunde nicht - aber er stürmte zum Fenster,
riß es weit auf.
Die Fanni vom Lebzelter stand draußen. „Brennt
bei dir, Bauer! Im Zeugfchuppen! Hab 's von mein'm
Fenster aus gefehn!"
Jetzt stand auch die alte Bäuerin schon neben Ambrosi
am Fenster und die Fanni setzte, zu ihr gewandt, wie
entschuldigend, hinzu: „Seid 's nit bös, Bäuerin, daß
i so ausschau! War grad mitten beim Anziehn für die
heilige Christfeier - und da bin ich halt gleich so los!
Hab nit einmal a paar Schub greifen können, so hat
mich 'ö g'hetzt!" -„Ieffas, Maria und Josef!" schrie
der Bauer. „Stebt dir dö Dirn da bloßfüaßig mitten
im Schnee! Leut'! gebt 's a paar Schuah her für die Fanni!" - Aber
das Gesinde war längst hinaus nach dem brennenden Schuppen. Ambrosi
selbst kam sich vor Schreck vor wie an den Boden genagelt, sei» Herz klopfte
zuni Ausschütten. Wie in Himmelsangst geworfen, flehte er die Mutter an:
„Frau Muatta, seid 's doch so guat, gebt'S do a paar Schuah für die Fanni!"
„Wär ja gar übertrieben!" lachte die Dirn mit blitzblanken Zähnen.
„I bin ja gleich wieder z'haus!" Und sie wollte sich wenden — aber der
Ambrosi packte sie an den Händen. „Na! na!" rief er. „Ohne Schuab kommst
mir iatzt nit fort! I müaßts ja in der Ewigkeit zahlen, wann du iatzt
krank werden würd'st, Fanni!"
Und - Herrgott! er wußte ja selbst nicht wie - er beugte sich tief aus
dem Fenster, packte die Dirn mit seinen mächtigen Händen um die Hüften
und lupfte sie aus dem Schnee und
hielt sie so Koch, bis di« Frau Mut-
ter mit den Schuhen da wäre. Sie-
dig heiß war ihm schon dabei, die
Augen kollerten ihm im Kopfe vor
Herzklopfen und Blutandrang.
Über das Gesicht der Alten, die
in der Stube drinnen beim bren-
nenden Lichterbaum alles durcheinan-
Verschmiß, zuckte es wie Wetterleuch-
ten. Sie verstand den Wink des
Schicksals sofort.
„Niemals!" rumorte sie umher,
„niemals is was da, wenn man 's
grad braucht! Wenn heut nit der
Christbaum brennen tat’, könnt man fluchen ja, i sag's, wie's 's!" — End-
lich hob sie den Glassturz ab, griff die Pantoffel, lief damit hinaus, so
hurtig als es ihre alten Beine erlaubten, und steckte der in der Luft hän-
genden Fanni die Schube der heiligen Gerswida an die bloßen Füße.
„Hab keine anderen nicht finden können, Ambrosi!" rief sie. „Gott ver-
Kindliches
Der kleine Robert faß zum ersten Mal in seinem Leben in der
Kirche. Der Pastor schritt an den Altar und die Orgel begann zu spielen.
Der kleine Robert beobachtete scharf den Pastor, der unbeweglich am
geb' mir die Sünd! — So — und jatzt kannst die Fanni
schon wiederrunterlaffen auf'n Erdboden!" Der Bauer
erwachte aus einer Art Betäubung. Er lachte in bro-
delnder Verlegenheit, ließ aber die Fanni nicht los.
„Ieffas! bin i aber a Gischpi, Frau Muatta! Hätt'
i die Dirn nit könne» glei reinheben in die Stuben,
an 'n warmen Ofen, bis die Schuah komme»?!"
Und er wollte die prustende und lachende Fannistracks
durch das Fenster zu sich hineinheben. Da riß sie die
alte Bäuerin aber auch schon mit aller Kraft herunter.
„Man hebt nit fremde Weiberleut einfach zum Fen-
ster hinein! Nehmen einem ja gleich das Haus und das
Recht überm Kopf weg! Komm du nur fein durch die
Tür, Fanni!" Und sie führte die Widerstrebende durch
den Hausflur in die Feierstube. „Siehst es, Ambrosi!"
sagte sie, wie so nebenbei, auf der Schwelle. „Jetzt kommt doch am heiligen
Christabend, wann der Lichterbaum brennt, a jungö Weiberleut zur Tür
rein, is barfuaß und hat die Pantoffeln der heiligen Gerswida an! -
Also — was hast du itzt zu sagen?!"
Der Bauer riß Augen und Ohren auf. Sein Atem ging wie ein Blase-
balg, aus seinem offenen Munde riffen sich wirre Laute. — Die Dirn
begriff nicht. Eine feurige Röte rann ihr von den Haarwurzeln bis zur
großen Zehe. Rasch wollte sie umkehren und hinaus — aber der Griff der
Alten bannte sie wie im Schraubstock.
„Der Herrgott!" sagte die alte Bäuerin strableno, „hat sein Wunder
g'schafft, Ambrosi! Jetzt is di Reih an dir!"
Der Großknechr stand in der Türe. Das ganze Gesinde quoll hinter ihm
her. „Bauer - is scho g'löscht, der
Brand! War nur a so a Feuerl -
nit der Red wert!"
„Ich dank euch schön!" würgte
der Ambrosi. „Und daß 's nit der Red
wertwar,g'freutmi!"- Erfchnaufte
sich eine Weile frei uud hell, dann
fuhr er fort: „Aber dös da is der
Red wert — daß i die Fanni vom
Lebzelter lütt, meine Bäuerin zu
werden!"
Ein Juchzen erschütterte die Stu-
be, daß fast die Lichter am Christ-
baum verlöschten, als die Dirn ganz
überselig in den Armen des Bauern III-
hing. „Ieffas!" brach der Großknecht aus und deutete auf die Füße der
Braut. „Dö Pantoffeln der heiligen Gerswida! Kruzitürken, das gibt
eine streitbare Eh'!"
Und dann sangen sie alle inbrünstig und selig:
„Stille Nacht, heilige Nacht!" - - -
Erstaune n.
Altar stand. Nach einer Weile neigte er sich zu seiner Mutter, die neben
ihm saß und fragte ganz erstaunt: „Sag' mal, Mutti, der Mann dreht
ja garnicht!"
I.
fdnllnenial
^ Per Reifen, der auch Dich befriedigt.
309
Den Bauer riß es hoch — er begriff die Störung der
heiligen Stunde nicht - aber er stürmte zum Fenster,
riß es weit auf.
Die Fanni vom Lebzelter stand draußen. „Brennt
bei dir, Bauer! Im Zeugfchuppen! Hab 's von mein'm
Fenster aus gefehn!"
Jetzt stand auch die alte Bäuerin schon neben Ambrosi
am Fenster und die Fanni setzte, zu ihr gewandt, wie
entschuldigend, hinzu: „Seid 's nit bös, Bäuerin, daß
i so ausschau! War grad mitten beim Anziehn für die
heilige Christfeier - und da bin ich halt gleich so los!
Hab nit einmal a paar Schub greifen können, so hat
mich 'ö g'hetzt!" -„Ieffas, Maria und Josef!" schrie
der Bauer. „Stebt dir dö Dirn da bloßfüaßig mitten
im Schnee! Leut'! gebt 's a paar Schuah her für die Fanni!" - Aber
das Gesinde war längst hinaus nach dem brennenden Schuppen. Ambrosi
selbst kam sich vor Schreck vor wie an den Boden genagelt, sei» Herz klopfte
zuni Ausschütten. Wie in Himmelsangst geworfen, flehte er die Mutter an:
„Frau Muatta, seid 's doch so guat, gebt'S do a paar Schuah für die Fanni!"
„Wär ja gar übertrieben!" lachte die Dirn mit blitzblanken Zähnen.
„I bin ja gleich wieder z'haus!" Und sie wollte sich wenden — aber der
Ambrosi packte sie an den Händen. „Na! na!" rief er. „Ohne Schuab kommst
mir iatzt nit fort! I müaßts ja in der Ewigkeit zahlen, wann du iatzt
krank werden würd'st, Fanni!"
Und - Herrgott! er wußte ja selbst nicht wie - er beugte sich tief aus
dem Fenster, packte die Dirn mit seinen mächtigen Händen um die Hüften
und lupfte sie aus dem Schnee und
hielt sie so Koch, bis di« Frau Mut-
ter mit den Schuhen da wäre. Sie-
dig heiß war ihm schon dabei, die
Augen kollerten ihm im Kopfe vor
Herzklopfen und Blutandrang.
Über das Gesicht der Alten, die
in der Stube drinnen beim bren-
nenden Lichterbaum alles durcheinan-
Verschmiß, zuckte es wie Wetterleuch-
ten. Sie verstand den Wink des
Schicksals sofort.
„Niemals!" rumorte sie umher,
„niemals is was da, wenn man 's
grad braucht! Wenn heut nit der
Christbaum brennen tat’, könnt man fluchen ja, i sag's, wie's 's!" — End-
lich hob sie den Glassturz ab, griff die Pantoffel, lief damit hinaus, so
hurtig als es ihre alten Beine erlaubten, und steckte der in der Luft hän-
genden Fanni die Schube der heiligen Gerswida an die bloßen Füße.
„Hab keine anderen nicht finden können, Ambrosi!" rief sie. „Gott ver-
Kindliches
Der kleine Robert faß zum ersten Mal in seinem Leben in der
Kirche. Der Pastor schritt an den Altar und die Orgel begann zu spielen.
Der kleine Robert beobachtete scharf den Pastor, der unbeweglich am
geb' mir die Sünd! — So — und jatzt kannst die Fanni
schon wiederrunterlaffen auf'n Erdboden!" Der Bauer
erwachte aus einer Art Betäubung. Er lachte in bro-
delnder Verlegenheit, ließ aber die Fanni nicht los.
„Ieffas! bin i aber a Gischpi, Frau Muatta! Hätt'
i die Dirn nit könne» glei reinheben in die Stuben,
an 'n warmen Ofen, bis die Schuah komme»?!"
Und er wollte die prustende und lachende Fannistracks
durch das Fenster zu sich hineinheben. Da riß sie die
alte Bäuerin aber auch schon mit aller Kraft herunter.
„Man hebt nit fremde Weiberleut einfach zum Fen-
ster hinein! Nehmen einem ja gleich das Haus und das
Recht überm Kopf weg! Komm du nur fein durch die
Tür, Fanni!" Und sie führte die Widerstrebende durch
den Hausflur in die Feierstube. „Siehst es, Ambrosi!"
sagte sie, wie so nebenbei, auf der Schwelle. „Jetzt kommt doch am heiligen
Christabend, wann der Lichterbaum brennt, a jungö Weiberleut zur Tür
rein, is barfuaß und hat die Pantoffeln der heiligen Gerswida an! -
Also — was hast du itzt zu sagen?!"
Der Bauer riß Augen und Ohren auf. Sein Atem ging wie ein Blase-
balg, aus seinem offenen Munde riffen sich wirre Laute. — Die Dirn
begriff nicht. Eine feurige Röte rann ihr von den Haarwurzeln bis zur
großen Zehe. Rasch wollte sie umkehren und hinaus — aber der Griff der
Alten bannte sie wie im Schraubstock.
„Der Herrgott!" sagte die alte Bäuerin strableno, „hat sein Wunder
g'schafft, Ambrosi! Jetzt is di Reih an dir!"
Der Großknechr stand in der Türe. Das ganze Gesinde quoll hinter ihm
her. „Bauer - is scho g'löscht, der
Brand! War nur a so a Feuerl -
nit der Red wert!"
„Ich dank euch schön!" würgte
der Ambrosi. „Und daß 's nit der Red
wertwar,g'freutmi!"- Erfchnaufte
sich eine Weile frei uud hell, dann
fuhr er fort: „Aber dös da is der
Red wert — daß i die Fanni vom
Lebzelter lütt, meine Bäuerin zu
werden!"
Ein Juchzen erschütterte die Stu-
be, daß fast die Lichter am Christ-
baum verlöschten, als die Dirn ganz
überselig in den Armen des Bauern III-
hing. „Ieffas!" brach der Großknecht aus und deutete auf die Füße der
Braut. „Dö Pantoffeln der heiligen Gerswida! Kruzitürken, das gibt
eine streitbare Eh'!"
Und dann sangen sie alle inbrünstig und selig:
„Stille Nacht, heilige Nacht!" - - -
Erstaune n.
Altar stand. Nach einer Weile neigte er sich zu seiner Mutter, die neben
ihm saß und fragte ganz erstaunt: „Sag' mal, Mutti, der Mann dreht
ja garnicht!"
I.
fdnllnenial
^ Per Reifen, der auch Dich befriedigt.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Das Haarwasser für die Katz!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1927
Entstehungsdatum (normiert)
1922 - 1932
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 167.1927, Nr. 4299, S. 309
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg