Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Name

Von A. W.

Wir hatten ein Kind bekommen, meine Frau und ich.
Es war ein Sohn. Ich hatte immer davon geträumt, einen
Raffaelschen Engel als Kind zu haben, meine Frau schwärmte
mehr für die Engel von Filippo Lippi. Wie dem auch sei,
unser Kind war weder das eine noch das andere, nicht einmal
eine Kreuzung von beiden. Es war kahl, laut und wurde in
Windeln gewickelt. Wenn es schrie — und es schrie meistens —
wurde es gepudert und bekam eine Flasche. Wenn es nicht
schrie, wurde es auch gepudert und bekam ebenfalls eine Flasche.
Das war ein einfacher und klarer Vorgang, trotzdem behauptete
meine Frau, es sei ein schwieriges Kind.

Manchmal kam der Arzt. Wenn er fortging, war das
Kind krank und schrie, bekam aber keine Flasche. Sobald das
Kind gesund war, kam der Arzt wieder, und drei Tage später
kam die Rechnung. Dann schrie ich. Von dieser Zeit her ist
mir eine Antipathie gegen Kinder-
ärzte geblieben.

Meine Frau behauptete, das
Kind sei schön. Ich bin viel zu
höflich, um in Geschmackssragen
jemand zu widersprechen, nicht
einmal meiner Frau. Aber das
Kind war keineswegs schön. Es
war rot, faltig und hatte eine
Stupsnase, die mit den polizei-
lichen Vorschriften über Erker-
bauten nicht in Einklang zu bringen
war. Ich kann ja ruhig sagen: die
Ääßlichkeit des Kindes hat mir
viele schlaflose Nächte verursacht.

Meine Frau weigerte sich,
das Kind nach unfern Verwandten
zu benennen.

„Namen sind Schicksale,"
pflegte sie zu sagen. „Namen
bestimmen den Charakter. Was
hättest du z. B. für Möglichkeiten
gehabt, wenn dich dein Vater
nicht Emil, sondern Arwed ge-
nannt hätte. Emil ist anerkannt
unbeschwingt und hat einen Stich
ins Banausenhafte."

„Erlaube!" sagte ich in solchen Fällen und ging in den
Klub. Was sollte ein verheirateter Mann ohne seinen Klub
anfangen? Ich habe mich das oft gefragt. Und dabei gehöre
ich nicht einmal einem Klub an.

Die Namensfrage hat uns die Zuneigung von nicht weniger
als 17 Verwandten männlichen Geschlechts gekostet. Jeder von
ihnen hatte einen silbernen Löffel in Aussicht gestellt, wenn
man dem Kind seinen Namen gäbe. 17 silberne Löffel sind
keine Kleinigkeit, und außerdem sorgten sie alle so rührend
für das Kind. Der eine brachte ihm Kamillentee, der andere
Fenchel, der dritte Pfefferminz.

Der vierte deckte es auf, der fünfte deckte es zu, der sechste
stellte es in die Sonne, der siebte rückte es in den Schatten.
Ein weiterer steckte ihm einen Schnuller in den Mund, und
der nächste warf den Schnuller zum Fenster hinaus. Jeder hatte
seine Methode, und alle wurden an unserm Kind angewendet.

Das hörte alles auf, als meine Frau erklärte, daß man
einen Namen nicht geben sollte, sondern daß er sich von selbst
bilden müsse.

340

Als das Kind zwei Jahre alt war, hatte sich der Name
„Mauze" gebildet. Meine Frau verlangte, ich solle nun den
Namen auf dem Standesamt anmelden. So ging ich hin.

„Wie heißen Sie?" fragte der Beamte.

„Emil Meier."

Der Mann sah dicke Bücher durch. Dann wurde er sehr
ernst und sah mich durchdringend an:

„Sie sind ja bereits vor drei Jahren mit Tod abgegangen!"

„Ich glaube," bemerkte ich, „in diesem Falle sicher zu sein,
daß ein Irrtum vorliegt."

„Wir irren uns selten," sagte der Beamte scharf. „Äöch-
stens können Sie sich irren."

Ich sagte, es sei mir natürlich unangenehm, gegen die
Intentionen der Behörde drei Jahre weitergelebt zu haben.

Mein höflicher Ton beruhigte ihn, und er sah weitere dicke
Bände durch. Schließlich sagte er:
„Es stimmt. Sie leben noch."
„Ich war dessen sicher," sagte
ich, „es ist nicht meine Art, der
Behörde Anannehmlichkeiten zu
machen."

„Wie heißt das Kind, Lerr
Meier?"

Es ist nicht zu beschreiben,
welche Wirkung die einfache Tat-
fache ausübte, daß ich den Namen
des Kindes sagte.

Ich war einmal vor Jahren
in einem Lachkabinett, aber dort
war es geradezu trist im Ver-
gleich mit dieser Amtsstube.

Einige Väter prusteten hem-
mungslos, Bräute wieherten vor
Vergnügen, der Beamte schlug
sich ununterbrochen auf die mage-
ren Schenkel und drehte sich vor
Heiterkeit so lange auf seinem
Schemel herum, bis er mit dem
Kopf fast an die Decke stieß. Als
die Schraube nicht mehr weiter
ging, fragte er:

„Kerr, haben Sie eigentlich
ein Kind oder eine Katze bekommen?" und wand sich unter
erneuten Äeiterkeitsausbrüchen wieder nach unten.

Schließlich hatte er sich soweit gefaßt, daß er ein dünnes
Buch herbeiholte, in dem die behördlich zugelassenen Namen
vermerkt waren. Unter ,M' gab es da: Maria, Martin, Max,
Maximilian, Moritz.

„Mauze ist nicht dabei. Nennen Sie das Kind Moritz,
das ist gleich gemacht. Wenn Sie auf Ihrem Namen bestehen,
müssen Sie eine Eingabe an die Staatsregierung machen."

Ich gerate auf öffentlichen Aemtern immer in einen Zu-
stand von Schüchternheit, besonders auf dem Standesamt.
So oft ich auch da war, habe ich das bemerkt.

Auch heute wäre mir um ein Äaar Unheil widerfahren.
Ich geriet, ich weiß nicht wie, in eine fremde Trauung hinein
und wäre um ein kleines als Bigamist entschritten, wenn nicht
im letzten Moment die Braut gestutzt hätte.

Ich machte die Eingabe. Seit dieser Zeit stehe ich in un-
unterbrochenem Verkehr mit Behörden. Das Standesamt,
das Polizeipräsidium, das Einwohneramt, der Minister des

Der gewissenhafte Helfer „Ich muß gehen, gnädige
Frau, weil Sie mir gekündigt haben — aber der

Abschied von dem Putzi wird mir doch zu schwer!"
„Ja, warum denn?"

„Ach, weil er mir immer alle Teller so schön gereinigt hat!"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der gewissenhafte Helfer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Pommerhanz, Karl
Entstehungsdatum
um 1929
Entstehungsdatum (normiert)
1924 - 1934
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 171.1929, Nr. 4400, S. 340

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg
 
Annotationen