Zeichnung von 3. Schult
Das Schönste auf der Welk
aber sehr unwillig hinunter-
schreit: „Das geht mich nichts
an!" und das Fenster zu-
wirft.
Mit solchem Bescheid kann
jemand, deffen Lebensziele die
Trinkgelder sind, unmöglich sei-
nem Auftraggeber sich nahen,
und dieses auf den ersten Blick,
selbst in nächtlicher Finsternis
erkennend, sann der Laus-
knecht Matthias, wie er dem
Bezirkstierarzt den Haus-
schlüssel entlocke. Sodann
schellte er abermals, indem er
das ganze Gewicht seines haus-
knechtlichen Daumens auf dem
elektrischen Knopf ruhen ließ.
Andwiedererschien dteTraum-
gestalt, diesmal mit einem
fürchterlichen Fluch zum Fen-
ster hinaus. Nicht um eine
Kuh handle es sich, ward aus
dem Straßendunkel hinaufbe-
richtet, sondern um den Amts-
richter Kühl, und nicht kalben
wolle der, sondern lediglick
hinein in sein Laus, was er
aber ohne Schlüssel nicht ver-
möge. Darum doch in Gottcs-
uamen her mit dem Laus-
schlüssel, den der Lerr Be-
zirkstierarzt mit dem Mantel
mitgenommen habe! Da ent-
fernte sich oben die Gestalt,
erschien nach einer Weile
wieder und schmiß dem Laus-
knecht Matthias einen be-
trächtlichen Schlüssel mit sol-
cher Wucht auf das Dach, daß
Matthias in seiner Barhäup-
tigkeit und im Linblick aus
seine auch auf den Bezirks-
tierarzt sich erstreckenden Le-
bensziele einen Schmerzens-
schrei nicht unterdrückte. Er
blutete sogar etwas. Mit Ver-
gnügen bemerkte er es im
trüben Schein einer Straßen-
laterne; denn er kannte nur
zu gut den unvergleichlichen
Zusammenhang, in dem Blut- Kuhnen aus der Provinz
Verlust und Trinkgeld stehen.
Doch im Lampenlicht der „Gu-
ten Stunde" entpuppte sich der
Schlüssel sofort als der un-
rechte, was den Amtsrichter Kühl, ungeachtet des um ihn
vergossenen Blutes, zu der Feststellung veranlaßte: „Matthias,
Sie sind ein Rindvieh."
Schon wollte sich der aufopfernde Diener noch einmal vor
die Löhle des Löwen begeben, um doch noch den rechten Schlüssel
herbeizuschaffen, da löste der Zufall in Gestalt des späten Gastes
Nörschel das Wirrsal; denn Lerr Nörschel wohnte im gleichen
Lause wie Lerr Kühl, und ihm sich anschließend bedurfte der
Richter keines eigenen Schlüssels mehr.
„So, Kinder: in der Oper sind wir gewesen, damit
ihr zu Lause was zu erzählen habt. And jetzt gehn wir
in 'ne Tanzdiele-"
„Ach ja — damit wir was zu verschweigen haben."
So war von dem ganzen bunten Abend zuletzt nur noch unge-
mein eintönig der Lausknecht Matthias übrig und hatte in der
„Guten Stunde" einige recht schwermutvolle Augenblicke. „Für
was," sprach er da, „Han i iatz mei Bluat vergösse? A Rindvieh, ja,
Han i mi heiße lasse müasse, — aber wer wird mir's einwechsle,
daß i zu meim Trinkgeld komm? I fürcht, neamed. Ja, ja, 's gibt
nix Schönres auf der Welt als 's Trinkgeld, und gern nimmt ma
dafür au was hin, aber — zahlt muaß 's were. Sonst ischt 's scho
bald gscheiter, 's wird einer a Professr."
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Das Schönste auf der Welk
aber sehr unwillig hinunter-
schreit: „Das geht mich nichts
an!" und das Fenster zu-
wirft.
Mit solchem Bescheid kann
jemand, deffen Lebensziele die
Trinkgelder sind, unmöglich sei-
nem Auftraggeber sich nahen,
und dieses auf den ersten Blick,
selbst in nächtlicher Finsternis
erkennend, sann der Laus-
knecht Matthias, wie er dem
Bezirkstierarzt den Haus-
schlüssel entlocke. Sodann
schellte er abermals, indem er
das ganze Gewicht seines haus-
knechtlichen Daumens auf dem
elektrischen Knopf ruhen ließ.
Andwiedererschien dteTraum-
gestalt, diesmal mit einem
fürchterlichen Fluch zum Fen-
ster hinaus. Nicht um eine
Kuh handle es sich, ward aus
dem Straßendunkel hinaufbe-
richtet, sondern um den Amts-
richter Kühl, und nicht kalben
wolle der, sondern lediglick
hinein in sein Laus, was er
aber ohne Schlüssel nicht ver-
möge. Darum doch in Gottcs-
uamen her mit dem Laus-
schlüssel, den der Lerr Be-
zirkstierarzt mit dem Mantel
mitgenommen habe! Da ent-
fernte sich oben die Gestalt,
erschien nach einer Weile
wieder und schmiß dem Laus-
knecht Matthias einen be-
trächtlichen Schlüssel mit sol-
cher Wucht auf das Dach, daß
Matthias in seiner Barhäup-
tigkeit und im Linblick aus
seine auch auf den Bezirks-
tierarzt sich erstreckenden Le-
bensziele einen Schmerzens-
schrei nicht unterdrückte. Er
blutete sogar etwas. Mit Ver-
gnügen bemerkte er es im
trüben Schein einer Straßen-
laterne; denn er kannte nur
zu gut den unvergleichlichen
Zusammenhang, in dem Blut- Kuhnen aus der Provinz
Verlust und Trinkgeld stehen.
Doch im Lampenlicht der „Gu-
ten Stunde" entpuppte sich der
Schlüssel sofort als der un-
rechte, was den Amtsrichter Kühl, ungeachtet des um ihn
vergossenen Blutes, zu der Feststellung veranlaßte: „Matthias,
Sie sind ein Rindvieh."
Schon wollte sich der aufopfernde Diener noch einmal vor
die Löhle des Löwen begeben, um doch noch den rechten Schlüssel
herbeizuschaffen, da löste der Zufall in Gestalt des späten Gastes
Nörschel das Wirrsal; denn Lerr Nörschel wohnte im gleichen
Lause wie Lerr Kühl, und ihm sich anschließend bedurfte der
Richter keines eigenen Schlüssels mehr.
„So, Kinder: in der Oper sind wir gewesen, damit
ihr zu Lause was zu erzählen habt. And jetzt gehn wir
in 'ne Tanzdiele-"
„Ach ja — damit wir was zu verschweigen haben."
So war von dem ganzen bunten Abend zuletzt nur noch unge-
mein eintönig der Lausknecht Matthias übrig und hatte in der
„Guten Stunde" einige recht schwermutvolle Augenblicke. „Für
was," sprach er da, „Han i iatz mei Bluat vergösse? A Rindvieh, ja,
Han i mi heiße lasse müasse, — aber wer wird mir's einwechsle,
daß i zu meim Trinkgeld komm? I fürcht, neamed. Ja, ja, 's gibt
nix Schönres auf der Welt als 's Trinkgeld, und gern nimmt ma
dafür au was hin, aber — zahlt muaß 's were. Sonst ischt 's scho
bald gscheiter, 's wird einer a Professr."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Kusinen aus der Provinz"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 175.1931, Nr. 4508, S. 407
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg