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Zeichnung von s. Sroisianl

Mißverstanden

Wer ist schuld?

Von LiervnYmuS Jobs

Zn meiner Vaterstadt, die selbst heute noch so klein ist, daß
ein einziger Mondstrahl sie vom oberen bis zum unteren Stadt-
tor zu überfllbern vermag, da war es vor vielen Zähren ein-
mal so:

Vor jedem Laus stand eine Sonnenbank, und darauf saßen
nach vollbrachtem Tagwerk Mann und Frau im lauen Sommer-
abend und pflogen der Zwiesprach. Gut. Weil nun aber damals
schon so manch eine Ehefrau, sogar noch in diesen Feierstunden
und somit außerhalb des Laufes, an den Gatten das unwirsche
Gesicht hinmachte, das sie ihm schon innerhalb des Laufes den
ganzen Tag über gewidmet hatte, und demzufolge höchstens für
ein einsilbiges Ja und Rein, jedoch nicht für eine belebte Unter-
haltung zu haben war, so wechselte hinwiederum gar manch ein
Mann, der ehefraulichen Laune überdrüsflg, auf eine andere Son-
nenbank hinüber, allwo nun sogleich das Ehegespons eines an-
deren Eheherrn sich jenes gefälligen Gesichtsausdruckes befleißigte,
den es bislang dem eigenen Gatten so entschieden vorenthalten
hatte, daß dieser gleichfalls schon auf einer anderen Sonnenbank saß.

Unter sotanen Umständen kam es, daß zu guter Letzt der
Schneider Malchus neben der Schusterin Zwerger, der Sattler
Siechenbrand neben der Zinngießerin Riersteiner, der Nagel-
schmied Fröhlich neben der Lebzelterin Firnkäs, der Bader Kling-
lein neben der Weberin Wunsam, kurzum, daß ein jeder Ehe-
mann neben einer andern Ehefrau als der ihm angetrauten sich
niedertat, also, daß mit jedem Tag und Abend die Unterhaltung
auf den Sonnenbänken stadtaus stadtab zwar immer belebter,
gleichzeitig indes bei einzelnen sittenstrengen Bürgern und Bürge-
rinnen, so an die belebte Unterhaltung keinen Anschluß mehr
fanden, das Aergernis ob des abendlichen Durcheinander immer
größer wurde. Bis es zuletzt in einer gepfefferten „Vorstellung"
an den hochlöblichen Stadtmagistrat mit lautem Krach und viel
Gestank explodierte.

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Der gestrenge Stadtmagistrat, jeglicher Sittenverderbnis
abhold, verfügte denn auch sofort: alle Sonnenbänke müssen
weg, worauf es mit den belebten Abendunterhaltungen aus
und Amen war und die Frauen wieder darauf sich beschränken
mußten,- innerhalb der Läufer an ihre Ehemänner die
diesen angeblich gebührenden unwirschen Gesichter hinzumachen.
Die Männer jedoch, an die um so viel angenehmere Kurzweil
auf den Sonnenbänken einmal gewöhnt, sannen auf Ersatz und
kamen solcherweise ganz von selber darauf, sich abendlicher-
weile in die Wirtshäuser zu hocken, zu Trunk und Karten-
spiel.

Das war nun wieder den Frauen über die Maßen peinlich;
denn mit dem Ehegatten auch noch das gute, bare Geld hin-
schwinden zu sehen, dieses ging über ihre ehefraulichen Kräfte,
und sie lagen darum alle miteinander dem Stadtmagistrat ein-
stimmig in den Ohren, doch ums Limmels willen Mittel und
Wege zu finden behufs alsbaldiger Bannung des Wirtshaus-
teufels. Und der hohe Magistrat erwog hin und erwog her. End-
lich erließ er, ganz einfach nach den ewigen Gesetzen der Logik,
die Anordnung: alle Sonnenbänke wieder her! And so geschah
es, und alle Frauen triumphierten. Zu früh. Denn die Männer,
uneingedenk aller Logik, waren aus den Wirtshäusern nicht mehr
herauszubringen.

And dabei ist es seitdem leider geblieben. Die Männer sagen,
die Frauen sind schuld, und die Frauen sagen, die Männer; denn
niemand mehr unter diesem schnellebigen Geschlecht weiß, daß
einzig und allein der Stadtmagistrat mit seiner unbedachten Be-
seitigung der Sonnenbänke die ganze Wirtshaushockerei auf dem
Gewissen hat. Vielleicht läßt sich jedoch durch Bekanntgabe des
historischen Äergangs wenigstens der Stachel der Verbitterung
den wechselseitigen ehelichen Beschuldigungen benehmen. O, diese
Obrigkeit!
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Mißverstanden"
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Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Croissant, Eugen
Entstehungsdatum
um 1932
Entstehungsdatum (normiert)
1927 - 1937
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Fliegende Blätter, 176.1932, Nr. 4514, S. 68

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