Zeichnung von M. LIau»
das steht fest. Schon wegen der Abmach-
ungen mit den verschiedenen Theatern,
die sich um das Recht der Aufführung
bewerben, muß er sich doch künftig frei
von jeder anderen Tätigkeit halten, und
dann werden natürlich weitere Bühnen-
werke in rascher Folge erscheinen, und
schließlich sichern ja auch die Einkünfte ein
für allemal dem Autor ein sorgenfreies
Dasein. Ja, die Kunst nährt schon noch
ihren Mann, der Mann muß nur darnach
sein! Aus diesem Grunde macht es auch
nichts, daß die fertige Manuskriptsendung
gerade an einem Freitag zur Post geht.
Der innere Wert entscheidet! Wenn trotz-
dem Lerr Damke mit einer gewissen An-
ruhe dem Wortlaut der Annahme ent-
gegensah, durch die sich das Stadttheater
die Uraufführung sicherte, so ist das mensch-
lich verständlich. And ebenso kann man
nur seinen Entschluß billigen, am Sonntag
Mittag im Theaterrestaurant zu speisen,
in dem, wie er wußte, der Intendant Dr.
Scheumann regelmäßig verkehrte. Unter
Umständen läßt sich doch bei der Gelegen-
heit schon eine persönliche Bekanntschaft
ermöglichen. Man muß sehen, am Neben-
tisch unterzukommen. Vielleicht kann man
im richtigen Augenblick mit einem Streich-
holz aushelfen. Wer weiß, kleine Ursachen,
große Wirkungen. Jedenfalls saß Lerr
Damke am Sonntag von 12 Ahr ab aus
einer Bank in den Anlagen, an der auf
jeden Fall der Intendant vorbei mußte,
wenn er zum Theater wollte. And richtig,
kurz vor 1 Ahr kam er, ging langsam vor
seinem künftigen Autor her nach dem Re-
staurant, trat ein und saß kaum an seinem
gewohnten Platz, als sich am Nebentisch
ihm genau gegenüber der junge Lerr Damke
etwas unbeholfen niederließ. Zunächst ent-
zog man sich leider gegenseitig dem An-
blick durch die doppelte Wand einer Tages-
Widerspruchsvoll „Sie sind überjeschnappt, Schulz'n I Eenmal erzählen zeitung und einer Speisekarte. Lerr Damke
Se, ick wär' die dreckigste Schlampe, und 's andre Mal schuf zuerst wieder freies Blickfeld und
klatschen Se, ick stehle Seife uff meine Waschplätze." bereitete sich durch vorsichtiges Nachfühlen
seines Sonntagsscheitels darauf vor, sofort
einen guten Eindruck zu machen, wenn
sein elegantes Gegenüber den Generalanzeiger aus der Land
legen und die Amgebung mustern sollte. Vorläufig war aber
Dr. Scheumann noch ganz in seine Zeitung vertieft. Einen
Augenblick sah er auf und bestellte einen Kaffee, gerade nachdem
Lerr Damke dem nahenden Ober schon zugerufen hatte: „Ein
Gedeck zu M. 2.50!" „Effen Lerr Doktor heute nicht bei uns?"
„Nein, ich muß gleich wieder weg!" Wie ärgerlich für den Autor!
Jetzt sitzt man sich schon mal gegenüber, wenn aber der Doktor
heute nicht hier ißt, da trennt man sich wahrscheinlich wieder,
ohne ein Wort miteinander gesprochen zu haben. Dazu noch über-
flüssigerweise das teure Essen schon bestellt. Blödsinnig! Als ob
vorgestern die Sendung an das Theaterbüro durch die Wertan-
gäbe M. 2000.— nicht schon genug Geld gekostet hat. Wenn
der Mann wenigstens wüßte, daß er jemand vom Bau vor sich
hat, noch dazu den Autor des eben eingereichten Dramas. Man
kann aber doch nicht einfach hingehen und sagen: „Ich habe wohl
die Ehre . ..!" Ach was, abwarten, nicht aufdrängen. Wenn der
Doktor rauchen wollte, daß ich mir Feuer geben lassen könnte.
Persönliche Bekanntschaft
war, das mußte leider mit Fug bezweifelt werden, nach allem,
was man in der hiesigen Presse über die zunehmende Entartung
der dramatischen Kunst an der Landesbühne zu lesen bekam. And
dann war diese Wahl auch deshalb glücklich, weil hier am Ort
ein gewisser Einfluß auf die Regie, auf die Besetzung der Rollen
und auf ähnliche wichtige Entscheidungen leichter zu erreichen
war als in der Lauptstadt, denn die Stelle in der Eisenhandlung
am Markt wird natürlich erst aufgegeben, wenn die Araufführung
vorüber ist! Bis dahin soll sich Lerr Schweikert nur ruhig seinen
unangebrachten Ton weiter erlauben. Im Grunde kann ja der
Mann aber nicht wissen, daß in einem Giebelstübchen seines
Laufes bereits das Drama geschrieben worden ist, durch das auch
er einmal mit auf die Nachwelt kommen wird. Erfährt er das,
so ist es natürlich längst zu spät, aber dann soll er sich gefälligst
auch nicht wundern, wenn die Literaturgeschichte einmal nicht
gerade glimpflich mit ihm umgeht. Jedenfalls ist Alwin Damke
die längste Zeit zweiter Verkäufer im Lause Schweikert gewesen.
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das steht fest. Schon wegen der Abmach-
ungen mit den verschiedenen Theatern,
die sich um das Recht der Aufführung
bewerben, muß er sich doch künftig frei
von jeder anderen Tätigkeit halten, und
dann werden natürlich weitere Bühnen-
werke in rascher Folge erscheinen, und
schließlich sichern ja auch die Einkünfte ein
für allemal dem Autor ein sorgenfreies
Dasein. Ja, die Kunst nährt schon noch
ihren Mann, der Mann muß nur darnach
sein! Aus diesem Grunde macht es auch
nichts, daß die fertige Manuskriptsendung
gerade an einem Freitag zur Post geht.
Der innere Wert entscheidet! Wenn trotz-
dem Lerr Damke mit einer gewissen An-
ruhe dem Wortlaut der Annahme ent-
gegensah, durch die sich das Stadttheater
die Uraufführung sicherte, so ist das mensch-
lich verständlich. And ebenso kann man
nur seinen Entschluß billigen, am Sonntag
Mittag im Theaterrestaurant zu speisen,
in dem, wie er wußte, der Intendant Dr.
Scheumann regelmäßig verkehrte. Unter
Umständen läßt sich doch bei der Gelegen-
heit schon eine persönliche Bekanntschaft
ermöglichen. Man muß sehen, am Neben-
tisch unterzukommen. Vielleicht kann man
im richtigen Augenblick mit einem Streich-
holz aushelfen. Wer weiß, kleine Ursachen,
große Wirkungen. Jedenfalls saß Lerr
Damke am Sonntag von 12 Ahr ab aus
einer Bank in den Anlagen, an der auf
jeden Fall der Intendant vorbei mußte,
wenn er zum Theater wollte. And richtig,
kurz vor 1 Ahr kam er, ging langsam vor
seinem künftigen Autor her nach dem Re-
staurant, trat ein und saß kaum an seinem
gewohnten Platz, als sich am Nebentisch
ihm genau gegenüber der junge Lerr Damke
etwas unbeholfen niederließ. Zunächst ent-
zog man sich leider gegenseitig dem An-
blick durch die doppelte Wand einer Tages-
Widerspruchsvoll „Sie sind überjeschnappt, Schulz'n I Eenmal erzählen zeitung und einer Speisekarte. Lerr Damke
Se, ick wär' die dreckigste Schlampe, und 's andre Mal schuf zuerst wieder freies Blickfeld und
klatschen Se, ick stehle Seife uff meine Waschplätze." bereitete sich durch vorsichtiges Nachfühlen
seines Sonntagsscheitels darauf vor, sofort
einen guten Eindruck zu machen, wenn
sein elegantes Gegenüber den Generalanzeiger aus der Land
legen und die Amgebung mustern sollte. Vorläufig war aber
Dr. Scheumann noch ganz in seine Zeitung vertieft. Einen
Augenblick sah er auf und bestellte einen Kaffee, gerade nachdem
Lerr Damke dem nahenden Ober schon zugerufen hatte: „Ein
Gedeck zu M. 2.50!" „Effen Lerr Doktor heute nicht bei uns?"
„Nein, ich muß gleich wieder weg!" Wie ärgerlich für den Autor!
Jetzt sitzt man sich schon mal gegenüber, wenn aber der Doktor
heute nicht hier ißt, da trennt man sich wahrscheinlich wieder,
ohne ein Wort miteinander gesprochen zu haben. Dazu noch über-
flüssigerweise das teure Essen schon bestellt. Blödsinnig! Als ob
vorgestern die Sendung an das Theaterbüro durch die Wertan-
gäbe M. 2000.— nicht schon genug Geld gekostet hat. Wenn
der Mann wenigstens wüßte, daß er jemand vom Bau vor sich
hat, noch dazu den Autor des eben eingereichten Dramas. Man
kann aber doch nicht einfach hingehen und sagen: „Ich habe wohl
die Ehre . ..!" Ach was, abwarten, nicht aufdrängen. Wenn der
Doktor rauchen wollte, daß ich mir Feuer geben lassen könnte.
Persönliche Bekanntschaft
war, das mußte leider mit Fug bezweifelt werden, nach allem,
was man in der hiesigen Presse über die zunehmende Entartung
der dramatischen Kunst an der Landesbühne zu lesen bekam. And
dann war diese Wahl auch deshalb glücklich, weil hier am Ort
ein gewisser Einfluß auf die Regie, auf die Besetzung der Rollen
und auf ähnliche wichtige Entscheidungen leichter zu erreichen
war als in der Lauptstadt, denn die Stelle in der Eisenhandlung
am Markt wird natürlich erst aufgegeben, wenn die Araufführung
vorüber ist! Bis dahin soll sich Lerr Schweikert nur ruhig seinen
unangebrachten Ton weiter erlauben. Im Grunde kann ja der
Mann aber nicht wissen, daß in einem Giebelstübchen seines
Laufes bereits das Drama geschrieben worden ist, durch das auch
er einmal mit auf die Nachwelt kommen wird. Erfährt er das,
so ist es natürlich längst zu spät, aber dann soll er sich gefälligst
auch nicht wundern, wenn die Literaturgeschichte einmal nicht
gerade glimpflich mit ihm umgeht. Jedenfalls ist Alwin Damke
die längste Zeit zweiter Verkäufer im Lause Schweikert gewesen.
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Widerspruchsvoll"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 176.1932, Nr. 4512, S. 38
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg