Zeichnung von O. Wedenmeyer
Ein Riesenvorzug
Von Lieronymus Jobs.
Die Frau Obersekretär Wachs-
mann befindet sich soeben als einzige
Kundin im Laden der Kleinkauf-
mannswitwe Grünzuber und packt die
erstandene Ware in ihre Markttasche.
„Jetzt warten S', Frau Obersekretär",
sagt die Frau Grünzubcr, gewisser-
mafien in einem besonders glücklichen
Einfall, „weil wir grad so günstig
beisammen sind, will ich Ihnen doch
schnell mein neues Grammophon vor-
führen. Grad Sie sollen die erste sein,
die's hört!" Die Frau Obersekretär
lehnt jedoch dankend ab, mit recht
bedeutsamem Äinweis darauf, daß sie
schon daheim genug Musik habe, also,
daß die Frau Grünzuber halbgekränkt
und spitzig entgegnet: „Nun ja, frei-
lich, in einer Familie, wo die Musik
so gepflegt wird wie bei Ihnen, muß
es ja ohnehin sein wie im Paradies."
Da bekommt aber die Frau Ober-
sekretär einen förmlichen Anfall.
„Äören S' auf mit der Musikpflege",
schreit sie, „oder ich vergeh' mich!"
und reißt eine überm Ladentisch
hängende Salami herunter und trifft
Anstalten, sie als Wurfgeschoß zu ver-
wenden. „Ich laß mich von Ihne»
nicht frozzeln."
„Frau Obersekretär!" fällt jedoch
der Ergrimmten die Frau Grünzuber
in Wort und Arm und entwindet
ihr die kostbare Wurst. „Frau Ober-
sekretär, was haben S' denn? Ich
Sie frozzeln! Sie, meine beste Kund-
schaft!"
Das sänftigt die Wogen der Er-
regung und weinerlich erklärt die
Frau Obersekretär Wachsmann:
„Weil's wahr is. Daheim die ganze
Woche her nichts als Aufregung und
Vorwürfe und dann auswärts auch
noch so dumm angeredet werden, das
geht einfach über meine Nerven."
And die Frau Grünzuber bedauert
und bedauert, von nichts zu wissen,
und die Frau Obersekretär erzählt.
Was sie aber erzählte, ist dieses:
Es ist richtig, in der Familie
Wachsmann wird die Musik mit
Leidenschaft gepflegt. Er, der Äerr
Obersekretär, ist ein glühender Sänger
und Cellist und verlangt die gleiche
Eingabe an die Musik auch von sämt-
lichen Mitgliedern seiner Familie.
„Was es für ein Instrument ist,"
pflegt er zu sagen, „ist gleich, aber eins
mindestens muß jeder Mensch be-
herrschen," und so kommt es, daß in
der Familie Wachsmann zur rechten
Zeit durcheinander schalle» drei Vio-
linen, zwei Zithern, ein Cello und eine
„Kennen Sie diese Cavatine von Weber, gnädiges Fräulein?"
„Nein, aber ihr Mann kommt mir bekannt vor."
FARBE UND STIMMUNG
Psychologisch ist es stracks bewiesen,
Daß es nicht bloß Hirngespinst-
Salat ist,
Nein: daß Stimmung jenen oder diesen
Farben -vice versa- adäquat ist.
Beispielsweise:
mir wird immer lila,
Wenn ich Fritz mit meiner
Ilse seh,
Wart ich selbst auf sie vor
ihrer Villa,
Flocht ich sagen: mir ist seelisch bleu.
Wenn ich im Familienbade plansche,
Mit dem Ausblick auf die kesse Sonja,
Dann empfinde ich total orantsche
Oder fraise- und das ist noch viel
wonnja l
Wenn ich sommerfrischle und im
Harz bin:
Kommt die Rechnung,
wird mir violetter.
Lola läßt mich warten, bis ich
schwarz bin
(Im Vertrauen: Lissy war viel netter l)
Ultrarot in des Finanzamts Nähe
Oder gallegriin wird mir zu Sinn,
Und wenn ich schwarz-weiße
Pfähle sehe,
Werd ich speigelb (Bayer, der ich bin.)
Nur wenn ich ne ruhige, runde
— Und es fragt mich meine liebe
Beispielsweise Bowlenabend mache,
Dann sind immer nur die andern blau.
A.W.
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Ein Riesenvorzug
Von Lieronymus Jobs.
Die Frau Obersekretär Wachs-
mann befindet sich soeben als einzige
Kundin im Laden der Kleinkauf-
mannswitwe Grünzuber und packt die
erstandene Ware in ihre Markttasche.
„Jetzt warten S', Frau Obersekretär",
sagt die Frau Grünzubcr, gewisser-
mafien in einem besonders glücklichen
Einfall, „weil wir grad so günstig
beisammen sind, will ich Ihnen doch
schnell mein neues Grammophon vor-
führen. Grad Sie sollen die erste sein,
die's hört!" Die Frau Obersekretär
lehnt jedoch dankend ab, mit recht
bedeutsamem Äinweis darauf, daß sie
schon daheim genug Musik habe, also,
daß die Frau Grünzuber halbgekränkt
und spitzig entgegnet: „Nun ja, frei-
lich, in einer Familie, wo die Musik
so gepflegt wird wie bei Ihnen, muß
es ja ohnehin sein wie im Paradies."
Da bekommt aber die Frau Ober-
sekretär einen förmlichen Anfall.
„Äören S' auf mit der Musikpflege",
schreit sie, „oder ich vergeh' mich!"
und reißt eine überm Ladentisch
hängende Salami herunter und trifft
Anstalten, sie als Wurfgeschoß zu ver-
wenden. „Ich laß mich von Ihne»
nicht frozzeln."
„Frau Obersekretär!" fällt jedoch
der Ergrimmten die Frau Grünzuber
in Wort und Arm und entwindet
ihr die kostbare Wurst. „Frau Ober-
sekretär, was haben S' denn? Ich
Sie frozzeln! Sie, meine beste Kund-
schaft!"
Das sänftigt die Wogen der Er-
regung und weinerlich erklärt die
Frau Obersekretär Wachsmann:
„Weil's wahr is. Daheim die ganze
Woche her nichts als Aufregung und
Vorwürfe und dann auswärts auch
noch so dumm angeredet werden, das
geht einfach über meine Nerven."
And die Frau Grünzuber bedauert
und bedauert, von nichts zu wissen,
und die Frau Obersekretär erzählt.
Was sie aber erzählte, ist dieses:
Es ist richtig, in der Familie
Wachsmann wird die Musik mit
Leidenschaft gepflegt. Er, der Äerr
Obersekretär, ist ein glühender Sänger
und Cellist und verlangt die gleiche
Eingabe an die Musik auch von sämt-
lichen Mitgliedern seiner Familie.
„Was es für ein Instrument ist,"
pflegt er zu sagen, „ist gleich, aber eins
mindestens muß jeder Mensch be-
herrschen," und so kommt es, daß in
der Familie Wachsmann zur rechten
Zeit durcheinander schalle» drei Vio-
linen, zwei Zithern, ein Cello und eine
„Kennen Sie diese Cavatine von Weber, gnädiges Fräulein?"
„Nein, aber ihr Mann kommt mir bekannt vor."
FARBE UND STIMMUNG
Psychologisch ist es stracks bewiesen,
Daß es nicht bloß Hirngespinst-
Salat ist,
Nein: daß Stimmung jenen oder diesen
Farben -vice versa- adäquat ist.
Beispielsweise:
mir wird immer lila,
Wenn ich Fritz mit meiner
Ilse seh,
Wart ich selbst auf sie vor
ihrer Villa,
Flocht ich sagen: mir ist seelisch bleu.
Wenn ich im Familienbade plansche,
Mit dem Ausblick auf die kesse Sonja,
Dann empfinde ich total orantsche
Oder fraise- und das ist noch viel
wonnja l
Wenn ich sommerfrischle und im
Harz bin:
Kommt die Rechnung,
wird mir violetter.
Lola läßt mich warten, bis ich
schwarz bin
(Im Vertrauen: Lissy war viel netter l)
Ultrarot in des Finanzamts Nähe
Oder gallegriin wird mir zu Sinn,
Und wenn ich schwarz-weiße
Pfähle sehe,
Werd ich speigelb (Bayer, der ich bin.)
Nur wenn ich ne ruhige, runde
— Und es fragt mich meine liebe
Beispielsweise Bowlenabend mache,
Dann sind immer nur die andern blau.
A.W.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Kennen sie diese Cavatine von Weber, gnädiges Fräulein?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 174.1931, Nr. 4459, S. 39
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg