Zeichnung unn St Potzr
Privatier Mulickes Landgut. Stil: Neue Ansachlichkeit
„Oskar, ich glaube, wir hätten für die Kuh lieber 'ne bedeckte Veranda bauen solle»,
damit das arme Tier auch bei schlechtem Wetter Bewegung hat."
Eine Wattenwanderung
Zeisigs freuten sich auch. Sie hatten früh gegessen und noch
etwas in ihren Zimmern geruht. Infolgedessen war es ihrer
Aufmerksamkeit entgangen, daß die in der erwähnten unschuldigen
Trockenheit daliegende weite Fläche des Watts schon seit längerer
Zeit in diesem Zustande sich befand, etwa drei Stunden lang.
Sie lagen faul an der Düne und schauten scheinbar ganz ohne
Interesse auf die allmählich sich vervollständigende Versammlung.
Ein jüngerer Lerr, der als erster zu Iappe und Frödde
Petersen gestoßen war und nun, bereits barfuß und die Losen
hoch aufgekrempelt, ungeduldig herumlief, sprach den Onkel Pam-
pel an. „Die Lerrschaften sind wohl auch von der Partie, was?
Iestatten: Zickerick! Aus Berlin."
Onkel Pampel erwiderte die Vorstellung nicht, und auch Albert
Zeisig hielt das nicht für nötig. Sie fanden Zickerick aufdring-
86
lich,abernatürlich nur,weilihnen seine
Frage, ob sie auch von der Partie wä-
ren, unbequem war. „Rein, wir gehen
nicht mit," sagte Pampel. „Das heißt,"
setzte er diplomatisch hinzu, „ein biß-
chen werden wir schon im Watt her-
umwandern, ein kleines Stückchen."
„Sie sollten lieber mitkommen,"
riet Zickerick. „Fabelhafte Sachen
jibt es da zu sehn. Da kriejen Se
erst den rechte» Einblick in det jewal-
tije Leben, wat sich auf'm Meeres-
boden breit macht. Millionen von
Muscheln jehn jetzt da im Sonnen-
brände zu Irunde, weil det Wasser
wech is. Einfach jrandios, wat for
'ne Verschwendung sich die Natur
gestatten kann. And all die komi-
schen Biester, die da 'rumkrabbeln!
Na, und dann der sojenannte Klüster-
kamp! Da hat mal 'n jroßartijes
Volk jewohnt. Schwer reich, üppijes
Iesindel. Waren furchtbar frech, sind
dann aber, wie die ollen Sagen mel-
den, eklij bestraft worden — sind alle
jämmerlich ersoffen. Man hat da
noch joldene Ieräte jefunden. Also
beeilen Se sich! Melden Se sich bei
Petersen an — mehr wie 25 Leute
kann der Mann ja nich' mitnehmen."
Aber Onkel Pampel schüttelte nur
den Kopf, und die Familie Zeisig
ignorierte Zickerick überhaupt. Das
verdroß ihn. „Die Lerrschaften sind
wohl erst janz kurze Zeit hier, merke
ich. Die ersten Tage strengt die Luft
mächtig an; da hat man jar keene
Lust, den Schnabel uffzumachen. Is
mir ooch so jejangen — die ersten-
drei Tage habe sojar ich nich viel
reden jemocht. Na also — vielleicht
entschließen Se sich doch!"
Damit entfernte sich Zickerick, den»
setzt rüstete sich Petersens Karawane
zum Aufbruch. Siehe — da eilten
noch einige Nachzügler heran. Aber
nur zwei wurden noch angenommen;
die andern mußten Zurückbleiben.
Onkel Pampel verstand das nicht.
„Vier Leute läßt er gehn — das sind
doch 12 Mark. Warum nimmt er
bloß 25 Leute mit, wie der Mensch aus Berlin gesagt hat?"
„Am Ende hat ex Angst, daß sich welche verkrümeln, wenn
zu viele dabei sind," meinte Lerr Zeisig.
„Na, wenn ich Petersen wäre — da könnten hundert kom-
men. Tausend könnten da kommen!" sagte Onkel Pampel. „Aber
los, Kinder! Jetzt gehn wir mal ganz sachte hinterdrein."
Iappe Petersen war ein schweigsamer Mann; still ging er
der Karawane voraus, während sein Sohn Frödde, aber auch
nur mit spärlichen Worten, die mannigfachen, vorzüglich in das
Gebiet der Naturwissenschaft fallenden Fragen beantwortete. Lerr
Zickerick aus Berlin übernahm es, diese knappen Erklärungen be-
deutend zu erweitern und scherzhaft zu verbrämen, wodurch sie
dann freilich sehr an Genauigkeit einbüßten. Nachträgliche Ver-
besserungen aber unterließ Frödde Petersen;- es war ihm wohl
auch ganz angenehm, daß auf diese Weise für die Anterhaltung
-Fortsetzung Seite 89)
Privatier Mulickes Landgut. Stil: Neue Ansachlichkeit
„Oskar, ich glaube, wir hätten für die Kuh lieber 'ne bedeckte Veranda bauen solle»,
damit das arme Tier auch bei schlechtem Wetter Bewegung hat."
Eine Wattenwanderung
Zeisigs freuten sich auch. Sie hatten früh gegessen und noch
etwas in ihren Zimmern geruht. Infolgedessen war es ihrer
Aufmerksamkeit entgangen, daß die in der erwähnten unschuldigen
Trockenheit daliegende weite Fläche des Watts schon seit längerer
Zeit in diesem Zustande sich befand, etwa drei Stunden lang.
Sie lagen faul an der Düne und schauten scheinbar ganz ohne
Interesse auf die allmählich sich vervollständigende Versammlung.
Ein jüngerer Lerr, der als erster zu Iappe und Frödde
Petersen gestoßen war und nun, bereits barfuß und die Losen
hoch aufgekrempelt, ungeduldig herumlief, sprach den Onkel Pam-
pel an. „Die Lerrschaften sind wohl auch von der Partie, was?
Iestatten: Zickerick! Aus Berlin."
Onkel Pampel erwiderte die Vorstellung nicht, und auch Albert
Zeisig hielt das nicht für nötig. Sie fanden Zickerick aufdring-
86
lich,abernatürlich nur,weilihnen seine
Frage, ob sie auch von der Partie wä-
ren, unbequem war. „Rein, wir gehen
nicht mit," sagte Pampel. „Das heißt,"
setzte er diplomatisch hinzu, „ein biß-
chen werden wir schon im Watt her-
umwandern, ein kleines Stückchen."
„Sie sollten lieber mitkommen,"
riet Zickerick. „Fabelhafte Sachen
jibt es da zu sehn. Da kriejen Se
erst den rechte» Einblick in det jewal-
tije Leben, wat sich auf'm Meeres-
boden breit macht. Millionen von
Muscheln jehn jetzt da im Sonnen-
brände zu Irunde, weil det Wasser
wech is. Einfach jrandios, wat for
'ne Verschwendung sich die Natur
gestatten kann. And all die komi-
schen Biester, die da 'rumkrabbeln!
Na, und dann der sojenannte Klüster-
kamp! Da hat mal 'n jroßartijes
Volk jewohnt. Schwer reich, üppijes
Iesindel. Waren furchtbar frech, sind
dann aber, wie die ollen Sagen mel-
den, eklij bestraft worden — sind alle
jämmerlich ersoffen. Man hat da
noch joldene Ieräte jefunden. Also
beeilen Se sich! Melden Se sich bei
Petersen an — mehr wie 25 Leute
kann der Mann ja nich' mitnehmen."
Aber Onkel Pampel schüttelte nur
den Kopf, und die Familie Zeisig
ignorierte Zickerick überhaupt. Das
verdroß ihn. „Die Lerrschaften sind
wohl erst janz kurze Zeit hier, merke
ich. Die ersten Tage strengt die Luft
mächtig an; da hat man jar keene
Lust, den Schnabel uffzumachen. Is
mir ooch so jejangen — die ersten-
drei Tage habe sojar ich nich viel
reden jemocht. Na also — vielleicht
entschließen Se sich doch!"
Damit entfernte sich Zickerick, den»
setzt rüstete sich Petersens Karawane
zum Aufbruch. Siehe — da eilten
noch einige Nachzügler heran. Aber
nur zwei wurden noch angenommen;
die andern mußten Zurückbleiben.
Onkel Pampel verstand das nicht.
„Vier Leute läßt er gehn — das sind
doch 12 Mark. Warum nimmt er
bloß 25 Leute mit, wie der Mensch aus Berlin gesagt hat?"
„Am Ende hat ex Angst, daß sich welche verkrümeln, wenn
zu viele dabei sind," meinte Lerr Zeisig.
„Na, wenn ich Petersen wäre — da könnten hundert kom-
men. Tausend könnten da kommen!" sagte Onkel Pampel. „Aber
los, Kinder! Jetzt gehn wir mal ganz sachte hinterdrein."
Iappe Petersen war ein schweigsamer Mann; still ging er
der Karawane voraus, während sein Sohn Frödde, aber auch
nur mit spärlichen Worten, die mannigfachen, vorzüglich in das
Gebiet der Naturwissenschaft fallenden Fragen beantwortete. Lerr
Zickerick aus Berlin übernahm es, diese knappen Erklärungen be-
deutend zu erweitern und scherzhaft zu verbrämen, wodurch sie
dann freilich sehr an Genauigkeit einbüßten. Nachträgliche Ver-
besserungen aber unterließ Frödde Petersen;- es war ihm wohl
auch ganz angenehm, daß auf diese Weise für die Anterhaltung
-Fortsetzung Seite 89)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Privatier Mulickes Landgut. Stil: Neue Unsachlichkeit"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1930
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1940
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 173.1930, Nr. 4436, S. 86
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg