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I ch bürge für Gundobald

Von Peter Kringel

Wie konnte ich meinem alten Freunde Gundobald Knarrmeise
die Bitte abschlagen? Er war Staatsbeamter und, soweit mir
bekannt war, von einwandfreiem Charakter. Wenn ich mir sein
Bild so vorzustellen versuchte, so war es das Bild eines leicht-
pessimistischen Menschen mit starkem Anabhängigkeitstrieb. Zwei
einschneidende Erlebnisse hatten sein Beamtendasein zeitweise ver-
düstert, wie ich wußte. Das eine war eine Wurstvergiftung, das
andere eine unglückliche Liebe. Von welchem von beiden ihm die
leichte Weltschmerzlichkeit geblieben war, war mir nicht bekannt.

Er hatte mir geschrieben:

„Lieber alter Freund! Ich muß notwendigerweise lOOOOMark
aufnehmen, die ich ohne weiteres bei der Bank „Der fröhliche
Staatsbeamte" bekommen kann. Aber ich brauche einen Bürgen,
und da habe ich natürlich sofort an Dich gedacht.

Du kannst das wirklich ruhig übernehmen. Sicherheit bietet
Dir mein staatliches Einkommen, von dem ich Dir einen Teil
verpfänden werde. Außerdem bin ich in einer Lebensversicherung,
die allerdings erst kurze Zeit läuft und gewisse Möglichkeiten,
von denen gleich zu sprechen sein wird, noch nicht einschließt, oder
wenigstens vorläufig noch nicht einschließt. Es gibt mithin nur
zwei Möglichkeiten, die für Dich ein Risiko bergen: erstens, wenn
ich von meiner Behörde disziplinarisch bestraft und etwa dienst-
entlassen würde, zweitens, wenn ich bis zum l. April Selbstmord

beginge, für welchen Fall die Lebensversicherung nicht ausgezahlt
würde, beides ist weniger als unwahrscheinlich . . . ."

Ich war gerührt. Gundobald hatte drei Jahre nicht einen
Grunzer hören lassen, nun dachte er an mich. Gut! Er brauchte
mich, und ich war da. Ich schickte ihm unbedenklich die Bürg-
schaft und bat ihn, doch öfter etwas von sich hören zu lassen.

Das tat er auch.

„Mein lieber Freund!" schrieb er. „Ich wußte, daß ich mich
nicht vergeblich an Dich wenden würde, und ich danke Dir. Ich
habe drückende Schulden abzahlen können, und ich würde aufatmen,
wenn das Dasein nicht an sich so trostlos wäre. Man macht
Schulden, um leben zu können, und lebt, um Schulden zu zahlen.
Kennst Du auch das Gefühl, daß man eines Morgens alles stehen
und liegen lassen möchte und, vom heiligen Wandertrieb besessen,
irgendwohin fliehen, und sei es in die dunkelgrünen Wälder
Sibiriens? Ist nicht alles besser als diese ewige Plackerei?"

Mir rieselte eine ganze Kolonie Ameisen — von der großen
roten Sorte — über den Rücken. Wenn Gundobald eines Morgens
in die dunkelgrünen Wälder Sibiriens entwich, und die Bank
„Der fröhliche Staatsbeamte" mir meinen Bürgschaftsschein prä-
sentierte -!

Ich schickte Gundobald mit wendender Post ein Rezept zur
Rervenberuhigung, das mir selber mal gute Dienste getan hatte.

Zur Vorsicht besserte ich es ein wenig aus.
Aus „3 mal tgl. I Eßlöffel" machte ich „9 mal
tgl. 1 Eßlöffel". Dieser fromme Betrug schien
mir dringend nötig, denn offenbar hatte Gun-
dobald die dreifache Dosis bitter nötig.

„Dein Mittel," berichtete er mir, „wirkt
ausgezeichnet. Rur macht es leider furchtbar
schläfrig. Denke Dir, ich bin neulich am
Schreibtisch eingeschlafen, am Hellen Vor-
mittag. Zu allem Anglück kam auch noch der
Chef durch und mußte mich gerade erwischen.
Einen schönen Skandal hat das gegeben, aber
ich muß von mir bekennen, ich habe Zivil-
courage besessen und mir nicht das geringste
gefallen lassen. In größter Ruhe, die ich
ohne Dein Mittel sicher nicht gehabt hätte,
habe ich diesem Tyrannen die Stirne geboten.
Welches ist eigentlich der wirksame Stoff in
dieser Medizin?"

Ich trank drei große Kognaks im Stehen
und schlug einige Male mit dem Kops gegen
die Wand, um meine trüben Ahnungen zu
verscheuchen. Konnte ich vermuten, daß mein
Rezept derartige Wirkungen haben und Gun-
dobald womöglich bis zur disziplinarischen
Entlassung treiben würde? Ich hatte längere
Konferenzen mit einem befreundeten Chemiker,
der in synthetischer Chemie arbeitete und
dessen Spezialität Rervenpräparate waren.
Er empfahl mir ein von ihm erfundenes
Medikament, das jodbehensaure Trioxydia-
minodimethylparabenzaldehydplatinbaryum-
cyanürnitrocalcium in einer Auflösung von
vitaminhaltigem Lebertran. Mein Freund
gab an, daß dieses Mittel eine nervenauf-
peitschende Wirkung hätte. Wenigstens sollte
nun Gundobald nicht mehr über dem Pult
einschlasen und aus seiner unnatürlichen Bier-
ruhe ein wenig aufgerüttelt werden. Viel-
leicht beseitigte das Therapeutikum auch den

Poesie in der Malerei „Nee — Blumenstück — det is mir zu

prosaisch! Lamse nich sowat mit Ana-
nas und een richtichjehenden Lummer?"
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Poesie der Malerei"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Nunes, Emmérico
Entstehungsdatum
um 1930
Entstehungsdatum (normiert)
1920 - 1940
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Kunst
Malerei

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 173.1930, Nr. 4453, S. 358

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