„Warum kriege ich keinen Kuß mehr von Ihnen, seit ich
erzählt habe, daß ich unter Kuratel stehe?"
„Seitdem sind Sie eben auch von mir — entmündigt!"
Ein köstliches Erlebnis
Kufahl wird jetzt wirklich etwas zerfahren, um nicht
zu sagen: trottelig. Nun ja, der Mann hat auch Kummer
und Sorgen.
Als ich neulich bei Kufahl war, hatte er gerade An-
sichtskarten in ein Album geklebt. „Kleine Erinnerungen
an bessere Zeiten!" sagte er. „Sehen Sie mal hier: Rudol-
stadt. Äübsche kleine Stadt. Von da fährt man ins
Schwarzathal. Sehr lohnend! L>ab' ich mal gemacht. And
dann bin ich mit der Motorpost hinüber nach Weimar.
Da kommt man durch das Städtchen Kranichfeld. Merk-
würdiger Name, nicht wahr? Es muß da mal viel Kraniche
gegeben haben. Schade, daß diese Vögel so selten geworden
sind. Kommen doch auch in einem Gedicht vor, nicht wahr?
Richtig die Geschichte mit Ibykus. Ja, also in
Kranichseld hielt damals die Motorpost, und da hatte ich
ein köstliches Erlebnis. Das muß ich Ihnen erzählen. Eine
meiner schönsten Erinnerungen. Das werde ich nie ver-
gessen, und wenn ich so alt werde wie Methusalem — —
was wir allerdings nicht hoffen wollen. Unauslöschlich hat
sich mir das eingeprägt. Da kam nämlich
Da steckte Frau Kufahl den Kopf zur Türe herein.
„Ach, Paul — einen Augenblick!"
Kufahl verschwand. Als er »ach drei Minuten wieder-
kam, war sein Äaupt umwölkt. „Wieder mal eine Rech-
nung!" stöhnte er. „Das hört nie auf, das nimmt nie ein
Ende! Immer bezahlen und bezahlen!"
Ich suchte Kufahl abzulenke». „Sie sprachen von Kra-
nichfeld, Äerr Kufahl. Da wollten Sie mir etwas erzählen."
Kufahl rieb sich die Stirn. „Ich weiß wirklich
nicht — — —"
„Ja — von einem Erlebnis, das Sie köstlich
nannten."
„Ein Erlebnis in Kranichfeld?" Kufahl schüttelte den
Kops. „Keine Ahnung! Ich habe total vergessen, was ich
vorhin erzählen wollte." -»».
Dr. Knaups Telephon ist kaputt
Von Peter Kringel
Dr. Knaups Telephon war kaputt. Es war ein Apparat zum
Selbstwählen. Sein sonst so sauber und zuverlässig arbeitender
Mechanismus schien heillos in Anordnung zu sein. Eine Art
Paralyse war eingetreten. Dr. Knaup war verzweifelt. Was war
er, was ist der moderne Großstadtmensch überhaupt ohne Telephon?
Er konnte weder Bekannte anrufen noch überhaupt irgend
jemand, und, was das Peinlichste war, nicht einmal die Störungs-
stelle, damit man den Schaden reparieren lassen konnte. Eine ge-
wisse Genugtuung empfand er darüber, daß auch seine Freundin
Sonja, deren Lebensbeschäftigung es war, ihn stundenlang am
Apparat festzuhalten, restlos von ihm abgeschnitten war. Immer-
hin, auf die Dauer war der Zustand nicht auszuhalten.
Dr. Knaup fuhr — es gab keinen andern Weg mit der
Straßenbahn zum Telephonamt und bat in dringenden Aus-
drücken um sofortige Abhilfe, widrigenfalls er unter Amständen
heftige Schritte zu tun imstande sei.
Wieder zuhause angelangt, probierte er doch noch einmal,
Sonja anzuklingeln, steckte die Kuppe des Zeigefingers an den
runden Ausschnitt neben der Ziffer I und drehte.
Erstaunt drückte er den Lörer fester ans Ohr. Das war
eine neue Nuance! Dr. Knaup war in eine fremde Anterhaltung
eingeschaltet.
„-und seit 8. März bin ich wieder drei Pfund schwerer
geworden. Dabei esse ich in vierundzwanzig Stunden nur zwei
Aepfel und ein Ei!"
4
„Aber liebe Ilona. Du solltest wirklich meinem Rat folgen
und zu Dr. Oinda gehen. Ein fabelhafter Manrr! Er hat eine
ganz neue Methode erfunden, das Bauchschnellen."
„Am Gottes Willen! Ich kenne nur Stromschnellen!"
„Das ist so: >nan drückt sich zwanzigmal hintereinander im
Liegen in den Bauch und läßt ihn dann wieder emporschnellen I
Das ist das Gesündeste, was es gibt. Dr. Oinda hat dadurch
einen Geheimrat von 67 Gallensteinen befreit. Ein andrer Pa-
tient, nebenbei bemerkt ein Vorhangfabrikant, wenn ich nicht
irre, ist von jahrzehntelangem Sodbrennen geheilt worden."
„Die Vorhänge waren vermutlich indanthrensarbig!"
„Warum meinst du? Wegen der Säure?"
„Nein, ich dachte nur. Indanthren ist doch solid, und jahr-
zehnte langes Sodbrennen läßt ebenfalls auf einen steten Cha-
rakter schließen. Aebrigens, Lu, bleib, bitte, mal einen Moment
am Apparat! Ich ziehe mir nur eben die Ottomane näher ran und
schnelle Bauch. Ich möchte gleich einige Anweisungen von dir haben
und kann dir sofort meine Erfahrungen mitteilen."
„Idee, Ilona! Mache ich auch gleich mit! Ich muß sowieso
um vier wieder."
Dr. Knaup hörte noch, wie zwei Ottomanen scharrend ge-
rückt wurden, er verzicbtete aber als Mann von Welt auf weiteres
Mithören, legte den Lörer auf die Gabel und wählte Ziffer 2.
„Also, Äerr Iustizrat, meine Frau wird zu Ihnen kommen,
um sich von mir scheiden zu lassen." «Fortsetzung Sette 8)
erzählt habe, daß ich unter Kuratel stehe?"
„Seitdem sind Sie eben auch von mir — entmündigt!"
Ein köstliches Erlebnis
Kufahl wird jetzt wirklich etwas zerfahren, um nicht
zu sagen: trottelig. Nun ja, der Mann hat auch Kummer
und Sorgen.
Als ich neulich bei Kufahl war, hatte er gerade An-
sichtskarten in ein Album geklebt. „Kleine Erinnerungen
an bessere Zeiten!" sagte er. „Sehen Sie mal hier: Rudol-
stadt. Äübsche kleine Stadt. Von da fährt man ins
Schwarzathal. Sehr lohnend! L>ab' ich mal gemacht. And
dann bin ich mit der Motorpost hinüber nach Weimar.
Da kommt man durch das Städtchen Kranichfeld. Merk-
würdiger Name, nicht wahr? Es muß da mal viel Kraniche
gegeben haben. Schade, daß diese Vögel so selten geworden
sind. Kommen doch auch in einem Gedicht vor, nicht wahr?
Richtig die Geschichte mit Ibykus. Ja, also in
Kranichseld hielt damals die Motorpost, und da hatte ich
ein köstliches Erlebnis. Das muß ich Ihnen erzählen. Eine
meiner schönsten Erinnerungen. Das werde ich nie ver-
gessen, und wenn ich so alt werde wie Methusalem — —
was wir allerdings nicht hoffen wollen. Unauslöschlich hat
sich mir das eingeprägt. Da kam nämlich
Da steckte Frau Kufahl den Kopf zur Türe herein.
„Ach, Paul — einen Augenblick!"
Kufahl verschwand. Als er »ach drei Minuten wieder-
kam, war sein Äaupt umwölkt. „Wieder mal eine Rech-
nung!" stöhnte er. „Das hört nie auf, das nimmt nie ein
Ende! Immer bezahlen und bezahlen!"
Ich suchte Kufahl abzulenke». „Sie sprachen von Kra-
nichfeld, Äerr Kufahl. Da wollten Sie mir etwas erzählen."
Kufahl rieb sich die Stirn. „Ich weiß wirklich
nicht — — —"
„Ja — von einem Erlebnis, das Sie köstlich
nannten."
„Ein Erlebnis in Kranichfeld?" Kufahl schüttelte den
Kops. „Keine Ahnung! Ich habe total vergessen, was ich
vorhin erzählen wollte." -»».
Dr. Knaups Telephon ist kaputt
Von Peter Kringel
Dr. Knaups Telephon war kaputt. Es war ein Apparat zum
Selbstwählen. Sein sonst so sauber und zuverlässig arbeitender
Mechanismus schien heillos in Anordnung zu sein. Eine Art
Paralyse war eingetreten. Dr. Knaup war verzweifelt. Was war
er, was ist der moderne Großstadtmensch überhaupt ohne Telephon?
Er konnte weder Bekannte anrufen noch überhaupt irgend
jemand, und, was das Peinlichste war, nicht einmal die Störungs-
stelle, damit man den Schaden reparieren lassen konnte. Eine ge-
wisse Genugtuung empfand er darüber, daß auch seine Freundin
Sonja, deren Lebensbeschäftigung es war, ihn stundenlang am
Apparat festzuhalten, restlos von ihm abgeschnitten war. Immer-
hin, auf die Dauer war der Zustand nicht auszuhalten.
Dr. Knaup fuhr — es gab keinen andern Weg mit der
Straßenbahn zum Telephonamt und bat in dringenden Aus-
drücken um sofortige Abhilfe, widrigenfalls er unter Amständen
heftige Schritte zu tun imstande sei.
Wieder zuhause angelangt, probierte er doch noch einmal,
Sonja anzuklingeln, steckte die Kuppe des Zeigefingers an den
runden Ausschnitt neben der Ziffer I und drehte.
Erstaunt drückte er den Lörer fester ans Ohr. Das war
eine neue Nuance! Dr. Knaup war in eine fremde Anterhaltung
eingeschaltet.
„-und seit 8. März bin ich wieder drei Pfund schwerer
geworden. Dabei esse ich in vierundzwanzig Stunden nur zwei
Aepfel und ein Ei!"
4
„Aber liebe Ilona. Du solltest wirklich meinem Rat folgen
und zu Dr. Oinda gehen. Ein fabelhafter Manrr! Er hat eine
ganz neue Methode erfunden, das Bauchschnellen."
„Am Gottes Willen! Ich kenne nur Stromschnellen!"
„Das ist so: >nan drückt sich zwanzigmal hintereinander im
Liegen in den Bauch und läßt ihn dann wieder emporschnellen I
Das ist das Gesündeste, was es gibt. Dr. Oinda hat dadurch
einen Geheimrat von 67 Gallensteinen befreit. Ein andrer Pa-
tient, nebenbei bemerkt ein Vorhangfabrikant, wenn ich nicht
irre, ist von jahrzehntelangem Sodbrennen geheilt worden."
„Die Vorhänge waren vermutlich indanthrensarbig!"
„Warum meinst du? Wegen der Säure?"
„Nein, ich dachte nur. Indanthren ist doch solid, und jahr-
zehnte langes Sodbrennen läßt ebenfalls auf einen steten Cha-
rakter schließen. Aebrigens, Lu, bleib, bitte, mal einen Moment
am Apparat! Ich ziehe mir nur eben die Ottomane näher ran und
schnelle Bauch. Ich möchte gleich einige Anweisungen von dir haben
und kann dir sofort meine Erfahrungen mitteilen."
„Idee, Ilona! Mache ich auch gleich mit! Ich muß sowieso
um vier wieder."
Dr. Knaup hörte noch, wie zwei Ottomanen scharrend ge-
rückt wurden, er verzicbtete aber als Mann von Welt auf weiteres
Mithören, legte den Lörer auf die Gabel und wählte Ziffer 2.
„Also, Äerr Iustizrat, meine Frau wird zu Ihnen kommen,
um sich von mir scheiden zu lassen." «Fortsetzung Sette 8)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Warum kriege ich keinen Kuß mehr von Ihnen, ..."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 176.1932, Nr. 4510, S. 4
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg