Zeichnung von I L -R
Der Musikalische „Das ist doch Onestepp, Äerr Diedele, und Sie tanzen Walzer!"
„So — so — da muß ich mich in der Tanzkarte um eine Zeile verrechnet haben."
Knöbel braucht ein bißchen Tragant
Von Peter Robinson
Gestern traf ich den alten Knöbel, wie er gerade aus der
Fasanen-Apotheke herauskam. Es lag eine so starke, anscheinend
chronische Trostlosigkeit, vermischt mit etwas akuter Bestürzung
in seiner Miene, daß ich erschrecken mutzte. Denn, wenn ein so
stiller, braver Mann wie der alte Knöbel, der wohl nieinals
jemand gekränkt und jedem bloß das Beste gegönnt hat, der
immer sacht und schüchtern, ganz ohne rauhes Dahinpoltern
seine» Lebensweg gegangen ist,-kurz, wenn dies Knöbel
trostlos und bestürzt erscheint, nachdem er eben eine Apotheke
besucht hat, dann muß man wohl Mitgefühl haben.
Ich erkundigte mich also: „Was gibt es denn, Äerr
Knöbel? Es ist doch hoffentlich niemand krank in Ihrer Fa-
milie. And wie geht es denn Ihnen selber?"
Da zeigte sich nun gleich wieder, ein wie netter Mensch
der alte Knöbel ist. Gar nicht schnell genug konnte er mich
beruhigen. Mit aller Gewalt machte er ein vergnügtes Gesicht.
„Aber nein, es geht uns gut; es geht uns allen sehr gut. Ich
bi» fidel und munter wie immer. Sie dachte» wohl, ich hätte
da eine Medizi» geholt. Gott sei Dank, nein. Nur ei» bißchen
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Tragant habe ich gekauft, Gummitragant. Da — ein kleines
Tütchen voll, für 30 Pfennige. Ich habe noch mehr —sehen Sie!"
Der alte Knöbel holte einige kleine Tüten hervor. „Da —
aus der Äasenapotheke, aus der Liliendrogerie, aus der Rats-,
aus der Pelikanapotheke-alles Tragant. Man kriegt
übrigens nicht immer die gleiche Sorte. Der ist vorzüglich —
ganz milchweiß, sehen Sie! Wahrscheinlich sogenannter Smyr-
naer Tragant. Dieser ist mehr gelblich, schon eine geringere
Sorte. Na, und der hier, der braune, ist persischer Kugeltragant,
die gemeinste Sorte. Dabei Hab' ich von dem am wenigsten
für's Geld gekriegt. Wollen Sie vielleicht die Tüten haben?
Wenn Sie gerade Kleister brauchen, können Sie die Sorten
alle mischen, das macht nichts. Ich schenke sie Ihnen gerne,
ich habe noch mehr davon zu Äause. Die letzten Tage habe
ich ja immerzu Tragant gekauft, überall Tütchen für 30 Pfennige.
Es ist schrecklich! Ich brauche so notwendig ein bißchen Tra-
gant; für morgen früh habe ich noch, aber zu übermorgen muß
ich welchen haben, und ich weiß gar nicht, was ich nun an-
fangen soll."
Der alte Knöbel sah wieder ganz trostlos aus. Aber welch
ein Widerspruch war das: er sagte, daß er ganz notwendig
«Fortsetzung Seite 38)
Der Musikalische „Das ist doch Onestepp, Äerr Diedele, und Sie tanzen Walzer!"
„So — so — da muß ich mich in der Tanzkarte um eine Zeile verrechnet haben."
Knöbel braucht ein bißchen Tragant
Von Peter Robinson
Gestern traf ich den alten Knöbel, wie er gerade aus der
Fasanen-Apotheke herauskam. Es lag eine so starke, anscheinend
chronische Trostlosigkeit, vermischt mit etwas akuter Bestürzung
in seiner Miene, daß ich erschrecken mutzte. Denn, wenn ein so
stiller, braver Mann wie der alte Knöbel, der wohl nieinals
jemand gekränkt und jedem bloß das Beste gegönnt hat, der
immer sacht und schüchtern, ganz ohne rauhes Dahinpoltern
seine» Lebensweg gegangen ist,-kurz, wenn dies Knöbel
trostlos und bestürzt erscheint, nachdem er eben eine Apotheke
besucht hat, dann muß man wohl Mitgefühl haben.
Ich erkundigte mich also: „Was gibt es denn, Äerr
Knöbel? Es ist doch hoffentlich niemand krank in Ihrer Fa-
milie. And wie geht es denn Ihnen selber?"
Da zeigte sich nun gleich wieder, ein wie netter Mensch
der alte Knöbel ist. Gar nicht schnell genug konnte er mich
beruhigen. Mit aller Gewalt machte er ein vergnügtes Gesicht.
„Aber nein, es geht uns gut; es geht uns allen sehr gut. Ich
bi» fidel und munter wie immer. Sie dachte» wohl, ich hätte
da eine Medizi» geholt. Gott sei Dank, nein. Nur ei» bißchen
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Tragant habe ich gekauft, Gummitragant. Da — ein kleines
Tütchen voll, für 30 Pfennige. Ich habe noch mehr —sehen Sie!"
Der alte Knöbel holte einige kleine Tüten hervor. „Da —
aus der Äasenapotheke, aus der Liliendrogerie, aus der Rats-,
aus der Pelikanapotheke-alles Tragant. Man kriegt
übrigens nicht immer die gleiche Sorte. Der ist vorzüglich —
ganz milchweiß, sehen Sie! Wahrscheinlich sogenannter Smyr-
naer Tragant. Dieser ist mehr gelblich, schon eine geringere
Sorte. Na, und der hier, der braune, ist persischer Kugeltragant,
die gemeinste Sorte. Dabei Hab' ich von dem am wenigsten
für's Geld gekriegt. Wollen Sie vielleicht die Tüten haben?
Wenn Sie gerade Kleister brauchen, können Sie die Sorten
alle mischen, das macht nichts. Ich schenke sie Ihnen gerne,
ich habe noch mehr davon zu Äause. Die letzten Tage habe
ich ja immerzu Tragant gekauft, überall Tütchen für 30 Pfennige.
Es ist schrecklich! Ich brauche so notwendig ein bißchen Tra-
gant; für morgen früh habe ich noch, aber zu übermorgen muß
ich welchen haben, und ich weiß gar nicht, was ich nun an-
fangen soll."
Der alte Knöbel sah wieder ganz trostlos aus. Aber welch
ein Widerspruch war das: er sagte, daß er ganz notwendig
«Fortsetzung Seite 38)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Musikalische"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1929
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1934
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 170.1929, Nr. 4355, S. 36
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg