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Das Nachtlicht
und das Teuferl

Eine wahre Begebenheit
Erzählt von Erwin Steiner

Auf der Heimkehr von fröh-
licher Sitzung in der „Goldenen
Rose" wandert« der Tuchhändler
Krempl durch die nächtlichen
Gaffen. Er lächelte schalkhaft vor
sich hin, denn er hatte Böses im
Sinn.

Vor dem Hause des Apothe-
kers Baumle aber blieb er stehen,
betrachtete schmunzelnd die Nachtglocke und
läutete fest. Er sah wohl, wie in des Apothe-
kers Wohnung im dritte» Stock des Hauses
ein Licht ausflackerte, wie «e bin und her
wackelte und die Wendeltreppe herunterkam.
Umständlich schloff Bäumle seine Apotheke
auf und fragte mit schlaftrunkener Stimme
nach des Tuchhändlers Begehr.

„Mei Frau ist krank, i bräucht a Nacht-
licht!," sagte dieser. Der Apotheker gab ihm
ein Talglicht und brummte, daff er wegen
eines solchen Pfifferlings habe aufstehen
muffen. Der Tuchhändler bedankte sich und
ging. Er ging aber nicht heim, sondern be-
trachtete von derStraße aus mit verstohlenen!
Gekicher, wie Bäumle die Apotheke abschloff,
sich mit seinem Kerzenlicht die Wendeltreppe
emporschraubte, in seinem Zimmer herum-
flackerte. Nun war alles wieder finster und

£DiE- MUTTER. i

Der Heimat zu! Die Stunde kam.

Die ich ersehnte schon seit Jahren;

Vom Fenster tret ich nimmer weg.

Je näher wir der Heimat fahren.

Nun hält der Zug! Hinausgestürmt
Auf meine altbekannten Wege!

Dort rauften wir, dort spielten wir,

Dort fließt der Bach mit schwankem Stege,
Und hier die Mühle klappert noch.

Das Storchnest krönt noch Nachbars Giebel

Der Gartenzaun ist noch so schief

Und auf der Hausbank liegt die Fibel.

Wie ehegestern alles noch -

Und doch ist mir das Herz beklommen:

Die Mutter fehlt, die unterm Tor

Die Hand mir drückte zum Willkommen,

Die schmunzelnd mir ins Auge sah

Und mich ins Sofa drückte nieder

Und streichelte das feuchte Haar

Und leise sprach: „Ich hab dich wieder!“

E. S t c» m |» 1 i n g e r

ruhig. Da mußte der Tuchhändler auf einmal
laut lachen. Und er ging noch einmal zur Nacht-
glocke, zog an dem quietschenden Strang. Da
wurde im Zimmer des Apothekers wieder Licht,

Bäumle kreiselte die Treppe herunter, sperrte
brummbärtig die Apotheke auf. Beinahe hätte er
geflucht, als er den Tuchhändler wieder vor sich
stehen sah. Doch dieser sagte ganz ruhig: „Herr
Bäumle, des Nachtlicht! brennt ja net!" Da riß dem Apotheker denn
doch die Geduld. Er schmiß das Nachtlicht wütend in ein Schub-
fach, warf ein neues auf den Ladentisch. „Bagage, elendige! Je euch
heut in der ,Rosn' nix anders eigfalln, als mi fürn Narrn zhalten!

Krempl, i sag dirs, wennst jetzt
netglei machst, dafft heimkommst,
so sollst mi von der richtigen Seitn
kennen lernen!" Und wütend
schlug er die Türe zu, indes der
Tuchhändler einen Lachkrampf
bekam.

In den ersten Vormittags-
stunden war es, als der Apotheker
rachegierig und in Vorfreude
schmunzelnd in das Geschäft sei-
nes lieben Krempl euttrat. Schon
kam ein Ladenschwengel herbei-
gestürzt, dem er seine Wünsche
mitteilte: „I möcht gern a schönS rotS Tuch
babn. Gibts a solchs?"

„Jawohl! Jawohl!" sagte der Dienstbe-
fliffene und schleppte große Ballen herbei.
Die einen der Stoffe waren ziegelrot, andere
karmesin- oder weinrot, manche hatten einen
Stich in das Grünliche, Blaue, Gelbliche.
Der Apotheker ließ die Stoffe prüfend durch
die Finger gleiten, wie man so zu tun pflegt.
Er schüttelte unzufrieden den Kopf und
meinte, das sei immer noch nicht dies, was
er brauche. Der Tuchhändler Krempl kam
aus dem Hintergründe seines Ladens hervor
und begrüßte den Apotheker höflich, wenn
auch mit schlechtem Gewissen. Er habe ge-
rade in roten Stoffen die größte Auswahl
und wolle ihm schon das Richtige zeigen.
Eigenhändig schleppte er große Ballen her-
bei, immer mehr, schließlich alles, was er auf
Lager hatte. Es war ein fürchterliches Chaos im
Laden, denn alles Unterste war zu oberst gekehrt
worden. Verwickelte und verzerrte Stoffbahnen,
ganze und halbe Ballen türmten sich unheimlich.
Der Apotheker und der Tuchhändler, beide konn-
ten sich kaum mehr sehen.

„Immer no net das richtige Rot," sagte
Bäumle. „I werd dir den paffenden Stoff scho
bestell», Bäumle," meinte der Tuchhändler. „Brauchst viel davon?"

Da mußte der Apotheker hinter der Mauer von Stoff laut lachen.
„Des is ja eben," sagte er, „daß i nur a ganz kleine bißl davon
brauch; da schau her - !" Erzog eine kleine, bunte,viereckige Schachtel

Ein Bubenstreich in 3 Bildern

309
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Mutter" "Ein Bubenstreich in 3 Bildern"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stockmann, Hermann
Entstehungsdatum
um 1928
Entstehungsdatum (normiert)
1923 - 1933
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 169.1928, Nr. 4351, S. 309

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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