„So ’n Lindernis zu nehmen im Lippodrom — ne Kinderei; aber im
Ieschäftsleben egal sich im Büjel halten und über Iott und Staatsanwalt
hinweg als Favorit durchs Ziel sehen, det will jemacht sein, Lu."
Der Musterpatient
Es kam ein Mann zu einem Arzt geschritten
— Es war ein Spezialist für Hals und Ohr —
Und sprach, er ließ um Untersuchung bitten,
Es käme ihm was nicht geheuer vor.
Der Spezialist besah sich seine Mandeln
Und sprach: „Zugunsten Ihres Körperbaus,
Da wollen wir mal unverzüglich handeln —
Mein lieber Herr, die Mandeln müssen raus!“
Drauf ging der Mann zum Gallenspezialisten
Und sprach, er habe diesbetreffs Verdacht.
Der hat mit Raffinement und großen Listen
Die Galle auf ein Röntgenbild gebracht.
Er sagte lächelnd: „Hier gibts nichts zu lachen !
Wir machens gleich — ziehn Sie sich doch mal aus !
Das beste ist es stets bei solchen Sachen,
Mein lieber Herr, die Galle muß heraus!“
Nun kam der Kranke auch zu ’nem Internen,
Der klopfte, horchte undpalpierte sehr
Und sprach: „Ich halte nichts von dem Entfernen'
Im Gegenteil, man tut das heut nicht mehr!
Die kleine Sache da mit Ihrem Magen
Stellt sich bei gallen-mandellosen ein —
Mein lieber Herr, ich möchte hierzu sagen :
Wir setzen beides neu (vom Affen) ein!“
Zuallerletzt bei einem Hirnexperten
Erschien der Herr und konsultierte ihn.
Er sprach: „Ich kenne nunmehr hier auf Erden
Den Wert der jeweils neusten Medizin.
Zu leben nach der neuesten Erkenntnis
Der Wissenschaft, das macht ich mir zur Pflicht —
Raus oder rein? mich schreckt nicht Ihr
Geständnis !
Trägt man jetztGroßhirn, oder trägt mans nicht?“
K W. Canem
Im Untersuchungsgefängnis
„Warum bist du hier?"
.,'n Fahrrad soll ich geklaut haben!"
„Last du's denn getan?"
„Das weiß ich noch nicht: die Verhand-
lung ist erst nächste Woche!"
Der Seher
Unser Dienstmädchen Ulrike liebt insgeheim den Schneider-
gesellen Fritz Müller, an dem sie besonders die Fähigkeit schätzt,
aus den Sternen und dem Geburtsdatum die Zukunft vok-
herzusagen. Auch daß diese Sehergabe ihrem Besitzer, bei
einem Lonorar von zwei Mark pro Person, manch ein schönes
Stück Geld schon eingetragen hat, spielt in dem Lebenstraum
des Mädchens eine Rolle. Doch meine Frau warnt davor
und nennt den angeblichen Zukunftsblick Ansinn und Schwindel.
Bald darauf bittet indes Ulrike den heimlich Geliebten,
auch ihr die Zukunft zu künden, und schon stellt der Schneider-
geselle zwischen den Geburtszahlcn der Ulrike Psannenstiel
und dem Standort der ihr Leben regierenden Limmelskörper
den schicksalsgeinäßen Zusammenhang her, und schon prophe-
zeit er vermöge seines tiefen Einblickes in die Welt der Sphären,
die Ulrike werde heute noch einen Brief mit Geld erhalten.
356
Leute noch! Da legt Ulrike beglückt ihr Zweimarkstück auf
den Schneidertisch und enteilt, während Lerr Müller vergebens
sie zurückzurusen sucht.
In gespannter Erwartung verbringt nun Ulrike den Rest
des Tages. Immer wieder hör' ich da meine Frau: „Aber,
Ulrike, was inachen Sie denn heut!" oder „Ulrike, so geht's
nicht weiter!" oder „Ulrike, jetzt wird's mir denn doch zu
bunt!" Und um die Stunde der abendlichen Postzustellung,
da Ulrikens Erwartung zu fieberhafter Unrast sich steigert,
vernehme ich sogar: „Rein, Ulrike, jetzt auch noch anstatt
des Marmeladeglases mir das Glas mit dem Laubfrosch
bringen! Ulrike, jetzt reicht es: nächsten Ersten trennen
wir uns!"
Da schrillt die elektrische Klingel, und Ulrike eilt, stürzt,
fliegt zur Wohnungstür. Und siehe da! „Ich soll diesen
Brief an das Fräulein Ulrike hier abgeben. Adje!"
Ieschäftsleben egal sich im Büjel halten und über Iott und Staatsanwalt
hinweg als Favorit durchs Ziel sehen, det will jemacht sein, Lu."
Der Musterpatient
Es kam ein Mann zu einem Arzt geschritten
— Es war ein Spezialist für Hals und Ohr —
Und sprach, er ließ um Untersuchung bitten,
Es käme ihm was nicht geheuer vor.
Der Spezialist besah sich seine Mandeln
Und sprach: „Zugunsten Ihres Körperbaus,
Da wollen wir mal unverzüglich handeln —
Mein lieber Herr, die Mandeln müssen raus!“
Drauf ging der Mann zum Gallenspezialisten
Und sprach, er habe diesbetreffs Verdacht.
Der hat mit Raffinement und großen Listen
Die Galle auf ein Röntgenbild gebracht.
Er sagte lächelnd: „Hier gibts nichts zu lachen !
Wir machens gleich — ziehn Sie sich doch mal aus !
Das beste ist es stets bei solchen Sachen,
Mein lieber Herr, die Galle muß heraus!“
Nun kam der Kranke auch zu ’nem Internen,
Der klopfte, horchte undpalpierte sehr
Und sprach: „Ich halte nichts von dem Entfernen'
Im Gegenteil, man tut das heut nicht mehr!
Die kleine Sache da mit Ihrem Magen
Stellt sich bei gallen-mandellosen ein —
Mein lieber Herr, ich möchte hierzu sagen :
Wir setzen beides neu (vom Affen) ein!“
Zuallerletzt bei einem Hirnexperten
Erschien der Herr und konsultierte ihn.
Er sprach: „Ich kenne nunmehr hier auf Erden
Den Wert der jeweils neusten Medizin.
Zu leben nach der neuesten Erkenntnis
Der Wissenschaft, das macht ich mir zur Pflicht —
Raus oder rein? mich schreckt nicht Ihr
Geständnis !
Trägt man jetztGroßhirn, oder trägt mans nicht?“
K W. Canem
Im Untersuchungsgefängnis
„Warum bist du hier?"
.,'n Fahrrad soll ich geklaut haben!"
„Last du's denn getan?"
„Das weiß ich noch nicht: die Verhand-
lung ist erst nächste Woche!"
Der Seher
Unser Dienstmädchen Ulrike liebt insgeheim den Schneider-
gesellen Fritz Müller, an dem sie besonders die Fähigkeit schätzt,
aus den Sternen und dem Geburtsdatum die Zukunft vok-
herzusagen. Auch daß diese Sehergabe ihrem Besitzer, bei
einem Lonorar von zwei Mark pro Person, manch ein schönes
Stück Geld schon eingetragen hat, spielt in dem Lebenstraum
des Mädchens eine Rolle. Doch meine Frau warnt davor
und nennt den angeblichen Zukunftsblick Ansinn und Schwindel.
Bald darauf bittet indes Ulrike den heimlich Geliebten,
auch ihr die Zukunft zu künden, und schon stellt der Schneider-
geselle zwischen den Geburtszahlcn der Ulrike Psannenstiel
und dem Standort der ihr Leben regierenden Limmelskörper
den schicksalsgeinäßen Zusammenhang her, und schon prophe-
zeit er vermöge seines tiefen Einblickes in die Welt der Sphären,
die Ulrike werde heute noch einen Brief mit Geld erhalten.
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Leute noch! Da legt Ulrike beglückt ihr Zweimarkstück auf
den Schneidertisch und enteilt, während Lerr Müller vergebens
sie zurückzurusen sucht.
In gespannter Erwartung verbringt nun Ulrike den Rest
des Tages. Immer wieder hör' ich da meine Frau: „Aber,
Ulrike, was inachen Sie denn heut!" oder „Ulrike, so geht's
nicht weiter!" oder „Ulrike, jetzt wird's mir denn doch zu
bunt!" Und um die Stunde der abendlichen Postzustellung,
da Ulrikens Erwartung zu fieberhafter Unrast sich steigert,
vernehme ich sogar: „Rein, Ulrike, jetzt auch noch anstatt
des Marmeladeglases mir das Glas mit dem Laubfrosch
bringen! Ulrike, jetzt reicht es: nächsten Ersten trennen
wir uns!"
Da schrillt die elektrische Klingel, und Ulrike eilt, stürzt,
fliegt zur Wohnungstür. Und siehe da! „Ich soll diesen
Brief an das Fräulein Ulrike hier abgeben. Adje!"
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"So 'n Hindernis zu nehmen im Hippodrom..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1930
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1940
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 172.1930, Nr. 4427, S. 356
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg