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Inkasso
Von Weiner Granville Schmidt
Vor einiger Zeit führte mich der Zufall mit Lerrn Direktor
Berliner von der „Ageg" (Ameiseneier-Groß-Einkaufs-Ge-
nossenschaft) zusammen.
Ameifeneier sind bekanntlich ein beliebtes Goldfifchfutter
nicht zu verwechseln mit jenen Goldfischen, die zu den be-
gehrtesten Objekten auf dem Leiratsmarkt zählen — und die
„Ageg" belieferte zoologische Landlungen und Aquariumbe-
sitzer mit Fischsutter.
Im Lause des Ge-
spräches äußerte Direk-
tor Berliner:
„Sie ahnen nicht, wie
die Ameisenbranche da-
niederliegt, und wie
schwer heute Gelder ein-
kommen. Vor dem Krie-
ge hatte jede gut bür-
gerliche Familie, die et-
was auf sich hielt, ihren
Goldfischhafen mit zwei
oder drei Fischen. Leute
haben die meisten die
Goldfische abgeschafft
und verwenden die Lä-
sen als Punschbowlen
oder Einmachgläser.
Außerdem haben wir
unter den Ländlern so
viele faule Zahler. Da
ist besonders ein gewis-
ser Kaludrigkeit. Der
Kerl zahlt nicht und ist
bösartig wie ein Man-
telpavian. Anseren Kassierenden wir mit der Rechnung schickten,
hat er das erste Mal mit Linauswerfen und das zweite Mal
mit Totschlag bedroht. Solche rabiaten Burschen sind gerade
ein Fressen für mich. Dem werde ich die Wahrheit zeigen!
Blamieren werde ich ihn, daß kein Goldfisch mehr ein Ameisenei
von ihm nimmt. And eher geh ich nicht aus dem Lause, bis
ich mein Geld habe. Ich habe mir aus alle Fälle ein Nacht-
hemd und Plüschpantoffeln eingepackt, damit ich mich häuslich
einrichten kann, falls der Bursche nicht gleich klein beigibt.
Ich sage Ihnen, der wird etwas erleben!"
So etwas hätte ich auch gerne erlebt — als tertius
gaudens natürlich — und deshalb beschloß ich, Lerrn Ber-
liner zu begleiten.
Als wir den Laden betraten, fragte eine sehr höfliche
Frau nach unseren Wünschen.
Im Ziegenzuchtverein „DasistunserVorstandmitseinerFrau."
— „Der sieht aber sehr bescheiden aus." — „Tja, dem Mann sieht man nicht
an, daß er die hervorragendste Ziege der ganzen Provinz sein eigen nennt!"
„Rusen Sie mal Lerrn Kaludrigkeit herein!" befahl Direktor
Berliner barsch. „Ich habe ein Wörtchen mit ihm zu reden."
„Einen Augenblick, bitte," entgegnete die Frau sehr höflich,
und mit jener Mitteilsamkeit, wie sie manchen Menschen eigen
ist, fügte sie erläuternd hinzu: „Mein Mann übt gerade am
Punching-Ball. Er ist ja Schwergewichtler im hiesigen Ama-
teur-Boxverein."
Damit ging sie.
Direktor Berliner
öffnete die Ladentür.
„Am Gotteswillen,"
forschte ich, von einer
furchtbaren Ahnung ge-
packt, „Sie wollen doch
nicht gleich handgreiflich
werden und diesen Men-
schen durch die Tür aus
seinem eigenen Geschäft
hinauswerfen? Ver-
sprechen Sie mir, sich
zu mäßigen!"
Leider konnte er mich
in dieser Linsicht nicht
mehr beruhigen, denn
Lerr Kaludrigkeit kam
aus dem Linterzimmer.
Er hatte einen Nak-
ken wie der Stier von
Ari und konnte unter
jeder Land bequem ei-
nen Goldfischhafen ver-
bergen.
Außerdem schien er
Aerger in der Familie gehabt zu haben, denn er machte ein
Gesicht, als ob er in der Stimmung wäre, die gesamte deutsche
Republik in die Pfanne zu hauen.
„Was wünschen Sie?" fragte er mit Betonung.
And Direktor Berliner stammelte: „Ich möchte gern für
zwanzig Pfennig Wasserflöhe."
Als wir aus der Straße standen, sagte Berliner: „Können
Sie mir nicht zwanzig Pfennig Fahrgeld borgen? Ich habe
dem Schuft für diese Viecher mein letztes Geld gegeben, was
ich bei mir hatte, und muß sonst zu Fuß nach Lause gehen. —
Ich lasse Ihnen die Wasserflöhe zur Sicherheit."
„Behalten Sie sie nur," entgegnete ich großmütig und zückte
die Börse. „Wenn Ihre ,Ageg' Pleite gehen sollte, dann könne»
Sie die Tiere dressieren und auf dem nächstjährigen Lamburger
,Dom' als Novität einen Wasserfloh-Zirkus aufmachen."
Inkasso
Von Weiner Granville Schmidt
Vor einiger Zeit führte mich der Zufall mit Lerrn Direktor
Berliner von der „Ageg" (Ameiseneier-Groß-Einkaufs-Ge-
nossenschaft) zusammen.
Ameifeneier sind bekanntlich ein beliebtes Goldfifchfutter
nicht zu verwechseln mit jenen Goldfischen, die zu den be-
gehrtesten Objekten auf dem Leiratsmarkt zählen — und die
„Ageg" belieferte zoologische Landlungen und Aquariumbe-
sitzer mit Fischsutter.
Im Lause des Ge-
spräches äußerte Direk-
tor Berliner:
„Sie ahnen nicht, wie
die Ameisenbranche da-
niederliegt, und wie
schwer heute Gelder ein-
kommen. Vor dem Krie-
ge hatte jede gut bür-
gerliche Familie, die et-
was auf sich hielt, ihren
Goldfischhafen mit zwei
oder drei Fischen. Leute
haben die meisten die
Goldfische abgeschafft
und verwenden die Lä-
sen als Punschbowlen
oder Einmachgläser.
Außerdem haben wir
unter den Ländlern so
viele faule Zahler. Da
ist besonders ein gewis-
ser Kaludrigkeit. Der
Kerl zahlt nicht und ist
bösartig wie ein Man-
telpavian. Anseren Kassierenden wir mit der Rechnung schickten,
hat er das erste Mal mit Linauswerfen und das zweite Mal
mit Totschlag bedroht. Solche rabiaten Burschen sind gerade
ein Fressen für mich. Dem werde ich die Wahrheit zeigen!
Blamieren werde ich ihn, daß kein Goldfisch mehr ein Ameisenei
von ihm nimmt. And eher geh ich nicht aus dem Lause, bis
ich mein Geld habe. Ich habe mir aus alle Fälle ein Nacht-
hemd und Plüschpantoffeln eingepackt, damit ich mich häuslich
einrichten kann, falls der Bursche nicht gleich klein beigibt.
Ich sage Ihnen, der wird etwas erleben!"
So etwas hätte ich auch gerne erlebt — als tertius
gaudens natürlich — und deshalb beschloß ich, Lerrn Ber-
liner zu begleiten.
Als wir den Laden betraten, fragte eine sehr höfliche
Frau nach unseren Wünschen.
Im Ziegenzuchtverein „DasistunserVorstandmitseinerFrau."
— „Der sieht aber sehr bescheiden aus." — „Tja, dem Mann sieht man nicht
an, daß er die hervorragendste Ziege der ganzen Provinz sein eigen nennt!"
„Rusen Sie mal Lerrn Kaludrigkeit herein!" befahl Direktor
Berliner barsch. „Ich habe ein Wörtchen mit ihm zu reden."
„Einen Augenblick, bitte," entgegnete die Frau sehr höflich,
und mit jener Mitteilsamkeit, wie sie manchen Menschen eigen
ist, fügte sie erläuternd hinzu: „Mein Mann übt gerade am
Punching-Ball. Er ist ja Schwergewichtler im hiesigen Ama-
teur-Boxverein."
Damit ging sie.
Direktor Berliner
öffnete die Ladentür.
„Am Gotteswillen,"
forschte ich, von einer
furchtbaren Ahnung ge-
packt, „Sie wollen doch
nicht gleich handgreiflich
werden und diesen Men-
schen durch die Tür aus
seinem eigenen Geschäft
hinauswerfen? Ver-
sprechen Sie mir, sich
zu mäßigen!"
Leider konnte er mich
in dieser Linsicht nicht
mehr beruhigen, denn
Lerr Kaludrigkeit kam
aus dem Linterzimmer.
Er hatte einen Nak-
ken wie der Stier von
Ari und konnte unter
jeder Land bequem ei-
nen Goldfischhafen ver-
bergen.
Außerdem schien er
Aerger in der Familie gehabt zu haben, denn er machte ein
Gesicht, als ob er in der Stimmung wäre, die gesamte deutsche
Republik in die Pfanne zu hauen.
„Was wünschen Sie?" fragte er mit Betonung.
And Direktor Berliner stammelte: „Ich möchte gern für
zwanzig Pfennig Wasserflöhe."
Als wir aus der Straße standen, sagte Berliner: „Können
Sie mir nicht zwanzig Pfennig Fahrgeld borgen? Ich habe
dem Schuft für diese Viecher mein letztes Geld gegeben, was
ich bei mir hatte, und muß sonst zu Fuß nach Lause gehen. —
Ich lasse Ihnen die Wasserflöhe zur Sicherheit."
„Behalten Sie sie nur," entgegnete ich großmütig und zückte
die Börse. „Wenn Ihre ,Ageg' Pleite gehen sollte, dann könne»
Sie die Tiere dressieren und auf dem nächstjährigen Lamburger
,Dom' als Novität einen Wasserfloh-Zirkus aufmachen."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Im Ziegenzuchtverein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1929
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1934
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 171.1929, Nr. 4379, S. 2
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg