Vermeintliche Warnung
Pojahn, der etwas nervöse
Lerr, will sich mal auf dem
Rummelplatz zerstreuen. Da
kommt er an ein Institut, das
einer besonderen Art von Klein-
kunst gewidmet ist. Der An-
reißer schreit ihn an: „Lerr
Baron, gehen Sie nicht am Floh-
zirkus vorüber I"
..Li verflucht I" sagt Pojahn und
kratzt sich unwillkürlich. „Besten
Dank, daß Sie mich darauf auf-
merksam gemacht habenI"
And dann geht er nicht vor-
über. sondern kehrt schleunigst
un».
„Der Film ist zu blödsinnig! Eine Verhandlung mit Schöffen gibt's doch im
Scheidungsprozeß nicht."
„Alle Achtung. Fräulein Mia! Sie sind wohl nebenbei Rechtspraktikantin?"
..Ansinn — zweimal geschieden bin ich."
„Äast du noch nie einen Zu-
sammenstoß tm Auto gehabt?"
„Doch, einmal, als ich mit
der Lotte fuhr. Das war eine
böse Sache!"
„Ra. und dabei bleibst du so
ruhig? Weiter, weiter!"
„Ich wollte sie küffen. und
da hatte ich mit ihr einen furcht-
baren Zusammenstoß."
„Was aber?" drängt der Schmied, da der andere stockt
„Kannst 's Maul halten. Burger? Sogar bei deiner Frau?"
„Ich schwöre." und der Schmied erhebt in spaßhaftem
Ernst die Schwurfinger.
„Racher will i dir 's sagen. Rur bloß dir."
„A solche Ehr!" sagt der Schmied.
„I Hab dir 's. glaub i, scho amal gsagt: Zn dö spiritisti-
schen Sitzungen is 's finster; stockfinster, sag i dir. Weil sonst
dö Geister nöt mögen. And in dieser stockfinstern Nacht nehmen
alle Vereinsmitglieder einander bei der Land. Alle, und zwar
sehr fest. Verstehst? Dö zwoa, dö 's letzte Mal neben mir
gsessen san, halten mi also aus diese Weis, und i halt wieder
dö zwoa. And rühren kann i mi schier nimmer. Guat. And —"
der Gastwirt Lusnagel macht eine Pause.
„No, und?" drängt der Schmied schon wieder, da der andre
jetzt doch, allem Anschein nach, endgültig nicht mehr weiter will.
„And? Ja. dö Gschicht is glei aus. Oaner fragt: .Sind
jetzt alle Lände fest ineinander?^ — .Ja. alle', antworten
mehrere aus der Versammlung, und im nämlichen Augenblick
Hab i scho zwoa Pfundwatschen drin aa. Oane links und dö
ander rechts, daß mir glei 's Feuer um d' Augen blitzt."
„Also auf deutsch gsagt: zwoa durchaus diesseitige Wat-
schen." formuliert der Schmiedmeister sein Gutachten; „denn
daß aus 'm Jenseits raus glei derartig zuaghaur wird, dös
kann ja do nöt recht sei."
Der Gastwirt Lufnagel zuckt
die Achseln. „Auf jeden Fall ist
es eine Feigheit." sagt er. „einem
zuvor d' Länd so fest halten
z'laffen. So etwas paßt mir
nicht. And deswegen geh i a
nimmer hin. Dazu bin ich viel
zu feinfühlig."
Lieronymus Jobs.
Der Feinfühlige
Sonderbar, wie die Neigungen der Menschen nicht selten
sich auf Gebiete begeben, wo sie sich doch nur ausnehmen wie
jenes» bekannte Tier auf dem Eis. So ist der Gastwirt Luf-
nagel. wenn er nicht gerad' von seinen Bierbanzen und der
Gaffenschenke in Anspruch genommen wird. Spiritist, und die
Gäste, und zumal die gebildeten, können sich bisweilen nur schwer
vor seinen mediumistischen Darlegungen, Beweisen und Fol-
gerungen retten. Seit einer Woche aber schweigt er. Warum?
Er gibt keine Antwort. Bescheidet indiskrete Fragen durch
ablehnende Gesten. „Zs, scheint's, dö Geister." klopft sein
Freund, der Schmiedmeister Burger, auf den Busch, „doch
endlich amal dein G'schwah zu dumm worn?Lamm s' dir.
scheint's, 's Reden verboten? Warum a nöt? A Wirt hat in
einer spiritistischen Sitzung so wenig verloren wia a Schmied
auf 'm Friseurball."
„Z geh a nimmer hin." rückt da doch der Gastwirt Luf-
nagel heraus. „And du dersst mi einen ganz charakterlosen
Schuften hoaßen, wenn i a nur noch in eine einzige Spiritisten-
sitzung geh."
„Aha. hat ihn schon! Botschaft aus der andern Welt: der
Lerr Restaurateur Lufnagel wolle gefälligst daheim bleiben."
„Ja, wenn's so höflich Hergängen wär, tät i ja nix sagen,
aber -"
Zeichnung von d. I. Bauer
20
Pojahn, der etwas nervöse
Lerr, will sich mal auf dem
Rummelplatz zerstreuen. Da
kommt er an ein Institut, das
einer besonderen Art von Klein-
kunst gewidmet ist. Der An-
reißer schreit ihn an: „Lerr
Baron, gehen Sie nicht am Floh-
zirkus vorüber I"
..Li verflucht I" sagt Pojahn und
kratzt sich unwillkürlich. „Besten
Dank, daß Sie mich darauf auf-
merksam gemacht habenI"
And dann geht er nicht vor-
über. sondern kehrt schleunigst
un».
„Der Film ist zu blödsinnig! Eine Verhandlung mit Schöffen gibt's doch im
Scheidungsprozeß nicht."
„Alle Achtung. Fräulein Mia! Sie sind wohl nebenbei Rechtspraktikantin?"
..Ansinn — zweimal geschieden bin ich."
„Äast du noch nie einen Zu-
sammenstoß tm Auto gehabt?"
„Doch, einmal, als ich mit
der Lotte fuhr. Das war eine
böse Sache!"
„Ra. und dabei bleibst du so
ruhig? Weiter, weiter!"
„Ich wollte sie küffen. und
da hatte ich mit ihr einen furcht-
baren Zusammenstoß."
„Was aber?" drängt der Schmied, da der andere stockt
„Kannst 's Maul halten. Burger? Sogar bei deiner Frau?"
„Ich schwöre." und der Schmied erhebt in spaßhaftem
Ernst die Schwurfinger.
„Racher will i dir 's sagen. Rur bloß dir."
„A solche Ehr!" sagt der Schmied.
„I Hab dir 's. glaub i, scho amal gsagt: Zn dö spiritisti-
schen Sitzungen is 's finster; stockfinster, sag i dir. Weil sonst
dö Geister nöt mögen. And in dieser stockfinstern Nacht nehmen
alle Vereinsmitglieder einander bei der Land. Alle, und zwar
sehr fest. Verstehst? Dö zwoa, dö 's letzte Mal neben mir
gsessen san, halten mi also aus diese Weis, und i halt wieder
dö zwoa. And rühren kann i mi schier nimmer. Guat. And —"
der Gastwirt Lusnagel macht eine Pause.
„No, und?" drängt der Schmied schon wieder, da der andre
jetzt doch, allem Anschein nach, endgültig nicht mehr weiter will.
„And? Ja. dö Gschicht is glei aus. Oaner fragt: .Sind
jetzt alle Lände fest ineinander?^ — .Ja. alle', antworten
mehrere aus der Versammlung, und im nämlichen Augenblick
Hab i scho zwoa Pfundwatschen drin aa. Oane links und dö
ander rechts, daß mir glei 's Feuer um d' Augen blitzt."
„Also auf deutsch gsagt: zwoa durchaus diesseitige Wat-
schen." formuliert der Schmiedmeister sein Gutachten; „denn
daß aus 'm Jenseits raus glei derartig zuaghaur wird, dös
kann ja do nöt recht sei."
Der Gastwirt Lufnagel zuckt
die Achseln. „Auf jeden Fall ist
es eine Feigheit." sagt er. „einem
zuvor d' Länd so fest halten
z'laffen. So etwas paßt mir
nicht. And deswegen geh i a
nimmer hin. Dazu bin ich viel
zu feinfühlig."
Lieronymus Jobs.
Der Feinfühlige
Sonderbar, wie die Neigungen der Menschen nicht selten
sich auf Gebiete begeben, wo sie sich doch nur ausnehmen wie
jenes» bekannte Tier auf dem Eis. So ist der Gastwirt Luf-
nagel. wenn er nicht gerad' von seinen Bierbanzen und der
Gaffenschenke in Anspruch genommen wird. Spiritist, und die
Gäste, und zumal die gebildeten, können sich bisweilen nur schwer
vor seinen mediumistischen Darlegungen, Beweisen und Fol-
gerungen retten. Seit einer Woche aber schweigt er. Warum?
Er gibt keine Antwort. Bescheidet indiskrete Fragen durch
ablehnende Gesten. „Zs, scheint's, dö Geister." klopft sein
Freund, der Schmiedmeister Burger, auf den Busch, „doch
endlich amal dein G'schwah zu dumm worn?Lamm s' dir.
scheint's, 's Reden verboten? Warum a nöt? A Wirt hat in
einer spiritistischen Sitzung so wenig verloren wia a Schmied
auf 'm Friseurball."
„Z geh a nimmer hin." rückt da doch der Gastwirt Luf-
nagel heraus. „And du dersst mi einen ganz charakterlosen
Schuften hoaßen, wenn i a nur noch in eine einzige Spiritisten-
sitzung geh."
„Aha. hat ihn schon! Botschaft aus der andern Welt: der
Lerr Restaurateur Lufnagel wolle gefälligst daheim bleiben."
„Ja, wenn's so höflich Hergängen wär, tät i ja nix sagen,
aber -"
Zeichnung von d. I. Bauer
20
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der Film ist zu blödsinnig!"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1929
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1934
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 171.1929, Nr. 4380, S. 20
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg