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Erlebnis des Sekretärs Kufahl

Von Peter Robinson

Der Negierungssekretär Arnold Kufahl befand sich zu un-
gewöhnlich später Stunde auf dem Leimwege. Das heißt: für
ihn war die Stunde ungewöhnlich spät; es mag Leute geben, die
sie früh genannt hätten, allzu früh für Leimwärtsstreben und
Bettverlangen, worüber die Meinungen ja sehr verschieden sind.

Also: es war eine Viertelstunde nach Mitternacht, Sonst
ging Kufahl immer schon um zehn zu Bett, wie sich das für einen
Sekretär gehört, der Frau und Kinder hat und zum Wohle des
Staates in ausgiebiger Nachtruhe seine Kräfte Zusammenhalten
muß, bis zum dereinstigen Abbau. Aber Ausnahmen dürfen Vor-
kommen, und Kufahl war heute vollkommew im Recht: er hatte
an der Geburtstagsfeier eines Freundes teilgenommen, des Navi-
gationslehrers Gustav Zarnekow. Der wohnte bei der Navigations-
schule draußen am Lasen, und Kufahl hatte immerhin genug
Solidität bewiesen dadurch, daß er die Einladung, noch ein biß-
chen zu kneipen und sich dann auf ein gastliches Sofa zu legen,
rundweg ausgeschlagen hatte und lieber um elf Ahr mit dem
letzten Dampfer nach der Stadt zurückgekehrt war. Eine leichte
Benebelung nach auch nur leichtem Wein hatte die Fahrt auf
dem Flusse wieder völlig vertrieben, und nun war der Regierungs-
sekretär nur müde, sehr müde.

Da nahm er in der stillen Straße vor sich einen Menschen
wahr, der sicherlich heute mehr, wohl viel mehr getrunken hatte
als er selber. Es war ein männlicher Mensch — sonst wäre der
Fall ja auch häßlich gewesen. Der Mensch schwankte in den letzten
Stadien vor dem Umfallen; torkelnd suchte er noch nach einem
stützenden Laternenpfahl zu greifen, aber zu spät — er fiel in
Sitzpofition auf den Boden. Kufahl sah im Licht der Laterne
feine Lackstiefel glänzen und die silberne Krücke eines Spazierstocks
blinken; ein eleganter Lut, eine Melone, rollte auf ihn zu. Er
hob den Lut auf und entschloß sich zu weiterer Lilfeleistung, die
ihm eine Pflicht schien. Wäre der Betrunkene nicht so elegant,
sondern ganz schlicht gewesen — dann hätte der Sekretär viel'
leicht nicht helfen mögen. Man schließe daraus aber nicht, daß
Kufahl verwerfliche Unterschiede machte. Nein, das hätte ihm
fern gelegen; aber er war vorsichtig, und die schlichten Betrunke-
nen, besonders die in Kufahls Stadt häufigen besoffenen Matrosen
sind leicht geneigt, Lilfeleistungen als mit ihrer Manneswürde
unverträglich zu finden und deshalb mit Ohrfeigen und Rippen-
stößen zu beantworten.

Kufahl packte also den jetzt noch sacht mit dem Oberkörper
schwankenden Lerrn von rückwärts unter den Armen, wuchtete
'hu mit gewaltiger Anstrengung empor und lehnte ihn an den
^aternenpfahl. Dann erst bekam er das Gesicht zu sehen. Lim-

wel! O Entsetzen, o schaudervolles Zusammentreffen-das

luar ja sein Vorgesetzter, der Regierungsrat Dr. Ottomar von
brenneysen! Und den mußte er, der gehorsamst untergebene
Sekretär Arnold Kufahl, in diesem Zustande treffen! Allerdings
zu staunen brauchte Kufahl nicht. Es war zur Genüge be-
lannt, daß Lerr von Brenneysen manchmal, wie man sagte, durch-
^Ugehen pflegte, wenn auch, die Gründe zu würdigen, gerade der
Sekretär Kufahl nicht geeignet war. Brenneysen war Junggeselle,
sohr wohlhabend und nicht zufrieden mit seinem Amt und Wirken,
^vzu er Ursache hatte, denn im ganzen Regierungsgebäude war
zweifellos der gescheiteste Kopf. Und hin und wieder, etwa
i»>mal in der Woche, fühlte er das Bedürfnis, auf den ganzen
^ram zu pfeifen — — und dann ging er eben durch, wobei mit-
^uter dieses Durchgehen ihn bis in wüste Lafenkneipen führte,
seinem heutigen Zustande nach mußte der Negierungsrat min-
^ostens über den Lerrn Regierungspräsidenten sich geärgert haben.

Aber jetzt war er jedenfalls heiter und glücklich. „Loppla!
^"ar 'ne harte Sitzung!" sprach er, durch Sturz und Auswuchten
wieder etwas ermuntert. „Besten Dank, mein werter Lerr! Mit

„Mensch, Ede, seit wann hast'» du det Ield im Tresorschrank?"

„Stuß, det is kein Tresorschrank. Ick habe mir nur 'n Privatanschluß
an den Schokoladenautomatcn draußen am Haus jebastelt."

„Um Gottes Witten, wollen Sie Fakir werden?"

„Nee, das gibt 'n Bettvorleger für unfern Zimmerherrn, damit er sich
das Nachtwandeln abgewöhnt."

wem habe ich — —" Aber dann erkannte er den Leiser und packte
ihn zärtlich. „Ei wei! Der Lerr Sekretär Kufahl! Mein Kufahl,
liebes Kufahlchen! Mensch, Regierungssekretär, wie kommen Sie
hierher? Nun, warum sollen Sie nicht hierher kommen! Auch
mal ein bißchen herumgewimmelt? Aber gewiß doch! Gut bekom-
men? Nun freilich — schadet ja nichts, gehört sich überhaupt."

Besoffene erwarten, wie große Weise, selten Antworten; sie
können sich alles selber beantworten. Der Sekretär Kufahl emp-
fand das sehr angenehm; er hätte kein Wort herausbringen
können — dieses Zusammentreffen war ja so ungeheuer peinlich
für ihn, umso mehr als die ganze Peinlichkeit allein auf ihm
lastete, denn der Lerr von Brenneysen spürte augenblicklich da
von gar nichts in seiner seligen Berauschtheit. Er hängte sich in
den Arm des Sekretärs ein und war nun bestrebt, wieder rüstig

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Bastler"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 174.1931, Nr. 4461, S. 69

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