Summe bei einer Bank. Drei Tage später — genau um Mitter-
nacht - steht der Teufel wieder vor dem Schreibtisch.
„Sie kommen um das Honorar?"
„Danke. Nein. Der Betrag gehört Ihnen. Ich kann so kleine
Beträge nicht verwenden. Ich komme, um Ihnen Ihre Provision zu
bringen."
Er stellte eine kleine Flasche mit roter Tinte aus den Tisch. Legt»,
daneben eine rote Feder.
„Jedes Papier, auf das Sie mit der Feder eine Zahl schreiben,
wird zur gleichnamigen Banknote. Bitte, versuchen Sie."
Der Kritiker schrieb auf sein Löschpapier: „Tausend."
Sofort lag ein Tausendschein vor ibm. Das rote Papier in
sich verzehrend. „Herrlich! Herrlich!" sprang der Kritiker auf, „wie
soll ich Ihnen danken?"
„Pardon, es ist eine Kleinigkeit zu beachten. Die Feder hat nur
so lange diese Fähigkeit, so lange Sie in Ihrem Beruf die Wahrheit
schreiben. Bei der ersten unechten Zeile verliert sie die Fähigkeit.
Also - auf Wiedersehen in einigen Jahren."
Eine kurze Verbeugung - der Platz ist leer.
Ehe noch ein Monat verging, war der Theaterkritiker der reichste
Mann der Stadt. Eine kostbare Limousine hielt vor seinem Haus,
führte ihn in die schönsten Logen der Theater, die er setzt selbst zahlte.
Und hart und ehrlich war sein Urteil. Wo er
Talent und Fleiß sah, förderte er. Auch mit
Hilfe seiner roten Feder. Brachte ihm ein
junger Kollege ein gutes Feuilleton, für das
er ja doch keinen Platz in seiner Zeitung wußte,
schrieb er auf die Rückseite eine Zahl und das
Manuskript verwandelte sich in bares Geld.
Es wurden auf diese Weise in der Stadt
weniger Geschichten veröffentlicht. Sie erfüll-
ten des Autors Zweck, ihm Brot zu bringen,
auch vor der Veröffentlichung.
Aber eines Tages trat ein Mädchen in sein
Büro. So blond war sie. Und so jung. Und
so schön. Noch nie hatte sein Auge soviel
Schönheit geschaut.
„Ich liebe dich", trat der Mann zu ihr.
„Dann mußt du mich fördern. Ich bin eine
Anfängerin. Ich will zur Bühne. Nach meiner
ersten großen Rolle gehöre ich dir."
Da baute ihr der Kritiker ein Theater an
Ratzenjagd
Die Ratte fing sich in der Falle,
Das ist etwas für Waldls Kralle.
dem schönsten Platz der Stadt. Veröffentlichte ihr Bild in allen
Magazinen. Gründete Parfümfirmen um ihren Namen.
Der Tag der Premiere kam. Zur Generalprobe ging der Kritiker,
um sich von seinem Schützling zu überzeugen. Mußten doch in die
heutigen Abendblätter die Vorbesprechungen. Der Vorhang hob sich.
Sie trat auf. Aber - ihm stand das Herz still - das Mädchen
schnappte hilflos nach Luft, fuchtelte mit den Armen, hatschte nach
rechts und links, verdrehte in wilder Glut ihre Augen, versprach sich
>n jedem dritten Satz und warf Stichwörter und Partner bunt
durcheinander. „Kind", eilte er in di« Garderobe, „du bist ja un-
möglich. Laß ab von deinen Plänen. Werde meine Frau. Die schönsten
Kleider, die schönsten Reisen, alles, was du willst, nur laß das The-
ater." Aber das Mädchen widerstand. „Nach der ersten Roll« ge-
höre ich dir. Und nur, wenn du mich lobst und mich die erste Schau-
spielerin Europas nennst."
Noch einmal versuchte der Kritiker, sie umzustimmen. Vergebens.
Da ging er traurig nach Hause. Aber ihr Bild stand vor seiner
Seele. Ihr Wort klang in seinem Ohr. Ihre Augen lagen auf ihm
und ihr Atem atmete aus seiner Haut.
Und er schrieb ein Loblied auf ihre Schönheit und ihre Talente.
Kaum erschien das Feuilleton in den Zeitungen, brach in dem Haus
des Kritikers Feuer aus. Niemand wußte die Ursache. Alles brannte
lichterloh. Bis auf den Grund. In der Asche
fand man ein leeres Fläschlein, das einstmals
rote Tinte füllte.
Der Kritiker war wieder ein armer Mann
geworden. Was wurde aber aus dem Mädchen?
Sie ist tatsächlich eine große Schauspielerin
geworden, denn man nahm ihr Untalent für
Genie und ihr Stottern für neue Schule.
Den Kritiker hat sie nie wieder gesehen.
Wie konnte man ihr auch zumuten, einen
jetzo armen Zeitungsschreiber zu heiraten?
Geschäfte
„Ich habe ein großartiges Geschäft in Aus-
sicht. Nur brauche ich dazu zehn Mark Stamm-
kapital. Können Sie mir diese leihen?"
„Na, zu Ihren Geschäften habe ich nur
halbes Vertrauen."
„Schön. Dann borgen Sie mir eben fünf
Mark!"
Doch kaum befreit, entspringt der Ratz,
Der Hund ihm nach mit kühnem Satz.
Die Töpfe mit den Preihelbeeren
Beginnen jählings sich zu leeren.
Die Kathi, trotz des derben Rockes,
Ist nah am Rand des Rerven-
fchockes.
Ihr Gleichgewicht versagt den Dienst.
Der Ratz ist weg, der Waldl grinst.
Und die Moral von dem Debakel?
Berlaht euch nie auf einen Dackel!!
«. 0.
292
nacht - steht der Teufel wieder vor dem Schreibtisch.
„Sie kommen um das Honorar?"
„Danke. Nein. Der Betrag gehört Ihnen. Ich kann so kleine
Beträge nicht verwenden. Ich komme, um Ihnen Ihre Provision zu
bringen."
Er stellte eine kleine Flasche mit roter Tinte aus den Tisch. Legt»,
daneben eine rote Feder.
„Jedes Papier, auf das Sie mit der Feder eine Zahl schreiben,
wird zur gleichnamigen Banknote. Bitte, versuchen Sie."
Der Kritiker schrieb auf sein Löschpapier: „Tausend."
Sofort lag ein Tausendschein vor ibm. Das rote Papier in
sich verzehrend. „Herrlich! Herrlich!" sprang der Kritiker auf, „wie
soll ich Ihnen danken?"
„Pardon, es ist eine Kleinigkeit zu beachten. Die Feder hat nur
so lange diese Fähigkeit, so lange Sie in Ihrem Beruf die Wahrheit
schreiben. Bei der ersten unechten Zeile verliert sie die Fähigkeit.
Also - auf Wiedersehen in einigen Jahren."
Eine kurze Verbeugung - der Platz ist leer.
Ehe noch ein Monat verging, war der Theaterkritiker der reichste
Mann der Stadt. Eine kostbare Limousine hielt vor seinem Haus,
führte ihn in die schönsten Logen der Theater, die er setzt selbst zahlte.
Und hart und ehrlich war sein Urteil. Wo er
Talent und Fleiß sah, förderte er. Auch mit
Hilfe seiner roten Feder. Brachte ihm ein
junger Kollege ein gutes Feuilleton, für das
er ja doch keinen Platz in seiner Zeitung wußte,
schrieb er auf die Rückseite eine Zahl und das
Manuskript verwandelte sich in bares Geld.
Es wurden auf diese Weise in der Stadt
weniger Geschichten veröffentlicht. Sie erfüll-
ten des Autors Zweck, ihm Brot zu bringen,
auch vor der Veröffentlichung.
Aber eines Tages trat ein Mädchen in sein
Büro. So blond war sie. Und so jung. Und
so schön. Noch nie hatte sein Auge soviel
Schönheit geschaut.
„Ich liebe dich", trat der Mann zu ihr.
„Dann mußt du mich fördern. Ich bin eine
Anfängerin. Ich will zur Bühne. Nach meiner
ersten großen Rolle gehöre ich dir."
Da baute ihr der Kritiker ein Theater an
Ratzenjagd
Die Ratte fing sich in der Falle,
Das ist etwas für Waldls Kralle.
dem schönsten Platz der Stadt. Veröffentlichte ihr Bild in allen
Magazinen. Gründete Parfümfirmen um ihren Namen.
Der Tag der Premiere kam. Zur Generalprobe ging der Kritiker,
um sich von seinem Schützling zu überzeugen. Mußten doch in die
heutigen Abendblätter die Vorbesprechungen. Der Vorhang hob sich.
Sie trat auf. Aber - ihm stand das Herz still - das Mädchen
schnappte hilflos nach Luft, fuchtelte mit den Armen, hatschte nach
rechts und links, verdrehte in wilder Glut ihre Augen, versprach sich
>n jedem dritten Satz und warf Stichwörter und Partner bunt
durcheinander. „Kind", eilte er in di« Garderobe, „du bist ja un-
möglich. Laß ab von deinen Plänen. Werde meine Frau. Die schönsten
Kleider, die schönsten Reisen, alles, was du willst, nur laß das The-
ater." Aber das Mädchen widerstand. „Nach der ersten Roll« ge-
höre ich dir. Und nur, wenn du mich lobst und mich die erste Schau-
spielerin Europas nennst."
Noch einmal versuchte der Kritiker, sie umzustimmen. Vergebens.
Da ging er traurig nach Hause. Aber ihr Bild stand vor seiner
Seele. Ihr Wort klang in seinem Ohr. Ihre Augen lagen auf ihm
und ihr Atem atmete aus seiner Haut.
Und er schrieb ein Loblied auf ihre Schönheit und ihre Talente.
Kaum erschien das Feuilleton in den Zeitungen, brach in dem Haus
des Kritikers Feuer aus. Niemand wußte die Ursache. Alles brannte
lichterloh. Bis auf den Grund. In der Asche
fand man ein leeres Fläschlein, das einstmals
rote Tinte füllte.
Der Kritiker war wieder ein armer Mann
geworden. Was wurde aber aus dem Mädchen?
Sie ist tatsächlich eine große Schauspielerin
geworden, denn man nahm ihr Untalent für
Genie und ihr Stottern für neue Schule.
Den Kritiker hat sie nie wieder gesehen.
Wie konnte man ihr auch zumuten, einen
jetzo armen Zeitungsschreiber zu heiraten?
Geschäfte
„Ich habe ein großartiges Geschäft in Aus-
sicht. Nur brauche ich dazu zehn Mark Stamm-
kapital. Können Sie mir diese leihen?"
„Na, zu Ihren Geschäften habe ich nur
halbes Vertrauen."
„Schön. Dann borgen Sie mir eben fünf
Mark!"
Doch kaum befreit, entspringt der Ratz,
Der Hund ihm nach mit kühnem Satz.
Die Töpfe mit den Preihelbeeren
Beginnen jählings sich zu leeren.
Die Kathi, trotz des derben Rockes,
Ist nah am Rand des Rerven-
fchockes.
Ihr Gleichgewicht versagt den Dienst.
Der Ratz ist weg, der Waldl grinst.
Und die Moral von dem Debakel?
Berlaht euch nie auf einen Dackel!!
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Ratzenjagd"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 169.1928, Nr. 4350, S. 292
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg