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Zeichnung von ffi. Kirchner

Knödel braucht ein bißchen Tragant
ein bischen Tragant brauchte, er tat, als
könnte er gar nicht mehr ohne Tragant
existieren, als wäreTragant seinLebens-
elixir, Lerzenstrost und Sorgenbrecher
— und dabei hatte er den begehrten
Stoff in mehreren kleinen Tüten bei sich
und noch mehr zu Lause und wollte ihn
gar verschenken. Lind sogar Tragant von
der allerbesten Sorte war dabei, Smyr-
naer Tragant, wie er gerühmt hatte.

Der alte Knöbel schien meine Ge-
danken zu erraten. „Kommen Sie ein
Stückchen mit!" bat er. „Ich will noch
nach der Aloysius-Apotheke,— vielleicht
wird es mir da endlich glücken. Und
vielleicht können Sie mir einen Rat
geben, damit es glücke. Es ist ja eigent-
lich eine so lächerliche, so gräßlich dum-
me Geschichte. Ich ärgere mich schon
über mich selber so sehr, ganz wild
könnte ich werden, und Sie werden
mich natürlich auslachen."

Lierbei riß der alte Knöbel den
Mund weit auf und zeigte mir seine
Zähne so nahe, daß ich Angst bekam,
er wäre in seinem noch unerklärten
Kummer übergeschnappt und wollte
mich beißen, damit ich ihn nicht aus-
lachen sollte. Aber nein, so war ja,
wie gesagt, der alte Knöbel gar nicht,
und es hatte einen ganz anderen
Zweck, daß er den Mund so weit auf-
riß und mir die Zähne zeigte. „Schön
sehen sie aus, nicht wahr?" sagte er.

„Die Zähne nämlich, die obere Reihe.

Lab' ich mir vor einem Vierteljahr
machen lassen. Sitzt auch prachtvoll,
die Platte, ganz fest. Bloß am Mor-
gen, wenn ich sie eben eingesetzt habe,
dann will sie nicht gleich recht. Wahr-
scheinlich stellt sich nach der nächtlichen
Pause die nötige Adhäsion nicht sofort
ein. Ja, nun frühstücke ich aber sofort
nach dem Aufstehen. Ich habe da im-
mer solch einen Leißhunger, daß ich
nicht warten kann. So hungrig wie
ein Wolf bin ich beim Ausstehen. Aber
nein, das stimmt vielleicht nicht; wahr-
scheinlich ist ein Wolf gar nicht am
hungrigsten, wenn er eben aufgestanden,
sondern wenn er lange herumgelaufen ist.

Also, jedenfalls frühstücke ich gleich. Als ich nun die neuen
Zähne bekommen hatte, da wollte das nicht recht gehen. Ich
esse so gern Semmel mit Lonig zum Frühstück, aber Lonig
ist von sehr klebriger Natur, und die Zähne blieben darin
stecken, weil die Platte nachgab, — eben wegen der noch
nicht eingetretenen Adhäsion. Das war sehr unangenehm, und
ich ging deshalb nochmal zum Zahnarzt. Ja, Sie müssen dann
eben morgens eine halbe Stunde warten, sagte er. — Aus-
geschlossen, ich habe Wolfshunger! sagte ich. — Dann bleibt
nur eins: Sie müssen der Adhäsion nachhelfen, indem Sie ein
ganz klein wenig Tragant auf die Platte stäuben, erklärte
mir daraus der Zahnarzt, und er gab mir auch gleich ein hüb-
sches Schächtelchen voll Tragant. Es hat an der Seite ein
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winziges Löchelchen, und wenn man auf
die Wände der Schachtel drückt, dann
sprüht ein feiner Puderstrahl Tragant
heraus. Das war sehr zweckentspre-
chend eingerichtet und hat mir wirklich
vorzügliche Dienste geleistet.

Ja, nun nehmen aber alle Dinge
allmählich ein Ende. Vor einer Woche
merkte ich, daß der Tragantvorrat in
dem Schächtelchen auf die Neige ging.
Ich ahnte nicht, welchen Schwierig-
keiten ich nun begegnen sollte. Sie wür-
den das auch nicht ahnen, kein Mensch
würde sich das denken können. Mir
schien es die einfachste Sache von der
Welt, frischen Tragant zu besorgen.
Es ist ja durchaus kein rarer Stoff;
viele tausend Zentner Tragant werden
jährlich produziert und verbraucht, am
meisten in der Türkei. Ich glaube, die
Türken brauchen ihn für ihre so merk-
würdigen Leckereien und Konfekte.

Ich ging also zum nächsten Dro-
gisten. Laben Sie Tragant? — O
gewiß, Gummi Tragacanthae! sagte
der Mann fachmännisch. Wieviel?
Vielleicht für 30 Pfennige, schlug er
vor, und ich war einverstanden, und bei
dem Betrage bin ich dann in der Folge
auch geblieben. Der Drogist holte
daraus eine Glasbüchse, in der ich die
mir wohlbekannte nützliche Pulvermasse
erblickte, und nahm ein kleines Tütchen
zur Land. Laben Sie schon mal etwas
gekauft, was in ein Tütchen getan
wird? Gewiss, aber Sie werden dabei
nie recht auf den Vorgang geachtet
haben. Was nämlich tat der Drogist?
Er wollte doch das Tütchen weit auf-
gesperrt haben, damit er nichts von
dem Pulver vorbeischüttete. And da-
rum pustete er von oben scharf gegen

das Tütchen-pfft! And dann war

das Tütchen weit auf.

Ich hatte mir nichts dabei gedacht;
erst nachher, auf der Straße, überlegte
ich mir die Sache. Das war ja scheußlich.
Es war doch nicht reine, trockene Luft
in das Tütchen gekommen, sondern
menschlicher Atem, Luft, die aus
Lungen kam und durch einen Mund
geströmt war. Nehmen Sie doch einmal ein Glas und
pusten Sie hinein, — Sie werden sehen, wie das Glas
gleich einen feuchten Niederschlag zeigt. Ich habe das
nachher probiert, — da war dann sogar ein Bröselchen Spinat
in dem Glase. And in einer Tüte, in die aus solche Art ge-
pustet worden war, hatte ich nun den Tragant für meine
Zähne. Der Drogist hatte jedenfalls geglaubt, ich brauchte
das Zeug zur Äerstellung irgend einer Klebemasse, und in dem
Falle hätte das Pusten ja auch nichts geschadet. Aber zu
meinem besonderen Zweck konnte ich das Tragant jetzt wirklich
nicht verwenden. Ich bitte Sie: mir hätte ja nie das Früh-
stück geschmeckt, ich hätte immer an den pustenden Drogisten
denken müssen.



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Der Philosoph

„Mein Konkurs hält i heut anmelden
wollen beim Amtsgricht, und auf d' Redout
hat's mi einadraht! Wo bleibt da die mensch-
liche Willensfreiheit?"
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Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Der Philosoph"
Weitere Titel/Paralleltitel
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Blömer, Hermann
Entstehungsdatum
um 1929
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1934
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 170.1929, Nr. 4355, S. 38

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