Brömeisl war i m Konzert
Der Lebzelter Wimbichler am Stammtisch „Starenkobel" im
Weißen Bräu sieht wieder einmal auf die Ubr: „Wo er nur bleibt,
der Brömeisl. Tunst is er do allweil der erscht? — Werd eahm
doch nix zuag'stoß'n sei! Mit dem Verkehr übera'nand bist ja 'as
Leb'n nimmer sicher! — Geh', wo werd eahm denn wos zuastoß'n als
an ausg'wachs'nen Großstadtbürger . .. No, es kann oan allerhand
passiern: Vielleicht hat er no auf d' Nackt B'suach vom Land kriagt
oder an Durchsall oder was
kalt so plötzlich kommt . . ."
Da erscheint auch schon
Brömeisl unter der Tür. —
Feierlich, im schwarzen Geh-
rock und mit Regenschirm —
wie am Veteranen- und Krie-
gerjahrtag. —
Er wischt sich mit dem roten
Schnupftuch die heiße Stirn
stellt die Gummiröllchen auf
einen freien Stuhl und sagt
mit dem scheuen verlegenen
Blick mit dem jemand vor
guten, anständigen Menschen
ein Laster bekennt: „I war
im Konzert. — — — I Hab
müaff'n!" Setzt er gleich ent-
schuldigend hinzu, als er in die
verdutzten, konsternierten, fra-
gcnden Gesichter der Stamm-
tischfreunde blickt.
„Nämli', des is so kommen:
Bei uns im Haus wohnt doch
a Zimmerfräuln, d' Fräuln
Claudia — solchem Nama
geb'n s' de Kinder — und de
studiert doch aus Klavier. —
Und weil mei Frau scho a
paarmal den Reis'koffer von
der Fräuln Claudia z'leih'n
gnomma hat — no,ja ma woaß
ja, wia d' Weiber san - ma
kummt ins Ratsch'n — «'mal
war s' na beim Kaffee da —
kurz und gual: Verpstichtunga' hat ma halt
nachber. Gestern kummt des Fräulein Claudia
und sagt: Sie hat im Mozartsaal a Konzert
und da is a Kart'n — kost nir - mir sollt'n
hi'geb! — Da hast as! - No, — des san
natürli Weiberg'schichten: Konzerte und so
weiter und mei Alle waar ja aa ganga. —
Aber nachher hat 's i» der Fruah ihr Ischias
kriagt und jetzt hat 's im troffa! - da konn
ma net aus — sonst waar Beleidigung ferti'
- und wer woaß ob mir den Reis'koffer net
doch no «mal brauch«? — Also — i niuaß halt
dro glaab'n an des Bluatskonzert. — No, denk
i mir, trinkst halt a paar Halbe dazua. Vielleicht kost as Bier in
dem Mozartsaal a Fünserl mehr — liegt mir nir dro! Wenn 's
Bier guat is . . .
Wia i hikumm, gibt 's gar koa Bier. — San de Plätz wie im
Theater der Reih' nach dag'stand'n. - I war der erschte! Ziemlich
lang bin i alloa g'seff'n, na is no a halb Dutzend junge Madln kum-
ma, Kolleginnen von der Fräuln Claudia und ihr Herr, mit dem
wo f geht, war aa da und a
paar Freund von eahm. Und
a Stucker zehn, zwölf andere
Leut wo i net kennt hob. Auf
d' letzt is no unsere Haue-
moasterin d' Frau Schwank!
kumma! No, da Hab i na
wenigstens a Ansprach g'habt!
Aber sunst war 's ganz leer
in dem Mozartsaal. A schöner
Abend is beut Abend aa no,
da genga f doch liaber auf 'n
Keller, wenn oaner koan
Stammtisch hat. Da geht ma
doch liaber in d' Natur als
in an solch'» Saal, wo 's no
koa Bier aa gibt. Ham S'
wenigstens koa Flaschenbier?
bab i den Diener g'fragt. -
Aber net «mal des ham s'
g'babt.
Auf der Bühne is a Mords-
trumm Klavier g'stand'n.Wia
's oganga is, is d' Fräuln
Claudia beim Türl raus:
Sauber o'zog'n.-Ob'n ganz
weni,-unt aa net viel, gual
beinand mit 'm G'stell und
mit 'm G'wand! - Und na
Kats'Klavier gspielt. — Aber
net daß d' glaabst, jetzt hält
ma wenigstens a bißl was von
der Musi ghabt!Koan Marsch,
koan Walzer, koane schneidig'«
Stück! — Koan Lohengrin
und koan Schafflertanz! Grad neighaut hat s'
auf ihr Klavier und grad gscheppert hat alles.
— Wia 's erste Stück gar war, kam alle fest
in d' Händ klascht, no na ham mir uns aa net
osckaugn laffn, > und d' Frau Schwank! und
kam kalt aa fest mitpatscht. — Schließli war's
doch aa große G'fälligkeil, daß s' allweil ihr'«
Reis'koffer herleichl. -
So is 's zwo« Stund fortganga und am
End war'n ma ganz damisch, d'Schwanklin und
i. — Oaner von de Herrn hat ihr an Rosen-
busck 'noufglangt und alle ham s" wieder klatscht.
Mir natürli aa net z'weni! Wia i an der
Naiv. Schutzmann: „Ich muß Sie notieren, Sie sind 60 Kilometer
gefahren!" — Autler: „Können Sie nicht 100 schreiben? Ich
möchte den Wagen verkaufen!"
LTEBESLÜGEN
Sie gab mir ein Tüchlein und sagte.
Sie hätte es selbsl bestickt.
Ich gab ihr ein Veilchen und sagte.
Ich hätte es selbst gepflückt.
Wir haben uns beide belogen
In niedlicher Heuchelei;
Wir haben uns beide betrogen
Und fanden nichts dabei.
Solche kleine Liebeslügen
Hat mancher schon getan:
Doch mit dem kleinen Betrügen
Fängt auch das große an.
Ernst Diesi n g
52
Der Lebzelter Wimbichler am Stammtisch „Starenkobel" im
Weißen Bräu sieht wieder einmal auf die Ubr: „Wo er nur bleibt,
der Brömeisl. Tunst is er do allweil der erscht? — Werd eahm
doch nix zuag'stoß'n sei! Mit dem Verkehr übera'nand bist ja 'as
Leb'n nimmer sicher! — Geh', wo werd eahm denn wos zuastoß'n als
an ausg'wachs'nen Großstadtbürger . .. No, es kann oan allerhand
passiern: Vielleicht hat er no auf d' Nackt B'suach vom Land kriagt
oder an Durchsall oder was
kalt so plötzlich kommt . . ."
Da erscheint auch schon
Brömeisl unter der Tür. —
Feierlich, im schwarzen Geh-
rock und mit Regenschirm —
wie am Veteranen- und Krie-
gerjahrtag. —
Er wischt sich mit dem roten
Schnupftuch die heiße Stirn
stellt die Gummiröllchen auf
einen freien Stuhl und sagt
mit dem scheuen verlegenen
Blick mit dem jemand vor
guten, anständigen Menschen
ein Laster bekennt: „I war
im Konzert. — — — I Hab
müaff'n!" Setzt er gleich ent-
schuldigend hinzu, als er in die
verdutzten, konsternierten, fra-
gcnden Gesichter der Stamm-
tischfreunde blickt.
„Nämli', des is so kommen:
Bei uns im Haus wohnt doch
a Zimmerfräuln, d' Fräuln
Claudia — solchem Nama
geb'n s' de Kinder — und de
studiert doch aus Klavier. —
Und weil mei Frau scho a
paarmal den Reis'koffer von
der Fräuln Claudia z'leih'n
gnomma hat — no,ja ma woaß
ja, wia d' Weiber san - ma
kummt ins Ratsch'n — «'mal
war s' na beim Kaffee da —
kurz und gual: Verpstichtunga' hat ma halt
nachber. Gestern kummt des Fräulein Claudia
und sagt: Sie hat im Mozartsaal a Konzert
und da is a Kart'n — kost nir - mir sollt'n
hi'geb! — Da hast as! - No, — des san
natürli Weiberg'schichten: Konzerte und so
weiter und mei Alle waar ja aa ganga. —
Aber nachher hat 's i» der Fruah ihr Ischias
kriagt und jetzt hat 's im troffa! - da konn
ma net aus — sonst waar Beleidigung ferti'
- und wer woaß ob mir den Reis'koffer net
doch no «mal brauch«? — Also — i niuaß halt
dro glaab'n an des Bluatskonzert. — No, denk
i mir, trinkst halt a paar Halbe dazua. Vielleicht kost as Bier in
dem Mozartsaal a Fünserl mehr — liegt mir nir dro! Wenn 's
Bier guat is . . .
Wia i hikumm, gibt 's gar koa Bier. — San de Plätz wie im
Theater der Reih' nach dag'stand'n. - I war der erschte! Ziemlich
lang bin i alloa g'seff'n, na is no a halb Dutzend junge Madln kum-
ma, Kolleginnen von der Fräuln Claudia und ihr Herr, mit dem
wo f geht, war aa da und a
paar Freund von eahm. Und
a Stucker zehn, zwölf andere
Leut wo i net kennt hob. Auf
d' letzt is no unsere Haue-
moasterin d' Frau Schwank!
kumma! No, da Hab i na
wenigstens a Ansprach g'habt!
Aber sunst war 's ganz leer
in dem Mozartsaal. A schöner
Abend is beut Abend aa no,
da genga f doch liaber auf 'n
Keller, wenn oaner koan
Stammtisch hat. Da geht ma
doch liaber in d' Natur als
in an solch'» Saal, wo 's no
koa Bier aa gibt. Ham S'
wenigstens koa Flaschenbier?
bab i den Diener g'fragt. -
Aber net «mal des ham s'
g'babt.
Auf der Bühne is a Mords-
trumm Klavier g'stand'n.Wia
's oganga is, is d' Fräuln
Claudia beim Türl raus:
Sauber o'zog'n.-Ob'n ganz
weni,-unt aa net viel, gual
beinand mit 'm G'stell und
mit 'm G'wand! - Und na
Kats'Klavier gspielt. — Aber
net daß d' glaabst, jetzt hält
ma wenigstens a bißl was von
der Musi ghabt!Koan Marsch,
koan Walzer, koane schneidig'«
Stück! — Koan Lohengrin
und koan Schafflertanz! Grad neighaut hat s'
auf ihr Klavier und grad gscheppert hat alles.
— Wia 's erste Stück gar war, kam alle fest
in d' Händ klascht, no na ham mir uns aa net
osckaugn laffn, > und d' Frau Schwank! und
kam kalt aa fest mitpatscht. — Schließli war's
doch aa große G'fälligkeil, daß s' allweil ihr'«
Reis'koffer herleichl. -
So is 's zwo« Stund fortganga und am
End war'n ma ganz damisch, d'Schwanklin und
i. — Oaner von de Herrn hat ihr an Rosen-
busck 'noufglangt und alle ham s" wieder klatscht.
Mir natürli aa net z'weni! Wia i an der
Naiv. Schutzmann: „Ich muß Sie notieren, Sie sind 60 Kilometer
gefahren!" — Autler: „Können Sie nicht 100 schreiben? Ich
möchte den Wagen verkaufen!"
LTEBESLÜGEN
Sie gab mir ein Tüchlein und sagte.
Sie hätte es selbsl bestickt.
Ich gab ihr ein Veilchen und sagte.
Ich hätte es selbst gepflückt.
Wir haben uns beide belogen
In niedlicher Heuchelei;
Wir haben uns beide betrogen
Und fanden nichts dabei.
Solche kleine Liebeslügen
Hat mancher schon getan:
Doch mit dem kleinen Betrügen
Fängt auch das große an.
Ernst Diesi n g
52
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Naiv"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 169.1928, Nr. 4330, S. 52
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg