Vorgebeugt „Wenn ich Sie nun jetzt küsse, Fräulein Emmy?"
„Dann erzähle ich's Großmama."
„Tut nichts. Zch habe ihr Lörrohr eingesteckt."
CHIROMANTIE FÜR EINE FRAG
Mädel, was bringt dir wohl das Jahr?
Schleppe, Taille, langes Haar?
Und, zu neuem Glanz erblüht,
Weiblichkeit und Gretchengemüt?
Mädel, ich prophezei dir was feins:
Du wirst der Typ von Dreißig und eins.
Deine Wimpern und dein Cachenez —
Und Greta Garbo is dann passfe.
Daß du’s nicht eher wardst, woran hings?
Paß nur auf, bald filmste mit Jannings.
Weiß man denn, was alles noch dein harrt?
Eines Tages entdeckt dich der Reinhardt!
Dein Teint wird berühmt mit einem Ruck-oh! —
Und alles pflegt ihn wie du mit Zudcooh,
Und deine Schlankheit sagt jedem Prasser:
Tag und Nacht nur Fachinger Wasser 1
fleh, und du trägst des Ruhmes Bürden,
Stehst in der Berliner lllustrirten,
Und deine Beine, in Seide gehüllt.
Ergeben das neueste Bembergbild.
Und das ist alles noch gar nichts — uih I —
Eines Tages geht’s nach St. Louis,
Und ich schling einen Huldigungsvers um
Dich, die neueste Miß Universum.
Und am Ende kriegst du noch ’n Beamten
Mit wohlerworbenen, angestammten
Beamtenrechten und Ruhegeld — —
Mädel, dir blüht noch das Glück in der Welt!
Purzel Baum
D i e Kontrollkasse
Von Peter Robinson
Das Geschäft gehörte Daniel Kamrock. Niemand konnte ihm
das Eigentum daran streitig machen, solange die Gesetze da waren
und die schützende Macht eines ordentlichen Rechtsstaates, dem
er dafür — und aus welchem Grunde sonst etwa? — seine Steuern
bezahlte. Es waren auch keine Schulden da für Waren oder die
eben erwähnten Steuern; alles war in bester finanzieller Ord-
nung. Daniel Kamrock wäre also vollkommen in seinem Rechte
gewesen — ja, wenn wir die Angelegenheit mit seinen Augen
ansehen wollen, dürfen wir sogar sagen: er wäre in seinem hei-
ligen Rechte gewesen, wenn er jederzeit in die Ladenkasse gegriffen
und über die vorhandenen Barbestände verfügt hätte. Aber da
war ein Laken, den die Sache hatte; da war die Portion Pfeffer,
in der der Lase lag: Frau Ida Kamrock war auch noch da.
Ach ja! —
Daniel Kamrock war Seefahrer gewesen, zuletzt auf einem
an den Küsten Ostasiens herum vagabondierenden, keineswegs
einwandfreien Dampfer, der jede sehr gut bezahlte, im Verhält-
nis zum Risiko bezahlte Fracht beförderte. Als Daniel dann vor
einigen Jahren wieder einmal in die Leimat gekommen war, hatte
er eine nette Summe mitgebracht, seinen Anteil an der letzten
Unternehmung jenes keineswegs einwandfreien Schiffes, einer
Unternehmung, die bei Singapore vor sich gegangen und ganz
besonders riskant gewesen war. Daniel Kamrock hatte nun vor
der Wahl gestanden: sollte er das Geld wie gewöhnlich schleunigst
wieder durchbringen, oder sollte er seßhaft werden und etwas
Solides anfangen? Er hatte gerade seinen 44. Geburtstag hinter
340
sich; mit dem Durchbringen und dem dann notwendigen weiteren
Seefahren hätte es also noch nichts auf sich gehabt, aber er hatte
doch keine rechte Lust mehr; es saß ihm noch etwas Angst in den
Knochen von der letzten Geschichte bei Singapore, die um ein
Laar schief abgelaufen wäre. So hatte er denn das Geschäft
draußen in der Lafenvorstadt gekauft, einen kleinen Laden mit
Kolonialwaren, Tabak, Schnaps und allerlei Matrosenkram.
Daniel Kamrock hatte sich damit an einen ganz guten Futter-
trog gesetzt. Jede Woche blieb etwas für die Sparkasse übrig,
und so war es ein wohlbegründeter Zukunftstraum, daß er ein-
mal als älterer Lerr in einem der hübschen kleinen Läufer draußen
am Strandwege sitzen würde, neben ehemaligen Kapitänen, aus-
gedienten Lafenbeamten und ähnlichen Leuten, die solch einen
Alterssitz mit dem Ausblick auf die See für das einzig Richtige
halten. Ja, das Geschäft ging, aber Daniel — und das war das
Verdrießliche! — durfte tagsüber nicht gehen. Keine Kleinigkeit
für einen großen, starken Kerl, der immer in frischer Luft gewe-
sen war, nun bis zum Abend hinter dem Ladentisch zu stehen!
Oft genug bekam er Lust einmal die Bude zu schließen und ein
wenig am Lasen zu spazieren. Das konnte er aber nicht, solange
er allein war, und deshalb heiratete Daniel Kamrock.
Es war, was die Interessen des Geschäfts anbetraf, eine
ganz ausgezeichnete Partie. Zda wußte Bescheid mit dem Kram ;
sie war in einem ähnlichen größeren Geschäft drinnen in der Stadt
angestellt gewesen, ein Umstand, der übrigens Daniels Wahl
iFvrlsetzung Seile 342)
„Dann erzähle ich's Großmama."
„Tut nichts. Zch habe ihr Lörrohr eingesteckt."
CHIROMANTIE FÜR EINE FRAG
Mädel, was bringt dir wohl das Jahr?
Schleppe, Taille, langes Haar?
Und, zu neuem Glanz erblüht,
Weiblichkeit und Gretchengemüt?
Mädel, ich prophezei dir was feins:
Du wirst der Typ von Dreißig und eins.
Deine Wimpern und dein Cachenez —
Und Greta Garbo is dann passfe.
Daß du’s nicht eher wardst, woran hings?
Paß nur auf, bald filmste mit Jannings.
Weiß man denn, was alles noch dein harrt?
Eines Tages entdeckt dich der Reinhardt!
Dein Teint wird berühmt mit einem Ruck-oh! —
Und alles pflegt ihn wie du mit Zudcooh,
Und deine Schlankheit sagt jedem Prasser:
Tag und Nacht nur Fachinger Wasser 1
fleh, und du trägst des Ruhmes Bürden,
Stehst in der Berliner lllustrirten,
Und deine Beine, in Seide gehüllt.
Ergeben das neueste Bembergbild.
Und das ist alles noch gar nichts — uih I —
Eines Tages geht’s nach St. Louis,
Und ich schling einen Huldigungsvers um
Dich, die neueste Miß Universum.
Und am Ende kriegst du noch ’n Beamten
Mit wohlerworbenen, angestammten
Beamtenrechten und Ruhegeld — —
Mädel, dir blüht noch das Glück in der Welt!
Purzel Baum
D i e Kontrollkasse
Von Peter Robinson
Das Geschäft gehörte Daniel Kamrock. Niemand konnte ihm
das Eigentum daran streitig machen, solange die Gesetze da waren
und die schützende Macht eines ordentlichen Rechtsstaates, dem
er dafür — und aus welchem Grunde sonst etwa? — seine Steuern
bezahlte. Es waren auch keine Schulden da für Waren oder die
eben erwähnten Steuern; alles war in bester finanzieller Ord-
nung. Daniel Kamrock wäre also vollkommen in seinem Rechte
gewesen — ja, wenn wir die Angelegenheit mit seinen Augen
ansehen wollen, dürfen wir sogar sagen: er wäre in seinem hei-
ligen Rechte gewesen, wenn er jederzeit in die Ladenkasse gegriffen
und über die vorhandenen Barbestände verfügt hätte. Aber da
war ein Laken, den die Sache hatte; da war die Portion Pfeffer,
in der der Lase lag: Frau Ida Kamrock war auch noch da.
Ach ja! —
Daniel Kamrock war Seefahrer gewesen, zuletzt auf einem
an den Küsten Ostasiens herum vagabondierenden, keineswegs
einwandfreien Dampfer, der jede sehr gut bezahlte, im Verhält-
nis zum Risiko bezahlte Fracht beförderte. Als Daniel dann vor
einigen Jahren wieder einmal in die Leimat gekommen war, hatte
er eine nette Summe mitgebracht, seinen Anteil an der letzten
Unternehmung jenes keineswegs einwandfreien Schiffes, einer
Unternehmung, die bei Singapore vor sich gegangen und ganz
besonders riskant gewesen war. Daniel Kamrock hatte nun vor
der Wahl gestanden: sollte er das Geld wie gewöhnlich schleunigst
wieder durchbringen, oder sollte er seßhaft werden und etwas
Solides anfangen? Er hatte gerade seinen 44. Geburtstag hinter
340
sich; mit dem Durchbringen und dem dann notwendigen weiteren
Seefahren hätte es also noch nichts auf sich gehabt, aber er hatte
doch keine rechte Lust mehr; es saß ihm noch etwas Angst in den
Knochen von der letzten Geschichte bei Singapore, die um ein
Laar schief abgelaufen wäre. So hatte er denn das Geschäft
draußen in der Lafenvorstadt gekauft, einen kleinen Laden mit
Kolonialwaren, Tabak, Schnaps und allerlei Matrosenkram.
Daniel Kamrock hatte sich damit an einen ganz guten Futter-
trog gesetzt. Jede Woche blieb etwas für die Sparkasse übrig,
und so war es ein wohlbegründeter Zukunftstraum, daß er ein-
mal als älterer Lerr in einem der hübschen kleinen Läufer draußen
am Strandwege sitzen würde, neben ehemaligen Kapitänen, aus-
gedienten Lafenbeamten und ähnlichen Leuten, die solch einen
Alterssitz mit dem Ausblick auf die See für das einzig Richtige
halten. Ja, das Geschäft ging, aber Daniel — und das war das
Verdrießliche! — durfte tagsüber nicht gehen. Keine Kleinigkeit
für einen großen, starken Kerl, der immer in frischer Luft gewe-
sen war, nun bis zum Abend hinter dem Ladentisch zu stehen!
Oft genug bekam er Lust einmal die Bude zu schließen und ein
wenig am Lasen zu spazieren. Das konnte er aber nicht, solange
er allein war, und deshalb heiratete Daniel Kamrock.
Es war, was die Interessen des Geschäfts anbetraf, eine
ganz ausgezeichnete Partie. Zda wußte Bescheid mit dem Kram ;
sie war in einem ähnlichen größeren Geschäft drinnen in der Stadt
angestellt gewesen, ein Umstand, der übrigens Daniels Wahl
iFvrlsetzung Seile 342)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Vorgebeugt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 174.1931, Nr. 4478, S. 340
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg