Zeichnung von G. Traub
Auf dem alten Erbschloß der v. Bronte,
Zehn Minuten hinter Schnaggeduh,
Trugen sich, solang man denken konnte,
Stets schon schauerliche Dinge zu.
Nämlich immer, wenn geschlachtet wurde,
Ließ sich ein Gespenst im Hause sehn,
Zeigte sich der olle Ahnherr Burte
Als ein schauerliches Phänomen.
Mit der rosigen Rüstung schlecht bekleidet,
Kettenhemdenmatz im Negligee,
Phosphor leuchtend, leise klirrend, schreitet
Er vergrämt auf dem entfleischten Zeh.
Knitternd mit vergilbtem Pergamente,
Trockne Kräuter in der andern Hand,
Wandert er die Gänge all zu Ende
Und verschwindet jammernd in der Wand,
Scherbe zeigt sich keineswegs betreten.
Ganz im Gegenteil! Beim nächsten Schwein
Kauft er einen Riesenkraftmagneten,
Schaltet diesen in der Küche ein.
Richtig fiel auch dieser Ueberlistung
Das Gespenst zum Opfer: Kettenhemd,
Schwert und Helm, kurz, die gesamte Rüstung
Nebst ihm selbst ward schmählich festgeklemmt.
Dieserhalb verkauft der letzte Erbe
Den Besitz (er selbst zog in die Stadt)
An den Metzgermeister Emil Scherbe,
Welcher Geld und keine Nerven hat.
Von der Existenz des Geisterwesens
Aufgeklärt, sprach Scherbe, kaum erregt:
Quatsch! Bei mir, da gibts keen Federlesens -
Dem wird dieses Handwerk schon gelegt!“
Ahnherr Burte hat sich nicht entblödet:
Als der neue Herr das erstemal
Zwecks Verwurstelns eine Sau getötet.
Ging er scheppernd auf und ab im Saal.
Scherbe rief: „Herr, so jeht det nich weiter,
Ick vermies’ Sie det Jeschäft — hehe !“
Burte aber schüttelte die Kräuter
Und entschritt mit Würde ins W. C.
Scherbe stopfte mit geübter Pfote
Leber in die Wurst, da machts: Huhu!
Das Gespenst kommt aus dem alten Schlote
Und schaut Scherbe händeringend zu.
Sucht nach irgend etwas in der Küche,
Fingert auf dem Pergament entlang,
Murmelt wüste, antiquierte Flüche
Und verschwindet heulend auf dem Gang.
„So, Verehrtesta,“ sprach da mit Grollen
Scherbe zu dem Knochenkavalier,
„So, nu sag ’n Se schleunigst, wat Se wollen,
Oder heute jibt et Kleinholz hier!“
„Ja,“ weint Ahnherr Burte da voll Zagen,
„Mich zu fassen, Ihnen ists geglückt,
Und drum will ich endlich einmal sagen.
Was mich seit 500 Jahren drückt.
Wirklich unterblieb nun Ahnherr Burte,
Der so lange schon am Umgang gehn.
Seine Schwiegermutter aber wurde
Nachts darauf im weißen Hemd gesehn.
Scherbeflucht: „Jetzt kommt auch dieser Drachen I
Hier ist zu viel Tradition im Haus,
Da kann man natürlich gar nischt machenT
Und er zog fluchtartig wieder aus.
A. W.
Nämlich ich, ich war ein armer Ritter,
Und zwei Dingen war ich zugetan:
Erstens einem guten Magenbitter,
Zweitens Leberwurst mit Majoran,
Aber ach, von meiner Schwiegeralten,
Die auf einem dicken Geldsack saß,
Ward mir beides immer vorenthaltcn
50 Jahre lang, das ist kein Spaß!
Majoran, sprach sie, sei für die Kälber,
Rottet’ ihn im weiten Umkreis aus,
Und den Bittern, Herr, den trank sie selber
Rückte nie nen Pfennig Geld heraus.
Ja, sie strich sogar (wozu sie Mut hatt’,
Denn ich war ein großer Jämmerling!)
Aus den Schloßkochbüchern diese Zutat,
So daß das Rezept verloren ging.“
Scherbe sagte: „Det is leicht zu machen:
In det Burgverlies (det kost’ keen Jeld!)
Krieg’n Se einen Posten von die Sachen
Nebst ne Klingelleitung hinjestellt.“
Drauf hat er den Starkstrom unterbrochen *—
„Danke!“ sprach der Ahnherr, „bester Herr!“
„Bitte dreimal läuten, ja nicht pochen,
Wenn was fehlt!“ rief Scherbe hinterher.
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Auf dem alten Erbschloß der v. Bronte,
Zehn Minuten hinter Schnaggeduh,
Trugen sich, solang man denken konnte,
Stets schon schauerliche Dinge zu.
Nämlich immer, wenn geschlachtet wurde,
Ließ sich ein Gespenst im Hause sehn,
Zeigte sich der olle Ahnherr Burte
Als ein schauerliches Phänomen.
Mit der rosigen Rüstung schlecht bekleidet,
Kettenhemdenmatz im Negligee,
Phosphor leuchtend, leise klirrend, schreitet
Er vergrämt auf dem entfleischten Zeh.
Knitternd mit vergilbtem Pergamente,
Trockne Kräuter in der andern Hand,
Wandert er die Gänge all zu Ende
Und verschwindet jammernd in der Wand,
Scherbe zeigt sich keineswegs betreten.
Ganz im Gegenteil! Beim nächsten Schwein
Kauft er einen Riesenkraftmagneten,
Schaltet diesen in der Küche ein.
Richtig fiel auch dieser Ueberlistung
Das Gespenst zum Opfer: Kettenhemd,
Schwert und Helm, kurz, die gesamte Rüstung
Nebst ihm selbst ward schmählich festgeklemmt.
Dieserhalb verkauft der letzte Erbe
Den Besitz (er selbst zog in die Stadt)
An den Metzgermeister Emil Scherbe,
Welcher Geld und keine Nerven hat.
Von der Existenz des Geisterwesens
Aufgeklärt, sprach Scherbe, kaum erregt:
Quatsch! Bei mir, da gibts keen Federlesens -
Dem wird dieses Handwerk schon gelegt!“
Ahnherr Burte hat sich nicht entblödet:
Als der neue Herr das erstemal
Zwecks Verwurstelns eine Sau getötet.
Ging er scheppernd auf und ab im Saal.
Scherbe rief: „Herr, so jeht det nich weiter,
Ick vermies’ Sie det Jeschäft — hehe !“
Burte aber schüttelte die Kräuter
Und entschritt mit Würde ins W. C.
Scherbe stopfte mit geübter Pfote
Leber in die Wurst, da machts: Huhu!
Das Gespenst kommt aus dem alten Schlote
Und schaut Scherbe händeringend zu.
Sucht nach irgend etwas in der Küche,
Fingert auf dem Pergament entlang,
Murmelt wüste, antiquierte Flüche
Und verschwindet heulend auf dem Gang.
„So, Verehrtesta,“ sprach da mit Grollen
Scherbe zu dem Knochenkavalier,
„So, nu sag ’n Se schleunigst, wat Se wollen,
Oder heute jibt et Kleinholz hier!“
„Ja,“ weint Ahnherr Burte da voll Zagen,
„Mich zu fassen, Ihnen ists geglückt,
Und drum will ich endlich einmal sagen.
Was mich seit 500 Jahren drückt.
Wirklich unterblieb nun Ahnherr Burte,
Der so lange schon am Umgang gehn.
Seine Schwiegermutter aber wurde
Nachts darauf im weißen Hemd gesehn.
Scherbeflucht: „Jetzt kommt auch dieser Drachen I
Hier ist zu viel Tradition im Haus,
Da kann man natürlich gar nischt machenT
Und er zog fluchtartig wieder aus.
A. W.
Nämlich ich, ich war ein armer Ritter,
Und zwei Dingen war ich zugetan:
Erstens einem guten Magenbitter,
Zweitens Leberwurst mit Majoran,
Aber ach, von meiner Schwiegeralten,
Die auf einem dicken Geldsack saß,
Ward mir beides immer vorenthaltcn
50 Jahre lang, das ist kein Spaß!
Majoran, sprach sie, sei für die Kälber,
Rottet’ ihn im weiten Umkreis aus,
Und den Bittern, Herr, den trank sie selber
Rückte nie nen Pfennig Geld heraus.
Ja, sie strich sogar (wozu sie Mut hatt’,
Denn ich war ein großer Jämmerling!)
Aus den Schloßkochbüchern diese Zutat,
So daß das Rezept verloren ging.“
Scherbe sagte: „Det is leicht zu machen:
In det Burgverlies (det kost’ keen Jeld!)
Krieg’n Se einen Posten von die Sachen
Nebst ne Klingelleitung hinjestellt.“
Drauf hat er den Starkstrom unterbrochen *—
„Danke!“ sprach der Ahnherr, „bester Herr!“
„Bitte dreimal läuten, ja nicht pochen,
Wenn was fehlt!“ rief Scherbe hinterher.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Emil Scherbe und die Tradition"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 176.1932, Nr. 4511, S. 19
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg