Zeichnung von E. Kirchner
Opfer des Mitleids „Ach, Albert, früher warst du so'n solider, musterhafter Mann! Warum hast du dich so schrecklich verändert?"
" „Da seid bloß ihr Weiber schuld dran. Immer habt ihr mich dem Schwager Emil als Muster vor-
gehalten — — der arme Kerl hat mir zu leid getan."
Einmal im Jahr!
Von Girg Gilderich
Ein jeder hat einmal seinen Tag, wo er über die Schnur
haut, und es war' gut bestellt um die Menschheit, wenn keiner
mehr hätte als der Lollerbauernjackl, d. i. der Dienst- und
Oberknecht Jakob Wieser beim Lollerbauern in Unterbrunn.
Der hat nämlich im Jahr nur einen einzigen solchen Tag, und
zwar den Georgimarktsonntag in Lörthausen.
Das ganze Jahr über schanzt und schuftet der Zackl für
zwei, rackert und spart und gönnt sich nichts an Aufwand und
Lustbarkeit, ja, kaum von einem Feierabend weiß er etwas-.
Der Äörthauser Georgimarktsonntag aber, das ist sei» Tag.
Der gehört ihm. Da kommt es über ihn mit unwiderstehlicher
Gewalt. Da muß er heraus aus seinem Knicker- und Racker-
leben und mitten hinein in den irdischen Freudentaumel, Und
der Anlaß dazu ist ihm sein zusammengehauster Iahreslohn,
den er ausgerechnet an diesem Tag bei der Lörthauser Spar-
kasse anzulegen sich gedrängt fühlt.
54
Also hält es der Iackl jehr schon an die zwanzig Jahr,
und so hoch ihn auch sein Bauer schätzt und die Bäuerin achtet,
— wenn am Georgimarktsonntag Schlag zwölf der Iackl seinen
samtenen Lut aufsetzt und in den kniehohen, blitzblanken Falten-
stiefeln ausrückt, dann sagen doch alljährlich der Bauer wie die
Bäuerin: „Wia werd er denn heut gar wieder hoamkömma,
der damisch Deist!"
Ans Leimkommen denkt aber der Iackl vorläufig nicht; er
denkt nur daran, daß ihm nichts von all dem Gute» und
Schönen entgehen solle, das die Stadt Lörtbausen und ihr
Georgimarkt böte». Und solcherweise sitzt der Iackl bald mit
einem im Iahrmarktsgewühl aufgegabelten alten Bekannten
beim Klammerbräu, bald unter lauter kleinen Kindern vor dem
Kasperltheater oder läßt seine langen Beine von einem Karussell-
schimmel herunterhüngen, während sein Gesicht ein wohlge-
fälliges Grinsen aufweist. Lierauf taucht er in „Afrika und
Opfer des Mitleids „Ach, Albert, früher warst du so'n solider, musterhafter Mann! Warum hast du dich so schrecklich verändert?"
" „Da seid bloß ihr Weiber schuld dran. Immer habt ihr mich dem Schwager Emil als Muster vor-
gehalten — — der arme Kerl hat mir zu leid getan."
Einmal im Jahr!
Von Girg Gilderich
Ein jeder hat einmal seinen Tag, wo er über die Schnur
haut, und es war' gut bestellt um die Menschheit, wenn keiner
mehr hätte als der Lollerbauernjackl, d. i. der Dienst- und
Oberknecht Jakob Wieser beim Lollerbauern in Unterbrunn.
Der hat nämlich im Jahr nur einen einzigen solchen Tag, und
zwar den Georgimarktsonntag in Lörthausen.
Das ganze Jahr über schanzt und schuftet der Zackl für
zwei, rackert und spart und gönnt sich nichts an Aufwand und
Lustbarkeit, ja, kaum von einem Feierabend weiß er etwas-.
Der Äörthauser Georgimarktsonntag aber, das ist sei» Tag.
Der gehört ihm. Da kommt es über ihn mit unwiderstehlicher
Gewalt. Da muß er heraus aus seinem Knicker- und Racker-
leben und mitten hinein in den irdischen Freudentaumel, Und
der Anlaß dazu ist ihm sein zusammengehauster Iahreslohn,
den er ausgerechnet an diesem Tag bei der Lörthauser Spar-
kasse anzulegen sich gedrängt fühlt.
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Also hält es der Iackl jehr schon an die zwanzig Jahr,
und so hoch ihn auch sein Bauer schätzt und die Bäuerin achtet,
— wenn am Georgimarktsonntag Schlag zwölf der Iackl seinen
samtenen Lut aufsetzt und in den kniehohen, blitzblanken Falten-
stiefeln ausrückt, dann sagen doch alljährlich der Bauer wie die
Bäuerin: „Wia werd er denn heut gar wieder hoamkömma,
der damisch Deist!"
Ans Leimkommen denkt aber der Iackl vorläufig nicht; er
denkt nur daran, daß ihm nichts von all dem Gute» und
Schönen entgehen solle, das die Stadt Lörtbausen und ihr
Georgimarkt böte». Und solcherweise sitzt der Iackl bald mit
einem im Iahrmarktsgewühl aufgegabelten alten Bekannten
beim Klammerbräu, bald unter lauter kleinen Kindern vor dem
Kasperltheater oder läßt seine langen Beine von einem Karussell-
schimmel herunterhüngen, während sein Gesicht ein wohlge-
fälliges Grinsen aufweist. Lierauf taucht er in „Afrika und
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Opfer des Mitleids"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1930
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1940
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 172.1930, Nr. 4408, S. 54
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg