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„Müssen wir denn schon gehen, Ralphs Du verdirbst
mir den ganzen Abend!"

„Was heißt Abend? Es ist halb vier Uhr morgens."

Bauh will sich im neuen Jahre nicht ärgern

Von Peter Robinson
Albert Bauh, der nicht gerade vorzüglich konservierte Fünf-
ziger, sitzt an seinem Schreibtisch und überlegt:

„Der Anfang eines Jahres bringt gewöhnlich löbliche Ent-
schlüsse. Ich werde mir jetzt vornehmen, mich nicht mehr zu ärgern.
Mein Arzt, der Sanitätsrat Strubel, hat mir das schon lange
geraten. Ich bin sehr nervös, auch ist meine Leber nicht in Ord-
nung, und deshalb neige ich dazu, mich zu ärgern, dem Aerger
in zornigen Worten Ausdruck zu geben und mit immer wilderem,
oft sehr häßlichem Schimpfe» mich in eine immer größere Wut
hineinzuhetzen. Das aber wirkt wieder schädigend auf Leber und
Nerven, wodurch dann die Neigung zu zornigen Aufwallungen
noch stärker wird, und so hat sich ein niederträchtiger Kreislauf
ergeben, in dem ich jetzt endlich mit strammer Eutschlossenheit
eine Bremse anbringen werde.

Ich bin also fest entschlossen, mich nicht mehr zu ärgern.
Sanitätsrat Strubel hat mir empfohlen, mich regelrecht gegen
Aufregungen zu wappnen. Sehr nützlich würde es sein, hat er
gemeint, wenn ich zunächst einmal einige ständig wiederkehrende
Ursachen zum Aerger seststellte und mir notierte, um sie immer
vor Augen zu haben und mich daran zu gewöhnen. Das scheint
mir recht vernünftig, und ich fange hier gleich damit an.

Da ist also zunächst der Briefträger, der mir so oft die erste
Morgenstunde verdorben hat. Bei regelrechter Erledigung seines
ersten Bestellganges muß der Mann um acht Ahr bei mir ein-
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treffen. Diese Zeit paßt mir auch vorzüg-
lich; ich kann dann noch schnell die Briefe
ansehn, ehe ich in's Geschäft muß. Aber
kommt der Briefträger regelmäßig um
acht Ahr? Fällt ihm gar nicht ein; es
ist manchmal schon neun Ahr geworden,
ehe er auftaucht. Ich habe ermittelt,
woran das liegt, und daß die Gründe
für sein Spätkommen sehr zu beanstanden,
in hohem Grade herausfordernd, empörend
und aufreizend sind. Der Kerl hält sich
nämlich unterwegs auf, um zu schwatzen
und zu tratschen. Statt vorwärts zu mar-
schieren und rechts und links die Postsachen
abzugeben, wie das seine verdammte Pflicht
und Schuldigkeit wäre, bleibt er hier und
dort stehen, beim Bäcker oder beim Grün-
kramhändler oder bei einem Lausmeister,
und führt politische Gespräche, wobei jeden-
falls nur ganz saublödes Zeug herauskommt-
Ich stehe nicht an, solche widerwärtige
Pflichtvergessenheit als ein Amtsvergehen
zu bezeichnen, ja als ein Amtsverbrechen.
Da stellt sich das Subjekt hin und redet
mit breitem Maul seinen Quatsch, und
inzwischen muß ich auf meine Postsachen
warten und koche und möchte mir die letzten
Laare ausreißen vor Wut.

Was aber das Gemeinste ist, was mich
am meisten empört, ist der beleidigende
Amstand, daß dieser Abschaum von Post-
bote seinen längsten Aufenthalt immer ge-
rade am Nachbarhause nimmt. Nur noch
ein paar Dutzend Schritte trennen ihn von
meiner Tür, aber ehe der Schuft diese
paar Schritte macht, läßt er oft eine halbe
Stunde vergehen. Mit dem Dienstmädchen
aus der Parterrewohnung nebenan hält
er sich auf, — ich habe das beobachtet,
wenn ich zähneknirschend auf ihn wartete.
Er schäkert mit ihr, er tut schön, verliebte Augen macht er, ganz
große Kalbsaugen. Kann er nicht gefälligst außerhalb seines
Dienstes verliebt sein? Meine Loffnung ist nur, daß Ernst da-
raus wird, daß die beiden heiraten und sich dann zanken und
prügeln werden.

Denn das Dienstmädchen von nebenan ist auch eine ganz
niederträchtige Person, über die ich mich jede Woche mindestens
zweimal so ärgern muß, daß mich schon längst der Schlag ge-
troffen hätte, wenn ich dazu veranlagt wäre. Die Bestie klopft
nämlich Teppiche; ohne sich an die solcher Gemeinheit entgegen-
stehende Polizeiverordnung zu kehren, klopft sie zwischen zwei
und drei Ahr nachmittags, wenn ich schlafen will. Ich habe schon
öfter zum Fenster hinausgeschrien und ihr das untersagt, aber
der Satan kehrt sich nicht daran; er grinst und tut, als wäre ich
ein Narr, ein Lanswurst, um den man sich nicht kümmern müßte.
And dann haut die entmenschte Person erst recht zu; mich wun-
dert, daß die Teppiche nicht in Fetzen fliegen. Wenn das noch
einmal vorkommt, werde ich Anzeige bei der Polizei machen. Ich
fürchte nur, das wird nicht viel helfen, denn in unserm Bezirk
ist die Polizei in solchen Lausangelegenheiten von einer jedes
erträgliche Matz turmhoch übersteigenden, selbst die äußerste
Langmut schamlos verletzenden Nachlässigkeit. Ich werde mich
also an den Polizeipräsidenten wenden oder besser gleich an den
Minister des Innern, der ja wohl die Polizei unter sich hat.
Einen gepfefferten Brief werde ich ihm schicken. ,Lerr Ministerl"

(Fortsetzung Sette 424)
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Müssen wir denn schon gehen, Ralph?"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Claus, Martin
Entstehungsdatum
um 1931
Entstehungsdatum (normiert)
1926 - 1936
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 175.1931, Nr. 4509, S. 422

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