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DAS MODERNE S C H R E I B E R L E I N
Das Schreiberlein zu Osnabrück,
Das einstmals Leid und Freude,
Das Blühen feiner jungen Lieb
Mit Schnörkeln in die Akten schrieb,
Ist fast Legende heute.
O Federkiel,
O Tintenspiel!
Wohin seid ihr entschwunden?
Seit die Maschine glänzt aus Stahl,
Die fünfzehn Seiten Orginal
Und noch Kopien sonder Zahl
Leicht liefert in zwei Stunden!
Geht heut vorbei die Dorothee
Mit schnippisch kühler Miene,
Dann greift er in die Tastatur
Und spielt ein Presto voll Bravour
Auf seiner Schreibmaschine.
Erst später, ach —
Sucht er mit Krach
Die Sätze fein gedrechselt.
Weil er von ihrem Bild verstört
Das Klingelzeichen nicht gehört
Und eine Stunde liebbetört
Die Zeile nicht gewechselt!
Des Sonntags baut er in die Luft
Die wundervollsten Schlösser.
Dann geht er in ein Rennbüro
Und fragt nach Tips — und wettet so
Auf unbekannte Rösser!
Und läuft das Feld,
Träumt unser Held,
Daß ihm ein Coup geglücket.
Der Außenseiter kommt ans Ziel
Und gibt — so geht‘s beim Pferdespiel —
Für zehn Mark — hundertmal so viel,
Und er — er hat das Ticket!!
Wird untreu dann die Dorothee,
lst‘s ihm natürlich arg — oh!
ilejl N
Doch Tinte säuft er nicht, der Mann,
i,| H
91 J\J
Nur still auf der Maschine dann
Tippt er andante largo:
Von Herz und Schmerz,
Von Scherz und März,
Vom Werben und vom Wagen.
An Mieze, Lotte und Marie,
Lisett1, Karola, Melanie,
Weil er sein Brieflein mit Genie —
Gleich fünfmal durchgeschlagen!
Ferd. Kahn.
Befreiung
ZülkenHagen ist eine sehr kleine Stadt. Es gibt dort nur einen
anständigen Frisier- und Rasiersalon, den die besseren Herrschaften
aufsuchen können. Der Inhaber ist ein noch junger Mann; Theo-
phil Gänseklein heißt er. -
Der Verleger und Drucker des „Zülkenhagener Wochen-
blattes" erklärt seinem Redakteur: „Seit einiger Zeit bringen
Sie da Gedichte von einem gewissen Theo Klein, die mir gar
nicht gefallen. Ganz blödsinniges Zeug ist das. Gestern das letzte
Gedicht war ja haarsträubend!"
Der Redakteur nickt. „Das war auch wirklich das letzte. Ich
habe mir jetzt einen Rasierapparat angeschafft."
„Was hat das damit zu tun?"
„Theo Klein ist unser Barbier Theophil Gänseklein."
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DAS MODERNE S C H R E I B E R L E I N
Das Schreiberlein zu Osnabrück,
Das einstmals Leid und Freude,
Das Blühen feiner jungen Lieb
Mit Schnörkeln in die Akten schrieb,
Ist fast Legende heute.
O Federkiel,
O Tintenspiel!
Wohin seid ihr entschwunden?
Seit die Maschine glänzt aus Stahl,
Die fünfzehn Seiten Orginal
Und noch Kopien sonder Zahl
Leicht liefert in zwei Stunden!
Geht heut vorbei die Dorothee
Mit schnippisch kühler Miene,
Dann greift er in die Tastatur
Und spielt ein Presto voll Bravour
Auf seiner Schreibmaschine.
Erst später, ach —
Sucht er mit Krach
Die Sätze fein gedrechselt.
Weil er von ihrem Bild verstört
Das Klingelzeichen nicht gehört
Und eine Stunde liebbetört
Die Zeile nicht gewechselt!
Des Sonntags baut er in die Luft
Die wundervollsten Schlösser.
Dann geht er in ein Rennbüro
Und fragt nach Tips — und wettet so
Auf unbekannte Rösser!
Und läuft das Feld,
Träumt unser Held,
Daß ihm ein Coup geglücket.
Der Außenseiter kommt ans Ziel
Und gibt — so geht‘s beim Pferdespiel —
Für zehn Mark — hundertmal so viel,
Und er — er hat das Ticket!!
Wird untreu dann die Dorothee,
lst‘s ihm natürlich arg — oh!
ilejl N
Doch Tinte säuft er nicht, der Mann,
i,| H
91 J\J
Nur still auf der Maschine dann
Tippt er andante largo:
Von Herz und Schmerz,
Von Scherz und März,
Vom Werben und vom Wagen.
An Mieze, Lotte und Marie,
Lisett1, Karola, Melanie,
Weil er sein Brieflein mit Genie —
Gleich fünfmal durchgeschlagen!
Ferd. Kahn.
Befreiung
ZülkenHagen ist eine sehr kleine Stadt. Es gibt dort nur einen
anständigen Frisier- und Rasiersalon, den die besseren Herrschaften
aufsuchen können. Der Inhaber ist ein noch junger Mann; Theo-
phil Gänseklein heißt er. -
Der Verleger und Drucker des „Zülkenhagener Wochen-
blattes" erklärt seinem Redakteur: „Seit einiger Zeit bringen
Sie da Gedichte von einem gewissen Theo Klein, die mir gar
nicht gefallen. Ganz blödsinniges Zeug ist das. Gestern das letzte
Gedicht war ja haarsträubend!"
Der Redakteur nickt. „Das war auch wirklich das letzte. Ich
habe mir jetzt einen Rasierapparat angeschafft."
„Was hat das damit zu tun?"
„Theo Klein ist unser Barbier Theophil Gänseklein."
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
Ohne Titel
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 176.1932, Nr. 4514, S. 66
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg