e-m eingeschriebener Brief
Kujatz packte also die Pässe ein, um sie an einen Freund zu
schicken, der damit auf das polnische Generalkonsulat gehen
und zwei Visa für die einfache Durchreise besorgen sollte, das
Stück zu achtzig Pfennigen. Die Visa für die Rückreise wollte
Kujatz sich dann in Danzig geben lassen, das Stück zu einem
Gulden, was auch achtzig Pfennige sind. Denn wenn er gleich
die Visa für Lin- und Rückfahrt hätte haben wollen, dann
hätte er für das Stück acht Mark zahlen müssen. Die Gründe
für diese Berechnung sind völlig in Dunkel gehüllt-wie
so vieles dort.
Der Brief mit den Pässen mußte natürlich eingeschrieben
werden. Das tat der Postagent Mukerow, und Lerr Kujatz
unterrichtete ihn dabei über den Zweck dieser wichtigen Sendung,
bittere Klagen über solche Notwendigkeit daran knüpfend.
„Iawoll, Lerr Kujatz/ meinte auch Mukerow, „das is wirk-
lich 'ne Schweinerei! Ja, der Brief geht heute noch ab, —
Sie kriegen Ihre Pässe schon zur Zeit zurück. Auf Wieder-
sehn, Lerr Kujatz!"
So, das war in Ordnung. Den
ungehemmten natürlichen Lauf
der Dinge angenommen, konnte
Kujatz darauf rechnen, nach 48
Stunden seine Pässe wieder zu
erhalten, und demgemäß setzte er
die Abreise auf den dritten fol-
genden Tag fest und verständigte
den „Strandadler" davon. Der
„Strandadler" ärgerte sich. Nickt,
weil ihn die Leute verließen; er
hatte sie ja sckon eine ganz hübsche
Zeit in seinem Lorste gehabt —
aber, weil sie nicht gleich nach
Lause, sondern erst noch nach
Zoppot fahren wollten. Sie hatten
also noch Geld übrig, und das
hätten sie doch ebenso gut in Nipp-
kau lassen können. Es ist zu be-
greifen, daß der „Strandadler"
nicht geneigt war, Zoppot irgend-
welche Vorzüge vor Nippkau zu-
zubilligen.
Aber nun kamen die Gescheh-
nisse. Zoppot hatte ursprünglich
nicht im Reiseprogramm gestan-
den — sonst hätte man ja die
Visa auch bereits vorher zu Lause
besorgt. Frau Kujatz fand, daß
sie eigentlich nicht so recht ge-
rüstet wäre für das Monte Carlo
des Nordens. In Nippkau hatte
man hinsichtlich der Gewandung
mehr in jener Art austreten
können, die man gemeinhin als
„ungeniert" bezeichnet — was
bekanntlich als Vorzug der klei-
nen Bäder betrachtet wird. Nun,
schließlich würde es ja für die
paar Tage gehen. Aber ein Paar
sehr eleganter Schuhe hatte sie
da, die einiger Auffrischung be-
durften, mit einer entsprechenden
Creme oder Paste. Vielleicht war
so etwas bei August Mukerow
zu finden, nicht in der Postagentur natürlich, sondern im
Kramladen.
Nichtig: Mukerow hatte etwas Vorzügliches für die
Schuhe. Er fand es nicht gleich; eine Viertelstunde kramte er
in unwahrscheinlichen Behältern herum, ehe er endlich eine
schon etwas unansehnlich gewordene Tube anbrachte. So, das
wäre das Rechte: die sauber gereinigten Schuhe ordentlich
damit einreiben, die Paste über Nacht daraus lassen und am
Morgen nachpolieren. Vollkoinmen verändert würden die
Schuhchen dann sein.
Eine Veränderung trat ein, aber nicht die erwünschte: die
eleganten Schuhe hatten über Nacht häßliche Flecke mit merk-
würdig gezackten Rändern bekommen; nach irgend einer ge-
fährlichen Lautkrankheit sah das Leder aus. Frau Kujatz war
unglücklich und empört, nahm die Schuhe in die Land —
natürlich hatte sie noch andere an den Füßen — den Gatten
am Arm und zog mit ihm zu August Mukerow, in aller Frühe,
ehe er noch seine Postagentur aufgemacht hatte.
Zeichnung von I. Schult
Auf dem Nheindampfer „Jetzt muß bald die Lorelei kommen — ich habe schon
eins von ihren goldenen Laaren in der Suppe!"
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Kujatz packte also die Pässe ein, um sie an einen Freund zu
schicken, der damit auf das polnische Generalkonsulat gehen
und zwei Visa für die einfache Durchreise besorgen sollte, das
Stück zu achtzig Pfennigen. Die Visa für die Rückreise wollte
Kujatz sich dann in Danzig geben lassen, das Stück zu einem
Gulden, was auch achtzig Pfennige sind. Denn wenn er gleich
die Visa für Lin- und Rückfahrt hätte haben wollen, dann
hätte er für das Stück acht Mark zahlen müssen. Die Gründe
für diese Berechnung sind völlig in Dunkel gehüllt-wie
so vieles dort.
Der Brief mit den Pässen mußte natürlich eingeschrieben
werden. Das tat der Postagent Mukerow, und Lerr Kujatz
unterrichtete ihn dabei über den Zweck dieser wichtigen Sendung,
bittere Klagen über solche Notwendigkeit daran knüpfend.
„Iawoll, Lerr Kujatz/ meinte auch Mukerow, „das is wirk-
lich 'ne Schweinerei! Ja, der Brief geht heute noch ab, —
Sie kriegen Ihre Pässe schon zur Zeit zurück. Auf Wieder-
sehn, Lerr Kujatz!"
So, das war in Ordnung. Den
ungehemmten natürlichen Lauf
der Dinge angenommen, konnte
Kujatz darauf rechnen, nach 48
Stunden seine Pässe wieder zu
erhalten, und demgemäß setzte er
die Abreise auf den dritten fol-
genden Tag fest und verständigte
den „Strandadler" davon. Der
„Strandadler" ärgerte sich. Nickt,
weil ihn die Leute verließen; er
hatte sie ja sckon eine ganz hübsche
Zeit in seinem Lorste gehabt —
aber, weil sie nicht gleich nach
Lause, sondern erst noch nach
Zoppot fahren wollten. Sie hatten
also noch Geld übrig, und das
hätten sie doch ebenso gut in Nipp-
kau lassen können. Es ist zu be-
greifen, daß der „Strandadler"
nicht geneigt war, Zoppot irgend-
welche Vorzüge vor Nippkau zu-
zubilligen.
Aber nun kamen die Gescheh-
nisse. Zoppot hatte ursprünglich
nicht im Reiseprogramm gestan-
den — sonst hätte man ja die
Visa auch bereits vorher zu Lause
besorgt. Frau Kujatz fand, daß
sie eigentlich nicht so recht ge-
rüstet wäre für das Monte Carlo
des Nordens. In Nippkau hatte
man hinsichtlich der Gewandung
mehr in jener Art austreten
können, die man gemeinhin als
„ungeniert" bezeichnet — was
bekanntlich als Vorzug der klei-
nen Bäder betrachtet wird. Nun,
schließlich würde es ja für die
paar Tage gehen. Aber ein Paar
sehr eleganter Schuhe hatte sie
da, die einiger Auffrischung be-
durften, mit einer entsprechenden
Creme oder Paste. Vielleicht war
so etwas bei August Mukerow
zu finden, nicht in der Postagentur natürlich, sondern im
Kramladen.
Nichtig: Mukerow hatte etwas Vorzügliches für die
Schuhe. Er fand es nicht gleich; eine Viertelstunde kramte er
in unwahrscheinlichen Behältern herum, ehe er endlich eine
schon etwas unansehnlich gewordene Tube anbrachte. So, das
wäre das Rechte: die sauber gereinigten Schuhe ordentlich
damit einreiben, die Paste über Nacht daraus lassen und am
Morgen nachpolieren. Vollkoinmen verändert würden die
Schuhchen dann sein.
Eine Veränderung trat ein, aber nicht die erwünschte: die
eleganten Schuhe hatten über Nacht häßliche Flecke mit merk-
würdig gezackten Rändern bekommen; nach irgend einer ge-
fährlichen Lautkrankheit sah das Leder aus. Frau Kujatz war
unglücklich und empört, nahm die Schuhe in die Land —
natürlich hatte sie noch andere an den Füßen — den Gatten
am Arm und zog mit ihm zu August Mukerow, in aller Frühe,
ehe er noch seine Postagentur aufgemacht hatte.
Zeichnung von I. Schult
Auf dem Nheindampfer „Jetzt muß bald die Lorelei kommen — ich habe schon
eins von ihren goldenen Laaren in der Suppe!"
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Auf dem Rheindampfer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1929
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1934
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 171.1929, Nr. 4384, S. 87
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg