Zeichnung ton E. Niemeyer-Moxter
Revolutionsmasken „Einmal so'n Kostüm und nicht wieder! Bloß ein Kavalier
ist da, der zu mir paßt, und als ich von Sekt sprach, hat er gleich den Kopf verloren."
Das Nachthemd Von Sans Reiter
Ich trug inein Nachthemd zur Dampfwaschanstalt „Edel-
weiß" und erstand im Ausverkauf des Residenzkaushauses ein
etwas angeschmutztes, eingerissenes, knopfloses, sonst aber tadel-
los neues Stück zum Einheitspreise von 93'/a Reichspsennig.
Es wurde an der Ausgabestelle säuberlich in braunes Pa-
pier verpackt und mit Bindfaden umschnürt.
Als ich auf dem Nachhausewege aus der Elektrischen steigen
wollte, bemerkte ich aus meinem Platz ein Päckchen, das wohl
mein Vorgänger verloren hatte. Ich zeigte es dem Schaffner,
der mir sagte, ich müßte es ihm zur Ablieferung an das Fund-
amt der Straßenbahngesellschaft aushändigen.
„Schön," sagte ich, „notieren Sie meinen Namen als ehr-
lichen Finder, der den gesetzlichen Finderlohn beansprucht!"^
„Da schneiden Sie sich aber," entgegnete der Schaffner.
„Für Gegenstände, die in der Elektrischen gefunden werden,
kriegen die Finder keinen Finderlohn!"
Zu weitern Aufklärungen fehlte es ihm leider an Zeit.
Nachdem ich mir aus meinem elektrischen „Lerde" ein
Rührei mit Schinken zubereitet und es nebst der Abendzeitung
38
genossen hatte, wollte ich mich zur
Ruhe begeben. Ich entkleidete mich
und langte nach dem Nachthemd,
das auf dem Kopfkissen liegen
mußte.
Als ich dort und unter dem Bett
keins fand, wurde mir allmählich
die Sachlage klar; ich hatte heute
mein — einziges — Nachthemd zur
Waschanstalt getragen, mir ein Er-
satzhemd gekauft und dies dem
Schaffner als „Fundsache" ausge-
händigt . . .
Am nächsten Tage suchte ich das
Fundamt auf und schilderte den
Sachverhalt.
„Sie hättengeschickterschwindeln
müssen," sagte der Lerr Sekretär.
„Ich werde doch nicht so dumm
sein. Ihnen zu glauben, daß Sie
ein Nachthemd, das Sie einige
Stunden zuvor kauften, dem Schaff-
ner als Fundsache aushändigen!
Ihr Gerede von einem zeitweiligen
Dämmerzustände infolge geistiger
Aeberanstrengung ist ja Blöd-
sinn!"
Ich: „Wie sollte ich denn sonst
wissen, daß das Paket, wie Sie sich
überzeugt haben, ein Nachthemd
mit rotem Besatz enthielt?"
Er: „Dafür gibt es viele Er-
klärungen! Die einfachste wäre, daß
Sie den Käufer im Kaufhause be-
obachtet haben und mit ihm in die
Elektrische gestiegen sind!"
Ich: „Dann wünsche ich den
Lerrn Direktor zu sprechen!"
Als ich vor dem Lerrn Direktor
stand, brachte ich demütig mein An-
liegen vor.
Der Lerr Direktor: „Sie sind
wohl noch in Fastnachtsstimmung
und wollen mich verulken, oder Sie
sind verrückt! Machen Sie, daß Sie hinauskommen!"
Ich drang darauf bis zum Lerrn Straßenbahn-Betriebs-
und -Verkehrs-Präsidenten vor und sprach: „Exzellenz, ich ..."
Der Lerr Präsident: „Weiß schon, weiß schon! Bin schon
telefonisch unterrichtet! . . . Müller sechs, werfen Sie den
Narren hinaus!"
Ich mußte vierzehn Tage zuhause bleiben und benutzte
diesen Amstand, mir einen Bart wachsen zu lassen.
Als Linkender mit einem Vollbart erschien ich wieder im
Fundamt.
„Lerr Sekretär," sprach ich, „an vem und dem Tage, zu
der und der Stunde verlor ich in der und der Elektrischen ein
Nachthemd mit rotem Besatz, gekauft im Residenzkaufhause
für 93 'fr Reichspsennig laut Preiszettel. Ist es von einem
ehrlichen Finder abgegeben worden?"
„Jawohl, mein Lerr!" entgegnete der Beamte mit größter
Liebenswürdigkeit. „Lier ist es! Sie können von Glück sagen!
Vor genau vierzehn Tagen unternahm ein Schwindler oder
Verrückter den frechen Versuch, dieses Nachthemd an sich zu
(Forlsetzung Seile 40)
Revolutionsmasken „Einmal so'n Kostüm und nicht wieder! Bloß ein Kavalier
ist da, der zu mir paßt, und als ich von Sekt sprach, hat er gleich den Kopf verloren."
Das Nachthemd Von Sans Reiter
Ich trug inein Nachthemd zur Dampfwaschanstalt „Edel-
weiß" und erstand im Ausverkauf des Residenzkaushauses ein
etwas angeschmutztes, eingerissenes, knopfloses, sonst aber tadel-
los neues Stück zum Einheitspreise von 93'/a Reichspsennig.
Es wurde an der Ausgabestelle säuberlich in braunes Pa-
pier verpackt und mit Bindfaden umschnürt.
Als ich auf dem Nachhausewege aus der Elektrischen steigen
wollte, bemerkte ich aus meinem Platz ein Päckchen, das wohl
mein Vorgänger verloren hatte. Ich zeigte es dem Schaffner,
der mir sagte, ich müßte es ihm zur Ablieferung an das Fund-
amt der Straßenbahngesellschaft aushändigen.
„Schön," sagte ich, „notieren Sie meinen Namen als ehr-
lichen Finder, der den gesetzlichen Finderlohn beansprucht!"^
„Da schneiden Sie sich aber," entgegnete der Schaffner.
„Für Gegenstände, die in der Elektrischen gefunden werden,
kriegen die Finder keinen Finderlohn!"
Zu weitern Aufklärungen fehlte es ihm leider an Zeit.
Nachdem ich mir aus meinem elektrischen „Lerde" ein
Rührei mit Schinken zubereitet und es nebst der Abendzeitung
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genossen hatte, wollte ich mich zur
Ruhe begeben. Ich entkleidete mich
und langte nach dem Nachthemd,
das auf dem Kopfkissen liegen
mußte.
Als ich dort und unter dem Bett
keins fand, wurde mir allmählich
die Sachlage klar; ich hatte heute
mein — einziges — Nachthemd zur
Waschanstalt getragen, mir ein Er-
satzhemd gekauft und dies dem
Schaffner als „Fundsache" ausge-
händigt . . .
Am nächsten Tage suchte ich das
Fundamt auf und schilderte den
Sachverhalt.
„Sie hättengeschickterschwindeln
müssen," sagte der Lerr Sekretär.
„Ich werde doch nicht so dumm
sein. Ihnen zu glauben, daß Sie
ein Nachthemd, das Sie einige
Stunden zuvor kauften, dem Schaff-
ner als Fundsache aushändigen!
Ihr Gerede von einem zeitweiligen
Dämmerzustände infolge geistiger
Aeberanstrengung ist ja Blöd-
sinn!"
Ich: „Wie sollte ich denn sonst
wissen, daß das Paket, wie Sie sich
überzeugt haben, ein Nachthemd
mit rotem Besatz enthielt?"
Er: „Dafür gibt es viele Er-
klärungen! Die einfachste wäre, daß
Sie den Käufer im Kaufhause be-
obachtet haben und mit ihm in die
Elektrische gestiegen sind!"
Ich: „Dann wünsche ich den
Lerrn Direktor zu sprechen!"
Als ich vor dem Lerrn Direktor
stand, brachte ich demütig mein An-
liegen vor.
Der Lerr Direktor: „Sie sind
wohl noch in Fastnachtsstimmung
und wollen mich verulken, oder Sie
sind verrückt! Machen Sie, daß Sie hinauskommen!"
Ich drang darauf bis zum Lerrn Straßenbahn-Betriebs-
und -Verkehrs-Präsidenten vor und sprach: „Exzellenz, ich ..."
Der Lerr Präsident: „Weiß schon, weiß schon! Bin schon
telefonisch unterrichtet! . . . Müller sechs, werfen Sie den
Narren hinaus!"
Ich mußte vierzehn Tage zuhause bleiben und benutzte
diesen Amstand, mir einen Bart wachsen zu lassen.
Als Linkender mit einem Vollbart erschien ich wieder im
Fundamt.
„Lerr Sekretär," sprach ich, „an vem und dem Tage, zu
der und der Stunde verlor ich in der und der Elektrischen ein
Nachthemd mit rotem Besatz, gekauft im Residenzkaufhause
für 93 'fr Reichspsennig laut Preiszettel. Ist es von einem
ehrlichen Finder abgegeben worden?"
„Jawohl, mein Lerr!" entgegnete der Beamte mit größter
Liebenswürdigkeit. „Lier ist es! Sie können von Glück sagen!
Vor genau vierzehn Tagen unternahm ein Schwindler oder
Verrückter den frechen Versuch, dieses Nachthemd an sich zu
(Forlsetzung Seile 40)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Revolutionsmasken"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1930
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1940
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 172.1930, Nr. 4407, S. 38
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg