Der Dster-Haas mit Cöffelgens
Schöpfst iht verdacht am Waldte /
Ich geh wie aufs Pantöjjelgens
Aufs sammetgrüner Halde.
Studier ich? Pentateuch!
pahn fchneuht sich im Geftreuch.
Ich trinck die küsst wie süßen Weyn /
Und mach ich meyne Augen zu /
So siimmren tausent Ldei-Stexn —
Und Räzzgen blühn und 8rawen-Schuh.
Wipjjel / weht nur / schlagt /
ihr sinken /
Schmepchiende Zephyre / singt!
Göldne Zrpl
Neyner Sähn-Sucht kleynes Wincken
Ist es / was in allem klingt.
8lihget / Wolken / rauschet / Arien /
Und ich halt meyn Herhe fest.
Neyner Weh-Nudt kleyne Pärien
Trükknet sambst der lustge West.
Dorillgen ging vorüber grad /
Und Thurn und Taxis blahfen /
Gleich so findt ich erschrökklich sad
pan und die (Vster-Haasen.
Lyn Vrihfgen schikkt 8ormosa /
Und ganh und gar in Rosa l
Ich muß mit ihr spazihren gehn /
Ich bün ja nicht von Lychen-Holh /
Die Kerljen der Rasdahnien stehn
AIH wie eyn 8akkel-2ug so stolh.
wipffel / weht nur / schlagt / ihr 8incken /
Schmeychlende Zephyre / singt!
Neyner Sähn-Sucht kleynes Wincken
Ist es / was in allem klingt.
8l!hget / Wolcken / rauschet / Ärlen /
Und ich halt meyn Herhe sest.
Meyner Weh-Mudt kleyne pärlen
Trükknet fambft der lustge West.
A. w.
Vision
„Jetzt noch den Blutdruck!" sagte der Arzt. „Darf ich
bitten!"
Er legte mir die kühle Gummimanschette um den Ober-
arm. Ein dünner Schlauch führte von ihr zu einer Zeiger-
Vorrichtung auf dem Tische. Noch etwas fester schnallte er die
Binde, und ich fühlte
mein Blut branden und
gegen die Manschette
andrängen und sah, wie
der Zeiger zuckte.
„Seltsam!" dachte ich.
„In diesem Zeiger zuckt
dein Lerz. Millionen Ler-
zen zucken so, zucken und
verlöschen, und Abermil-
lionen lösen sie ab, zucken
in Wonne, winden sich in
Qualen, bäumen sich vor
Schmerz,und eines Tages
liegen sie still.
Wenn man sie pochen
hören könnte, es müßte
erschreckend sein: ein
hämmerndes Leer von
zuckenden Lerzen, die
grandiose Symphoniedes
Lebendigen, der restlose
Lufschlag des Lebens in
die Tore des Todes, Jammer und Jubel versinkend in dem
Dröhnen des über die Erde rauschenden Lebensstromes . .
Es war heiß in dem Raum, ich hatte es früher nicht be-
merkt. Ein Schwall von Blut stieg mir in den Kopf, klopfte
in den Schläfen, rauschte in den Ohren und floß wie ein
Schleier vor den Augen.
Der Arzt näherte sich unhörbar. Er hatte sich umgekleidet,
seinen Aerztemantel gegen ein wallendes Magiergewand ver-
tauscht. Er ging nicht, er schwebte.
Kein Wort sprach er, aber ich las in seinen Augen, was
er tun wollte, und er tat es . - Er schraubte den Schlauch an
eine Quecksilbersäule. Sie zuckte mit jedem Pulsschlag in die
Löhe und fiel dann wieder ein kleines Stück herab, im ganzen
stieg sie und stieg.
„Gut!" murmelte er — oder dachte er es nur? — und
setzte weitere Schläuche an.
Er verband mich mit vielen Dingen, und alle bekamen von
meinem Leben, alle pulsten im Takt meines Lerzens. Die In-
jektionsspritzen stießen ihre Stempel aus und ein wie pum-
pende Kolben in einer Werkstatt, das Licht der Birnen flackerte
gespenstisch, in hundert Medizinflaschen hob und senkte sich
der Flüssigkeitsspiegel, im Uhrzeiger flatterte mein Puls.
Ich hörte ein schurrendes Geräusch. Der Magier zog ei-
nen metallumflochtenen, armdicken Schlauch über den Boden,
verschraubte achtkantiggeschliffene blitzende Düsen miteinander.
Sofort sprang mein Puls hinein und blähte den Schlauch.
Ich sah den Arzt an.
„Sehen Sie nur!" flüsterte er, und ich folgte seinem Blick.
Was hatte er mit mir
gemacht?
Ich war nicht mehr ich,
ich war das Lerz einer
Stadt.
Mein Blut trieb sau-
sende Transmissionen,
keuchte in Schwungrä-
dern, pfiff in den Brem-
sen, rotierte in blitzenden
Wellen und jagte men-
schengefüllte Wagen-
schlangen durch zementne
Schächte im Bauch der
Stadt, preßte Wasser in
die Gipfel der Wolken-
kratzer und spannte die
Manometer von tausend
Maschinen zum Zerplat-
zen.
Ein furchtbarer Ver-
dacht stieg in mir auf:
der Mensch da hatte
mich in seiner Gewalt, er machte mich zur Maschine, er nutzte
mich aus und nahm mir meine beste Kraft. Ich fühlte, wie alles
Leben durch meinen Arm entfloh.
„Nicht bewegen!" flüsterte er.
Ich wollte schreien und konnte nicht. Mit meiner letzten
Kraft riß ich mir die Binde vom Arm.
„Was haben Sie getan?" murmelte der Mann im Man-
tel. „Da!"
Ich sah eine entsetzliche Katastrophe.
Es winselte wie Röcheln Sterbender aus alle» Dampf-
pfeifen, die sausenden Räder rissen klingend entzwei, knir-
schend barsten die trotzigen Schächte und ließen triumphierende
Fluten in sich hinein, wie verglimmende Augen sanken die
lodernden Feuer in die Leizlöcher zurück, aus Schuttlawinen
schossen Staubwolken wie schmutzige Zungen und drang Schreien
und Jammern.
„Nun ist es vorüber!" sagte der Arzt.
Ich begriff nichts. Ich sah das Trümmerfeld. Ich hatte die
Manschette fortgerissen, ich - war —wohl schuld an allem-?
„Meine Schuld?" fragte ich und senkte den Blick.
„Fünf Mark," sagte der Arzt, „und beunruhigen Sie sich
nicht über den kleinen Schwächeanfalll" A. W.
359
von M . Kni/öi-fac^ikjo
„Wieso ,Weiße Woche?""
„Na ja - Schimmel jeschlachtet!"
Schöpfst iht verdacht am Waldte /
Ich geh wie aufs Pantöjjelgens
Aufs sammetgrüner Halde.
Studier ich? Pentateuch!
pahn fchneuht sich im Geftreuch.
Ich trinck die küsst wie süßen Weyn /
Und mach ich meyne Augen zu /
So siimmren tausent Ldei-Stexn —
Und Räzzgen blühn und 8rawen-Schuh.
Wipjjel / weht nur / schlagt /
ihr sinken /
Schmepchiende Zephyre / singt!
Göldne Zrpl
Neyner Sähn-Sucht kleynes Wincken
Ist es / was in allem klingt.
8lihget / Wolken / rauschet / Arien /
Und ich halt meyn Herhe fest.
Neyner Weh-Nudt kleyne Pärien
Trükknet sambst der lustge West.
Dorillgen ging vorüber grad /
Und Thurn und Taxis blahfen /
Gleich so findt ich erschrökklich sad
pan und die (Vster-Haasen.
Lyn Vrihfgen schikkt 8ormosa /
Und ganh und gar in Rosa l
Ich muß mit ihr spazihren gehn /
Ich bün ja nicht von Lychen-Holh /
Die Kerljen der Rasdahnien stehn
AIH wie eyn 8akkel-2ug so stolh.
wipffel / weht nur / schlagt / ihr 8incken /
Schmeychlende Zephyre / singt!
Neyner Sähn-Sucht kleynes Wincken
Ist es / was in allem klingt.
8l!hget / Wolcken / rauschet / Ärlen /
Und ich halt meyn Herhe sest.
Meyner Weh-Mudt kleyne pärlen
Trükknet fambft der lustge West.
A. w.
Vision
„Jetzt noch den Blutdruck!" sagte der Arzt. „Darf ich
bitten!"
Er legte mir die kühle Gummimanschette um den Ober-
arm. Ein dünner Schlauch führte von ihr zu einer Zeiger-
Vorrichtung auf dem Tische. Noch etwas fester schnallte er die
Binde, und ich fühlte
mein Blut branden und
gegen die Manschette
andrängen und sah, wie
der Zeiger zuckte.
„Seltsam!" dachte ich.
„In diesem Zeiger zuckt
dein Lerz. Millionen Ler-
zen zucken so, zucken und
verlöschen, und Abermil-
lionen lösen sie ab, zucken
in Wonne, winden sich in
Qualen, bäumen sich vor
Schmerz,und eines Tages
liegen sie still.
Wenn man sie pochen
hören könnte, es müßte
erschreckend sein: ein
hämmerndes Leer von
zuckenden Lerzen, die
grandiose Symphoniedes
Lebendigen, der restlose
Lufschlag des Lebens in
die Tore des Todes, Jammer und Jubel versinkend in dem
Dröhnen des über die Erde rauschenden Lebensstromes . .
Es war heiß in dem Raum, ich hatte es früher nicht be-
merkt. Ein Schwall von Blut stieg mir in den Kopf, klopfte
in den Schläfen, rauschte in den Ohren und floß wie ein
Schleier vor den Augen.
Der Arzt näherte sich unhörbar. Er hatte sich umgekleidet,
seinen Aerztemantel gegen ein wallendes Magiergewand ver-
tauscht. Er ging nicht, er schwebte.
Kein Wort sprach er, aber ich las in seinen Augen, was
er tun wollte, und er tat es . - Er schraubte den Schlauch an
eine Quecksilbersäule. Sie zuckte mit jedem Pulsschlag in die
Löhe und fiel dann wieder ein kleines Stück herab, im ganzen
stieg sie und stieg.
„Gut!" murmelte er — oder dachte er es nur? — und
setzte weitere Schläuche an.
Er verband mich mit vielen Dingen, und alle bekamen von
meinem Leben, alle pulsten im Takt meines Lerzens. Die In-
jektionsspritzen stießen ihre Stempel aus und ein wie pum-
pende Kolben in einer Werkstatt, das Licht der Birnen flackerte
gespenstisch, in hundert Medizinflaschen hob und senkte sich
der Flüssigkeitsspiegel, im Uhrzeiger flatterte mein Puls.
Ich hörte ein schurrendes Geräusch. Der Magier zog ei-
nen metallumflochtenen, armdicken Schlauch über den Boden,
verschraubte achtkantiggeschliffene blitzende Düsen miteinander.
Sofort sprang mein Puls hinein und blähte den Schlauch.
Ich sah den Arzt an.
„Sehen Sie nur!" flüsterte er, und ich folgte seinem Blick.
Was hatte er mit mir
gemacht?
Ich war nicht mehr ich,
ich war das Lerz einer
Stadt.
Mein Blut trieb sau-
sende Transmissionen,
keuchte in Schwungrä-
dern, pfiff in den Brem-
sen, rotierte in blitzenden
Wellen und jagte men-
schengefüllte Wagen-
schlangen durch zementne
Schächte im Bauch der
Stadt, preßte Wasser in
die Gipfel der Wolken-
kratzer und spannte die
Manometer von tausend
Maschinen zum Zerplat-
zen.
Ein furchtbarer Ver-
dacht stieg in mir auf:
der Mensch da hatte
mich in seiner Gewalt, er machte mich zur Maschine, er nutzte
mich aus und nahm mir meine beste Kraft. Ich fühlte, wie alles
Leben durch meinen Arm entfloh.
„Nicht bewegen!" flüsterte er.
Ich wollte schreien und konnte nicht. Mit meiner letzten
Kraft riß ich mir die Binde vom Arm.
„Was haben Sie getan?" murmelte der Mann im Man-
tel. „Da!"
Ich sah eine entsetzliche Katastrophe.
Es winselte wie Röcheln Sterbender aus alle» Dampf-
pfeifen, die sausenden Räder rissen klingend entzwei, knir-
schend barsten die trotzigen Schächte und ließen triumphierende
Fluten in sich hinein, wie verglimmende Augen sanken die
lodernden Feuer in die Leizlöcher zurück, aus Schuttlawinen
schossen Staubwolken wie schmutzige Zungen und drang Schreien
und Jammern.
„Nun ist es vorüber!" sagte der Arzt.
Ich begriff nichts. Ich sah das Trümmerfeld. Ich hatte die
Manschette fortgerissen, ich - war —wohl schuld an allem-?
„Meine Schuld?" fragte ich und senkte den Blick.
„Fünf Mark," sagte der Arzt, „und beunruhigen Sie sich
nicht über den kleinen Schwächeanfalll" A. W.
359
von M . Kni/öi-fac^ikjo
„Wieso ,Weiße Woche?""
„Na ja - Schimmel jeschlachtet!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Wieso 'Weiße Woche'?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsdatum
um 1929
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1934
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 170.1929, Nr. 4375, S. 359
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg